Späße auf seine Kosten kann der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan so gar nicht leiden: So verlas der deutsche ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in seiner Show Neo Magazin Royale ein bewusst niveauloses Gedicht über den Autokraten, was ihm prompt eine Anzeige, die durch Kanzlerin Merkel ermächtigt werden musste, einbrachte – ein Skandal, der die Medien erzürnte und weit über die Grenzen Europas hinausging.

Fälle wie dieser sorgen immer wieder für großes Aufsehen, da in Europa (zumindest theoretisch) Presse-, Meinungs- und Redefreiheit zu den Grundrechten zählen. In der Türkei werden für Beleidigung und Kritik am Staatsoberhaupts Erdogan aber tatsächlich sehr hohe Strafen verhängt. Nun sorgt erneut ein Fall für kritische Stimmen: Die ehemalige „Miss Türkei“, Model und Produktdesignerin Merve Büyüksarac, hat auf ihrem Instagram-Profil ein Erdogan-kritisches Gedicht gepostet – und wurde nun zu 13 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. 

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Ein von MERVE CİNER (@mervebuyuksarac) gepostetes Foto am

Im Gedicht „Ustanin Siiri“ („Gedicht des Meisters“) geht es um Bestechung, es bezieht sich auf Vorfälle im Dezember 2013, als gegen den damaligen Ministerpräsidenten Erdogan wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt wurde. Im Gedicht heißt es etwa, „Ich klaue seit elf Jahren und ich werde weiter klauen. Welcher Verrückte könnte mich je anklagen? Ich zertrample das Recht, ich überwinde es. Ich bin bei jeder Ausschreibung dabei, kassiere meinen Anteil, lebe gut. Haben sich zu Hause ein paar Millionen angehäuft, schicke ich meinen Sohn Bilal und er beseitigt sie.“

 

Die 27-jahrige Merve verteidigte sich vor Gericht damit, dass das Gedicht aus dem Satiremagazin Uykusuz im Fotonetzwerk millionenfach geteilt wurde. Erdogans Anwalt argumentierte, dass das Gedicht abgewandelte Passagen der türkischen Nationalhymne enthält und man somit den Präsidenten persönlich beleidige. Erdogan wird von seinen Anhängern als „Großer Meister“ verehrt. Vor kurzem wurde der Türkei unterstellt, durch die Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten der pro-kurdischen Fraktion HDP am besten Wege in eine Autokratie zu sein.

Seit seinem Amtsantritt im August 2014 hat Erdogan über 2000 Klagen gegen Journalisten, Künstler und Studenten, sogar gegen Teenager wegen Beleidigung eingebracht.