Wir stehen auf, machen das Radio an und schon hören wir Corona-Update nach Corona-Update. Auf unserem Instagram-Feed sieht das Ganze nicht anders aus. Die Pandemie beherrscht unser Leben und die Medien. Dabei gab es 2020 noch andere Krisen, die dadurch in den Hintergrund gedrängt wurden.

Die Pandemie hat die ganze Welt im Griff. Ihre gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen sind eine große Herausforderung für die Weltpolitik. So beeinflusste das Coronavirus auf die ein oder andere Art die US-Wahlen im November, die Massenproteste in Weißrussland oder die Verhandlungen über den Brexit. Anderen Krisen wurde medial nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Hilfsorganisation Care hat auch 2020 wieder ausgewertet, über welche zehn humanitären Krisen 2020 am wenigsten berichtet worden ist:

Burundi

Die wenigsten wissen, dass in Burundi 2,3 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Das ostafrikanische Land hatte 2018 das weltweit niedrigste BIP pro Kopf. Seit Jahren gibt es politische Auseinandersetzungen. Am 20. Mai 2020 fanden trotz der Bedrohung durch COVID-19 die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Dabei gewann der Kandidat der Regierungspartei, Evariste Ndayishimiye mit knapp 69 Prozent der Stimmen. Kurz nach den Wahlen starb der bis dahin regierende Präsident und ehemalige Rebellenführer Pierre Nkurunziza. Nach den Wahlen kehrten mehr als 50.000 geflüchtete Burundier wieder zurück in ihre Heimat. Gleichzeitig flüchteten mehr als 80.000 Menschen aus dem Nachbarland Kongo nach Burundi. Das sind zu viele Menschen, um alle mit ausreichend Land und damit Nahrung zu versorgen. Erdrutsche und Überschwemmungen verschlimmerten die Hungersnot zusätzlich.

Burundi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Knapp 75 Prozent der Bevölkerung gelten als arm. Hoher Bevölkerungsdruck und extreme Landknappheit sowie schlechte Chancen für die Mehrheit der auf dem Land lebenden Bevölkerung sind nur die dringlichsten Probleme. Das Bevölkerungswachstum von über drei Prozent übersteigt das Wirtschaftswachstum deutlich. Das bedeutet, dass selbst gut ausgebildete Fachkräfte keine berufliche Perspektive haben. Das Gesundheitssystem in Burundi ist ebenfalls nicht sehr stabil. Denn laut der Weltgesundheitsorganisation WHO kommt in Burundi auf 10.000 Menschen nur ein Arzt.

Guatemala

In Guatemala geht die Bevölkerung gegen das politische System auf die Straßen. Das bevölkerungsreichste Land Zentralamerikas ist durch diverse Bevölkerungsgruppen geprägt. Darunter sind etwa Ladinos, Mestizen mit europäischer und indigener Abstammung, Maya, Xinka, Personen mit afrikanischer Abstammung, Garífuna. Neben der Amtssprache Spanisch werden allein 22 Maya-Sprachen gesprochen. Die indigene Bevölkerung ist nach wie vor in Politik, den staatlichen Institutionen und der Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Es herrscht eine hohe soziale Ungleichheit.

Seit 2015 sorgen außerdem Dürren für Ernteausfälle. Das hat eine große Nahrungsmittelkrise in Guatemala ausgelöst, besonders entlang der Trockenwaldregion des Landes. Zu Beginn der Corona-Krise lebten bereits 10 von insgesamt 14,9 Millionen Guatemalteken unter der Armutsgrenze. Durch die Pandemie haben viele Familien ihr Einkommen verloren. Das verschlimmert die Hungersnot noch zusätzlich.

Zentralafrikanische Republik

Armut und Hunger, aber auch die Folgen des 2012 bis 2015 wütenden Bürgerkriegs beherrschen die Zentralafrikanische Republik. Die Bevölkerung gilt als jene mit der niedrigsten Lebenserwartung weltweit. Der offizielle Frieden droht momentan jederzeit in einen erneuten Bürgerkrieg überzugehen. Den jüngsten Bruderkrieg beendete eine französische Interventionstruppe, abgelöst von 11.000 Blauhelmsoldaten: Seitdem stellt sich der notdürftig bewahrte Frieden als zunehmend prekär heraus. Drei Tage nach einer Offensive bewaffneter Milizen im Dezember schickten Russland und Ruanda hunderte Streitkräfte in das afrikanische Land.

Die Sicherheitslage in dem afrikanischen Staat ist angespannt. Vor den Wahlen am 27. Dezember, hatte die Regierung in Bangui Ex-Präsident Bozizé einen Putschversuch vorgeworfen. Eine Woche vor der Wahl sagte ein Minusca-Sprecher, ein Vormarsch von Milizen auf die Hauptstadt habe gestoppt werden können. Drei der größten zentralafrikanischen Milizen hatten zuvor mitgeteilt, sich zusammengeschlossen zu haben.

Seit der Corona-Krise hat sich zudem die Sicherheit von Frauen und Mädchen verschlechtert. Die Zahl der Meldungen über Gewalt hat sich fast verdoppelt. Besonders Kinder werden oft Opfer von sexualisierter Gewalt, Zwangsarbeit oder der Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen.

Ukraine

Die Proteste in der Ukraine nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 erfuhren anfangs großes Medieninteresse. Fast sieben Jahre später ist zwar die Aufmerksamkeit internationaler Medien verschwunden, doch die Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland dauern weiter an. Vor allem in der Grenzregion zu Russland im südöstlichen Donbass kommt es nach wie vor zu Auseinandersetzungen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischem Militär sowie der Bevölkerung.

Im Osten der Ukraine läuft die Grenze zwischen Regierungs- und Rebellengebieten. Landminen und Straßenschäden isolieren die in der Region lebenden 70.000 Menschen, von denen viele auf eine mobile medizinische Versorgung und humanitäre Hilfe angewiesen sind. Sie sind jetzt auf sich allein gestellt. Trotz des vereinbarten Waffenstillstands ist hier die zivile Wasser- und Stromversorgung immer wieder unterbrochen. Dazu kommt die Angst vor Granatenangriffen und gewalttätigen Zusammenstößen.

Madagaskar

In Madagaskar leidet fast die Hälfte der Kinder wegen Mangelernährung unter Wachstumsverzögerungen. Seit Jahren leidet das Land an extremen Dürren, die eine chronische Ernährungskrise noch verschärft haben. Etwa 1,4 Millionen Menschen seien in Madagaskar bald auf Lebensmittelhilfen angewiesen, so das Welternährungsprogramm der UN. Außerdem ist die Bevölkerung aufgrund der niedrigen Impfraten und der schlechten hygienischen Verhältnisse immer wieder von Epidemien wie Malaria, Beulen- oder Lungenpest betroffen.

Malawai

Auch in Malawi leidet die Bevölkerung unter extremer Armut und Naturkatastrophen. Im letzten Jahr ist die Selbstmordrate in Malawi um 57 Prozent gestiegen. Wegen der Corona-Krise sind die Schulen geschlossen, was zudem zu einem Anstieg von Frühheirat geführt hat. Zwischen März und Juli 2020 kam es zu 13.000 Fällen von Frühheirat und über 40.000 Teenagerschwangerschaften.

Pakistan

In Pakistan herrscht eine wirtschaftliche Krise und eine politische Spaltung. Im letzten Jahr gab es zudem extreme Überschwemmungen in Pakistan. Vieh verendete und es kam zu Ernteausfällen, die erst in vielen Jahren wieder ausgeglichen sein werden. Über 400 Menschen kamen durch die Überschwemmungen ums Leben, rund 68.000 Menschen verloren ihr Zuhause und 6,7 Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.

Außerdem macht der Kaschmirkonflikt dem Land zu schaffen. Dieser bezeichnet den historischen Territorialkonflikt um die Region Jammu und Kaschmir. Die Konfliktparteien sind Indien, Pakistan und die Volksrepublik China. Die Spannungen und Gefechte zwischen Indien und Pakistan haben sich verschärft, seit Indien 2019 dem indisch beherrschten Teil Kaschmirs den halbautonomen Status entzogen hat. Im August veröffentlichte Pakistan eine Landkarte, die den indischen Teil Kaschmirs Pakistan zuschlägt. Bei Gefechten im Dezember 2020 ist ein pakistanischer Soldat getötet worden.

Mali

In Mali leben 90 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und 1,3 Millionen Menschen leiden Hunger. Wegen der Corona-Pandemie sind die Schulen geschlossen und die Kinder sind einem größeren Risiko für Missbrauch ausgesetzt. In den ersten drei Monaten im Jahr 2020 kam es bereits zu 228 Fällen schwerer Gewalt gegen Minderjährige. Sie wurden getötet, verstümmelt, vergewaltigt oder durch bewaffnete Gruppen rekrutiert.

In Nordmali herrscht zudem seit 2012 ein andauernder Krieg. Der Konflikt ist eine Kombination aus dem Aufbegehren der Tuareg (ein afrikanisches Volk, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt) im Norden, einer sozio-ökonomischen Krise und der dschihadistischen Expansion in der gesamten Sahel-Zone. Trotz des Friedensabkommens von 2015 greift die Destabilisierung immer weiter vom Norden auf die Mitte des Landes über.

Papua-Neuguinea

Auch in Papua-Neuguinea leiden die Menschen an Mangelernährung. Nur 46 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bereits vor der Corona-Pandemie war das Gesundheitssystem aufgrund von Krankheiten wie Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria überlastet.

Sambia

Ein weiteres Land, das besonders von der Klimakrise betroffen ist, ist Sambia. Die Temperaturen in dem afrikanischen Binnenstaat steigen immer weiter an und die jährliche Niederschlagsmenge geht immer weiter zurück. Dürreperioden, Heuschreckenplagen und Überschwemmungen führten zu Ernteausfällen. Inzwischen benötigen 56 Prozent der Sambier humanitäre Hilfe. Sambia ist zudem das erste Land in Afrika, das wegen der Corona-Pandemie teilweise zahlungsunfähig ist. Aufgrund der hohen Kosten für die Bekämpfung der Corona-Krise kann das Land seine Schulden nicht mehr bezahlen.