„Was sollte das denn bedeuten?“ Morgens nach dem Aufwachen ist die Verwirrung bei vielen erst einmal groß. Die nächtlichen Bilder aus dem Kopfkino haben nur bedingt Sinn – manchmal erscheinen sie auch völlig sinnlos.

 

Dabei sind sich viele Experten für Schlaf- und Traumforschung einig: Träume spiegeln Erfahrungen aus dem Alltag wider, sagen sie. Die Dinge, die uns wichtig sind, kommen auch im Traum vor.

 

Allerdings lässt sich diese Verbindung zu den Alltagserfahrungen nicht direkt erkennen, die Träumer müssen ein wenig tiefer blicken. „Es geht nicht um die Bilder an sich, sondern um die Grundmuster“, erklärt der Diplom-Psychologe Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Damit bezeichnet er zum Beispiel die Stärken und Schwächen einer Person, ihre Fähigkeiten. Diese Muster sind im Traum erkennbar: Welche Aufgaben hat man im Traum, wie handelt man? „Die Wachpersönlichkeit, die Erfahrung spiegelt sich im Traum wider“, sagt Schredl.

 

„Träume sind Gefühle!“

Für Brigitte Holzinger spielen beim Träumen Gefühle eine ganz entscheidende Rolle. „Träume sind Gefühle in bewegten Bildern“, sagt sie. Holzinger leitet das Institut für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. Starke Gefühle seien der Motor des Traumes, erklärt sie. Allerdings seien sie kein Eins-zu-Eins-Abbild des Erlebten. „Sie sind oft surreal abgewandelt.“ Wer sich mit den Träumen auseinandersetze und sie lesen lerne, könne die Gefühle aus der Nacht aber bewerten und daran wachsen, sagt Holzinger. „Der Traum ist so etwas wie eine kleine Psychotherapie.“

 

Neben dieser Theorie gibt es natürlich andere. Manche Verhaltensforscher seien auch der Meinung, Träume hätten keine Funktion oder Bedeutung, erklärt Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster. Einige Psychoanalytiker dagegen vermuteten, dass sich in den Träumen die unterbewussten Wünsche oder Triebe äußern. Diese These der Wunscherfüllung werde heute aber nicht mehr vertreten, so Holzinger. Ein physiologischer Erklärungsansatz laute auch, dass Träume wichtig seien für die Gehirnentwicklung und -reifung, sagt Weeß. Diese Theorie werde daraus abgeleitet, dass bei Neugeborenen der REM-Schlaf extrem hoch sei.

 

Was ist der REM-Schlaf?

Der REM-Schlaf ist eine der insgesamt vier Schlafphasen. Ein Zyklus mit allen vier Phasen dauert rund 90 Minuten. Jede Nacht machen Menschen etwa fünf bis sieben solcher Zyklen durch. Als Erstes kommt dabei das Einschlafstadium oder Dösen – „das Stadium des Schäfchenzählens“, sagt Holzinger. „Da wird alles langsamer.“ Im zweiten Stadium, dem normalen oder stabilen Schlaf, wird der Herzschlag noch ein bisschen ruhiger. Dann folgt der Tiefschlaf. In dieser Phase bleibt die Muskulatur noch leicht gespannt, sagt Holzinger – wer zum Schlafwandeln neigt, tut es hier. Diese Phase sei aber auch für die körperliche Erholung wichtig.

 

Die letzte Phase ist schließlich der REM-Schlaf. REM leitet sich ab von „Rapid Eye Movements„, zu Deutsch schnelle Augenbewegungen. „Da sind wir am schwersten zu wecken“, erläutert Weeß. Das Gehirn sei während dieser Phase hochaktiv. Die Träume seien sehr emotional – im Positiven wie im Negativen. Die Träume aus den Non-REM-Perioden seien dagegen eher sachlicher Natur, deshalb erinnerten sich viele auch nicht an sie. Aber: „Geträumt wird in allen Phasen“, hebt Schredl hervor.

 

Die Erinnerung an die REM-Träume ist am stärksten – wenn sich die Träumer überhaupt erinnern. Im Schnitt tun sie das nämlich nur an einem Morgen in der Woche, sagt Schredl. „Das hat etwas damit zu tun, ob wir uns für unsere Träume interessieren“, ergänzt Weeß. Frauen können sich in der Regel häufiger daran erinnern als Männer. Allerdings können alle Menschen es trainieren, sich der nächtlichen Bilder öfter zu entsinnen.

 

„Man kann sich das Erinnern antrainieren.“

Dafür müssen sie direkt nach dem Aufwachen die Aufmerksamkeit auf die Träume lenken. Wer möchte, kann das Erinnerte auch in einem Traumtagebuch festhalten, um die zugrundeliegenden Muster besser erkennen zu können. Sich an alle Träume aus einer Nacht zu erinnern, schaffe aber keiner. „Mein Rekord liegt bei zwölf Träumen“, sagt Schredl. Wer genau beobachtet, was das Traum-Ich durchlebt, könne daraus auch Handlungsanweisungen für den Wachzustand folgern. Vielleicht passt eine Strategie aus dem Traum auch fürs wahre Leben. Oder aber etwas klappt im Traum nie – für den Wachzustand ist dann eine Alternative nötig.

 

Träume können auch noch auf anderem Wege auf den Wachzustand einwirken: Sie beeinflussen die Stimmung. Sehr viel REM-Schlaf und damit sehr viel Traum verursache bei rund 70 Prozent der Bevölkerung eine Art Mini-Depression, sagt Weeß. Weniger REM-Schlaf hingegen sorgt bei vielen für gehobene Stimmung. In der Psychiatrie werde deshalb auch manchmal die Methode des Schlafentzugs genutzt. Zwar halte die positive Stimmung nicht an – aber wenigstens für einen Tag sei dann die Laune besser, gibt Weeß ein Beispiel.

 

Alpträume sind Ursache für schlechte Laune

Alpträume dagegen können die Stimmung auch längerfristig drücken – wenn sie die Betroffenen immer wieder plagen. Rund fünf Prozent der Bevölkerung leiden unter Alpträumen, sagt Schredl. Sie haben mindestens einmal in der Woche einen Alptraum. Dabei handelt es sich eher um sensible Typen, ergänzt Weeß. Auch Menschen mit Depressionen oder Angststörungen litten häufiger unter Alpträumen. „Die meisten versuchen, es direkt wieder zu vergessen“, sagt Schredl. Für das direkte Weiterschlafen oder den Tag funktioniere das vielleicht auch. Aber bewältigen können Betroffene ihr Alptraumproblem so nicht.

 

Dafür müssen sie sich mit dem Traum auseinandersetzen. Eine Methode dafür ist die sogenannte Imagery Rehearsal Therapy. „Die Grundidee ist, sich für die Alptraumsituation eine Bewältigungsstrategie zu überlegen“, sagt Schredl. Im Wachzustand überlegen sich Betroffene dann eine alternative Lösung für den Alptraum. „Der negative Ausgang des Traums wird umgearbeitet in ein positives Erlebnis“, beschreibt Weeß. Wer im Traum zum Beispiel verfolgt wird und flüchtet, stellt sich im Wachen über ein paar Wochen hinweg vor, wie er sich dem Verfolger stellt. Das wiederholt er eventuell auch mit zwei oder drei anderen Alpträumen. „Dann hat man die Alpträume besser im Griff“, sagt Weeß.

 

Eine andere Möglichkeit ist die Technik des luziden Träumens. Der luzide Traum bedeute, sich im Traum bewusstzuwerden, dass man träumt, erklärt Holzinger. Dann könne man ihn beeinflussen. Das luzide Träumen sei trainierbar, zum Beispiel durch Entspannungstechniken oder Hypnose.

 

Wichtig sei, auch bei den Alpträumen zu erkennen, welche Gefühle und Erfahrungen ihnen zugrunde liegen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um sich weiterzuentwickeln, hebt Holzinger hervor. „Auch der Alptraum will uns auf etwas aufmerksam machen und im Grunde heilen.“