Der neue Schwarm macht vor unseren Mädels einen Witz, der so gar nicht zum Lachen ist. Die vortragende Kollegin hat Schnittlauch zwischen den Zähnen und die Eltern sind sowieso nur peinlich. Aber warum juckt uns das? Warum schämen wir uns für andere fremd? Wir haben uns auf Antwortsuche begeben.

Oh Gott, wie peinlich! Wie kommt es dazu, dass uns das Verhalten anderer die Schamesröte ins Gesicht treibt?

Darum schämen wir uns, wenn andere sich zum Vollhorst machen

Es hätte ein perfekter Abend werden sollen. Das Essen ist vorzüglich. Der Gin-Tonic noch besser. Die beste Freundin hängt begeistert an der Lippe deiner neuen Flamme. Und plötzlich: „Kennt ihr den?“ Zum Erguss kommt ein chauvinistischer Witz, wie ihn die Welt noch nicht gehört hat. Zumindest du und deine BFF noch nicht. Der Blick deiner Freundin spricht Bände und du wünschst dir ganz dringend, dass sich der Erdboden auftut und dich mitsamt dem Gin-Tonic an dem du dich festkrallst verschlingt.

Wir genieren uns vor allem dann, wenn wir von Außenstehenden mit der Person identifiziert werden. Also je bedeutsamer eine Person für uns ist, desto mehr schämen wir uns für diese, so der Stand der Forschung. In unserer eigenen Wahrnehmung strahlt der Erfolg der Person ebenso auf uns ab, wie ihre soziale Blamage. Das erklärt, warum wir so ziemlich alles, was die Eltern von sich geben, peinlich finden. Oder warum wir schmerzlich das peinliche Insta-Poser-Foto unserer Freundin wegdrücken.

Aber auch die Aktionen Unbekannter lassen uns nicht kalt. Die Blamage von Hinz und Kunz ist dank Social Media, Reality-TV und Castingshows zu unserem täglichen Leid geworden. Aber warum juckt uns, ob Isabella K. bei Voice of Germany den Ton nicht trifft?

Fremdschämer sind besonders empathisch

Weil wir mitfühlende Wesen sind, so die Antwort der Wissenschaft. Je emphatischer, desto eher schämen wir uns für andere. Forscher der deutschen Uni Marburg fanden heraus, dass sich das Gefühl der Scham unabhängig davon einstellt, ob sich die beobachtete Person selbst blamiert fühlte oder nicht. Sie konfrontierten dazu die Probanden mithilfe von Fragebögen. Darin wurden peinliche Szenen kurz beschrieben und sie registrierten die Reaktionen.

In einer weiteren Studie wurde mittels Magnetresonanztomograf untersucht, welche Areale beim Fremdschämen im Gehirn aktiv sind. Zum Ergebnis kamen der zinguläre Kortex und die anteriore Insula, übersetzt sind das jene Bereiche, die in unserem Denkapparat für Mitleid und Empathie zuständig sind. Wer sich also easy fremdschämt, ist besonders gut in der Lage, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen.

Die persönliche Schamgrenze wird auch durch gesellschaftliche Normen geprägt

Ob wir schnell mal für andere im Erdboden versinken, hat auch was mit unseren gesellschaftlichen Normen zu tun. Während bei den Chinesen Suppe schlürfen zum guten Ton gehört, finden wir so etwas nur blamabel.

Neben der Identifikation und den gesellschaftlichen Normen spielt aber auch die eigene Verfassung eine Rolle für unser Fremdschäm-Gemüt. Sind wir müde und angeschlagen, schämen wir uns leichter, als wenn wir in einem gut gelaunten energetischen Zustand sind.

Übrigens: Das Wort fremdschämen gibt es noch nicht sehr lange im deutschen Sprachgebrauch. Es wurde erst 2009 ganz offiziell in den Duden aufgenommen.