Die weibliche Blogger-Elite, Magazine, Modeketten, Fernseh-Sendungen und Insta-Hashtags vermitteln seit einiger Zeit fleißig den allseits beliebten „Body Positive“-Hype. Unter den inspirierenden Mottos „Liebe deinen Körper“ und „Jede Frau (!) ist schön“ wird nun endlich auch Frauen, die nicht dem gesellschaftlichen Idealbild entsprechen, versichert, dass sie schön sind – jede auf ihre ganz besondere Art und Weise.

Obwohl es auf den ersten Blick also überhaupt nichts daran auszusetzen gibt, eine weltweite „Kampagne“ für ein positives Körpergefühl zu verbreiten, und Frauen zu vermitteln, dass sie alle attraktiv sind, no matter what, hat das Konzept „Body Positivity“ mittlerweile doch einen etwas bitteren Nachgeschmack für mich.

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SELBSTLIEBE VS. EITELKEIT

Warum? Naja, geht es nicht wieder nur um unseren Körper, um unsere äußere Erscheinung? Darum, dass wir Frauen kurvig schön sind, schlank schön sind, androgyn schön sind, groß schön sind, klein schön sind? Im Mittelpunkt steht also nach wie vor der Gedanke: Frau ist schön, oder muss schön sein. Und Body Positivity sagt zum Glück: Keine Angst, ihr seid eh alle schön. Puuuh… denn was würde uns bleiben, wenn wir die Schönheit nicht hätten?

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Da fragt man sich doch zwingend, ob das wirklich alles sein kann; und ob es wirklich so eine lobenswerte Sache ist, Frauen ständig zu sagen, dass sie alle wunderschön sind. Denn abgesehen davon, dass Schönheit ja ohnehin im Auge des Betrachers liegt und somit für jeden etwas anderes bedeutet, reduzieren wir Frauen (uns) erneut auf unseren Körper, auf unsere Erscheinung. Und alles unter dem Deckmantel der „Selbstliebe“.

Selbstliebe ist in Wahrheit aber etwas vollkommen anderes – oder sollte es zumindest sein. Es ist ein stetiger Prozess, bei dem es darum geht, mit sich selbst ins Reine zu kommen, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu werden, an sich zu arbeiten und dabei stets liebevoll mit sich umzugehen. Es geht dabei aber sicherlich nicht darum, am Ende jeden Zentimeter seines Körpers von ganzem Herzen lieben zu müssen.

IST „JEDER KÖRPER IST VOLL SCHÖN“ ALLES, WAS DIE EMANZIPATION HERVORGEBRACHT HAT?

Nach Jahrzehnten der hart erkämpften Emanzipation der Frau, in denen sich unsere Omas und Mütter dafür eingesetzt haben, dass man(n) in uns Frauen irgendwann mehr sieht, als ein süßes Lächeln und einen schönen, paarungswilligen Körper, scheinen wir im Zeitalter von Social Media wieder genau da angelangt zu sein, wo wir waren: In einer Gesellschaft, in der sich viel zu viele Frauen über ihre äußere Erscheinung definieren. Ashley Graham und Kim K. werden über Nacht zu regelrechten Idolen. Aber wofür eigentlich? Dafür, dass sie (an den richtigen Stellen) ein bisschen mehr auf die Waage bringen. Und das war’s auch schon. Das ist die große Revolution der Frau im 21. Jahrhundert? Dass sie sich „trotz“ ihrer Figur in die Öffentlichkeit traut und sagt „Ja, richtig gehört, ich mag meinen Körper„? Da drehen sich die großen Feministinnen doch doppelt und dreifach im Grab um.

„Das Netz feiert Ashley Graham“ und „Ein Vorbild für alle Frauen“ sind Titel, mit denen Magazine die Bikini-Fotos des Models anteasern. Unter den Bildern häufen sich Kommentare wie „Life Goals„, „Flawless“ und „Ich würde alles für deinen Körper tun„. Unter #bodypositive wird Graham also wieder NUR auf ihren Body reduziert. Und was genau soll daran jetzt ein Fortschritt für die Frauen-Welt sein?

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WIR REDUZIEREN UNS WIEDER AUF UNSEREN KÖRPER – UND CHECKEN ES NICHT MAL

Schon mal überlegt, warum es noch kein Body Positive-Movement für Männer gibt? Weil sie es nicht brauchen. Weil sie automatisch als viel mehr wahrgenommen werden, als nur ein Körper. Prinzipiell ist es der Gesellschaft herzlichst egal, ob Männer einen Bierbauch bekommen, ihnen die Haare ausgehen oder sie schlichtweg nicht sonderlich attraktiv sind. Die Erscheinung der Herren der Schöpfung interessiert quasi nur ihre (potenziellen) Partnerinnen. Uns Frauen, dem „schönen Geschlecht“, reicht es aber nicht, dass unser Liebster uns so mag wie wir sind. Wir wollen mehr, weil wir seit jeher gelernt haben, dass wir mehr brauchen. Mehr als „nur“ ein kluges Köpfchen, bestechenden Humor oder eine fesselnde Ausstrahlung. Doch anstatt zu sagen „Wir sind MEHR als nur schön“ sagen wir „Wir sind ALLE schön“. Anstatt aus dieser Schublade der Oberflächlichkeiten auszubrechen, laden wir einfach den Rest der weiblichen Bevölkerung ein, uns zu joinen und nennen es „Body Positivity“.

JA KLAR, DIVERSITÄT IST UNGLAUBLICH WICHTIG!

Nun gibt es zweifelsfrei auch Frauen, deren Leben die Body Positive-Bewegung in den letzten Jahren zum Besseren verändert hat. Endlich sieht man auch kurvige Frauen in Werbungen, farbige Frauen auf Plakaten, androgyne Frauen auf Laufstegen. Endlich gibt es Frauen in Hauptrollen von Hollywood-Blockbustern, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, endlich zieren „normale“ Frauen mit denen man sich identifizieren kann, die Cover von Hochglanzmagazinen. Ja, diese Diversität ist wunderbar und ein unverzichtbares Gut einer gesunden und lebenswerten Gesellschaft. Die Message „Du bist gut, so wie du bist“ war längst überfällig – das Body Positive-Movement hat also bestimmt auch für Fortschritt gesorgt…

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… gleichzeitig hat die Bewegung aber eines der Kern-Probleme der Ungleichheit zwischen Mann und Frau im traurigen Status Quo belassen: Frauen sind immer noch in erster Linie schön. Nur jetzt dürfen sich eben auch Frauen, denen es vorher nicht „erlaubt“ war, ganz offiziell als schön bezeichnen.

BIN ICH JETZT SCHLECHT, WEIL ICH MEINE BEINE TROTZ #BODYPOSITIVE NICHT VOLL SCHÖN FINDE?

Ich persönlich finde, es ist okay, seinen Bauchspeck nicht abgöttisch zu lieben, seinen Popsch ein bisschen zu dick zu finden, ab und zu liebevoll über seine O-Beine zu schimpfen und sich hie und da zu denken „Wow, ihren Busen hätt‘ ich auch gern!“ – solange man diese vermeintlichen Makel mit einer gewissen Gelassenheit betrachten kann. Ich glaube, frau kann sich in ihrem Körper auch wohlfühlen, wenn sie einige Teile davon nicht mega-schön findet. Bei gesunder Selbstliebe und einem positiven Körpergefühl geht es nicht darum, sich selbst möglichst attraktiv wahrzunehmen, es geht darum, dass man sich in seiner Haut wohl und zu Hause fühlt. Unser Körper kann und ist doch so viel mehr. Er ist ein großartiges Instrument, das es uns ermöglicht, unsere Ideen, Wünsche und Gefühle umzusetzen. Er gibt uns die Möglichkeit, unsere Liebe zu zeigen, Dinge zu erschaffen, unsere Ziele zu erreichen, Leben zu schenken… und trotzdem sehen wir in ihm viel zu oft nur eine Hülle, über deren Optik wir uns Zeit unseres Leben den Kopf zerbrechen. Manche im negativen Sinne, andere im „positiven“.

Zusammenfassend glaube ich, dass es für einen gesunden Selbstwert natürlich wichtig ist, seinen Körper zu mögen und dass jede Frau wissen sollte, dass sie wunderbar ist, genau so wie sie ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir Frauen dringend damit aufhören sollten, unserer Erscheinung sooo viel Aufmerksamkeit beizumessen – selbst wenn sie (Body-)positive ist. Es gibt so viel Wichtigeres, über das wir reden müssen…

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