Was wäre, wenn wir wissen, dass wir in einem Jahr sterben und das Leben vorbei ist? Was würden wir noch unbedingt in dieser Zeit tun und was hinten anstehen lassen wollen? Und überhaupt: Auf welche Dinge kommt es eigentlich im Leben an? Mit genau solchen Fragen beschäftigte sich die deutsche Journalistin und Buchautorin Alexandra Reinwarth. Sie stellte sich vor, dass sie nur mehr ein Jahr zu leben hätte – und setzte sich den 15. Februar 2018 als fiktives Sterbedatum. Da eine ihrer Freundinnen zum zweiten Mal an Krebs erkrankte, kam sie auf die Idee dieses Gedanken-Experiments und begann in Folge ausschließlich ihrem Herz zu folgen.

„Es war wie immer, wenn man so eine Nachricht hört, ob von Krankheit oder vom Unfall eines Bekannten: kurz schrecken wir dann auf, weil wir merken, dass wir so leben, als hätten wir noch ewig Zeit. Dann besinnen wir uns einen Moment, vielleicht kommt die eine oder andere Erkenntnis, dass man eigentlich einige Dinge anders machen müsste – und dann verfallen wir wieder in den alltäglichen Trott. Bis wieder etwas passiert“, so die Autorin in einem Interview mit der Tageszeitung Kurier. 

Fiktives Sterbedatum als „Deadline“ für ein glücklicheres Leben

Oft erschleicht uns der Gedanke, dass es uns doch viel schlimmer treffen könnte und finden uns mit Alltagsbeschwerden ab, denn „schließlich hat die ja ein jeder“. Was wäre aber, wenn wir versuchen, Dinge an der Wurzel zu packen, sie zu verändern und unseren Träumen, die vielleicht unerreichbar scheinen, nachgehen? Genau deshalb nutzte Alexandra Reinwarth das fiktive Sterbedatum als Trick, um nicht zu vergessen, was für sie zählt und auch tatsächlich danach zu handeln.

„Ganz ehrlich: Wenn wir daran denken, wie wir einmal alt mit künstlichem Hüftgelenk im Liegestuhl liegen: Wozu ist dann am Ende die ganze Vorsicht gut?“, so die Autorin gegenüber dem Kurier. Sie war nun bereit, in allen Lebensbereichen mehr zu riskieren und ließ sich nicht von der Angst vor möglichen Konsequenzen steuern. Zusammen mit einer Freundin kaufte sie ein sehr renovierungsbedürftiges Haus, in dem sie sich den Wunsch von einer Bar und „Bed & Breakfast“ erfüllte. Doch damit noch lange nicht genug: Sie hörte auf, sich mit Menschen, die ihr nichts bedeuten und nicht gut taten, zu umgeben und zeigte offen und ehrlich, wie sie sich fühlt. Der Schlüssel zum Erfolg war, dass sie ausschließlich das, was sie von Herzen wollte, tat. 

Experiment zeigt: Worauf kommt es am Ende an? 

„Falscher Stolz ist ein Scheiß, er hält uns nämlich davon ab, das Richtige zu tun. Wenn ich daran denke, dass in knapp elf Monaten alles aus ist und mich das Zeitliche segnen wird, wird dieser Stolz tatsächlich sofort lächerlich. Worauf kommt es denn schließlich an am Ende? Nur auf das Herz.“

Als die Autorin am 16. Februar 2018 aufwachte und der Selbstversuch zu Ende war, wusste sie: „Ich habe noch einen Tag. Und dann noch einen und noch einen und so weiter – eine ganze Zeit lang. Zumindest, wenn alles gut läuft.“ Sie packte ihre Erfahrungen in ihr Buch „Das Leben ist zu kurz für später“ und weiß nun: „We all have two lives. The second one begins when you realize that you only have one.“