„Sei nicht so verbissen“, „Sei nicht zu fleißig, denn Männer könnten das ausnutzen“, „Lass dich nicht unterdrücken“: Das sind nur einige der Vorschläge, die ich als Frau in meiner beruflichen Laufbahn erhalten habe. Frauen müssen sich in der Männerwelt Beruf erst einmal beweisen. Aber stimmt das wirklich?

Ich finde nicht. Denn gerade, weil die Berufswelt noch immer von Männern dominiert ist, sollte man sich als eigenständige Frau behaupten und nicht lediglich beweisen, dass man genauso gut nach den Regeln der Männer spielen kann.

Frauen im Beruf: Es hat sich viel getan

2019 geht bald zu Ende und damit immerhin schon das zweite Jahrzehnt im 21. Jahrhundert. Viel hat sich getan. Vor allem, wenn es um die Gleichstellung von Mann und Frau geht. So durften vor über 100 Jahren Frauen in Deutschland erstmals wählen. Am 30. November 1918 trat das Reichswahlgesetz in Kraft, das Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht einräumte. In Österreich erhielten Frauen übrigens das allgemeine Wahlrecht am 12. November 1918. Am 1. Juli 1958 trat in Deutschland zudem das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft. Bis dahin verwaltete der Mann beispielsweise das von seiner Frau in die Ehe eingebrachte Vermögen. Ab 1958 konnten Frauen ein eigenes Konto eröffnen und somit über ihr Geld entscheiden.

Bis zum Jahre 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland außerdem nur dann arbeiten gehen, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Aufgaben im Haushalt und in der Kindererziehung waren also eine reine Frauenangelegenheit. Mittlerweile ist es normal, dass sowohl Frauen als auch Männer für ihren Unterhalt arbeiten gehen. Immer mehr Frauen starten Karriere-technisch durch und immer mehr Männer engagieren sich im Haushalt und in der Kindererziehung. 2017 ergab eine Studie der Frauenzeitschrift Brigitte, dass die Lebensentwürfe von Frauen und Männern noch nie so ähnlich waren wie bisher. So ist für 48 Prozent der Frauen der berufliche Aufstieg sehr wichtig. Und weil nun eben alle Geschlechter, auch nach der Familienplanung im Arbeitsleben vertreten sind, hat sich viel getan um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können: Unternehmen bieten beispielsweise flexiblere Arbeitsmodelle oder Home Office an. Mit dem Papa-Monat können sich Väter nach der Geburt ihrer Kinder zudem eine vierwöchige Auszeit nehmen.

Frauen im Beruf: Es muss sich noch viel tun

2019 geht bald zu Ende und damit immerhin schon das zweite Jahrzehnt im 21. Jahrhundert. Viel muss sich noch tun. So beträgt die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen also der sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland 21 Prozent. Das ist immerhin der zweitschlechteste Wert in der EU. In Österreich ist die Situation mit 19,9 Prozent nicht viel besser. Der Prozentsatz zeigt übrigens den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Frauen und Männern. In Europa sind außerdem wesentlich mehr weibliche als männliche Mitarbeiter in Teilzeitarbeit beschäftigt. Führungspositionen sind wiederum weitgehend männlich besetzt. Die Frauenquote soll das in einigen Ländern ändern.

In der von der Frauenzeitschrift Brigitte beauftragten Studie zeigt sich allerdings, das trotz der vielen Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 29 Prozent das Gefühl haben, dass dieser Spagat in den letzten Jahren sogar noch schwerer zu schaffen war als zuvor. Während einige Frauen in der Praxis zwar liberale Arbeitgeber haben, die neue Arbeitszeitmodelle eingeführt haben, arbeiten viele augenscheinlich noch in Unternehmen, die diese Erleichterungen nicht anbieten.

„Sei nicht so verbissen“

Es gibt also mehr männliche als weibliche Führungskräfte. Bedeutet das, dass wir Frauen uns an unsere männlichen Kollegen anpassen sollen, um den Sprung auf die oberen Sprossen der Karriereleiter zu schaffen? Ich habe selbst in meiner beruflichen Laufbahn viele Tipps bekommen, um mich als Frau in der von vielen so bezeichneten „Männerwelt“ zu beweisen. Dabei arbeite ich nicht einmal in einem „typischen Männerberuf“, was auch immer das heute noch bedeuten mag. „Sei nicht zu fleißig“, „Sei nicht so verbissen“, „Lass dich nicht unterdrücken“: Das sind nur einige der Ratschläge, die mir mit auf den Weg gegeben wurden. Letzteren habe ich mir tatsächlich auch zu Herzen genommen. Gemeint war damals vor allem, ich solle mich nicht von Männern unterdrücken lassen. Für mich zählte dazu auch, mich von diversen männlichen Vorgesetzten nicht auf meine Weiblichkeit reduzieren zu lassen und mir keine mehr oder weniger gut gemeinten Ratschläge zu Herzen zu nehmen, die im Kern immer das Gleiche bedeuten: Sei männlicher und du wirst dich in der Männerwelt beweisen können.

Wir Frauen werden im Berufsleben oft noch immer wie ein Fremdkörper behandelt. Das beginnt bei der – wohlgemerkt unerlaubten – Frage beim Einstellungsgespräch, ob man vorhat in nächster Zeit Kinder zu bekommen. Das ist mir übrigens im Alter von 22 Jahren bei einem Bewerbungsgespräch für einen Teilzeitjob während meines Studiums passiert. Das geht weiter bei kleinen Sticheleien im beruflichen Alltag, wie: „du als Frau hältst das eben nicht so aus“. Das hört auf bei der Tatsache, dass man durch diese Atmosphäre in vielen Unternehmen das Gefühl hat, mit anderen Frauen in Konkurrenz zu stehen. Man glaubt, anderen beweisen zu müssen, dass man nicht so ist, wie die „typische“ Frau.

Müssen wir Frauen uns mehr an die Männerwelt anpassen?

Bereits 2001 schrieb die Genderforscherin Cornelia Koppetsch in Milieu und Geschlecht darüber, dass nicht einzelne Frauen von Führungspositionen ausgeschlossen würden, sondern stereotype Definitionen von Männlichkeit eher mit gehobenen Positionen in Verbindung gebracht würden. Es geht also nicht unbedingt darum ein Mann zu sein, sondern darum, männlich zu sein. Sollen wir Frauen uns für unsere Karriere also männlicher geben?

Nein! Frauen sind Frauen und müssen auch nicht so tun, als wären sie Männer. Immerhin hat sich die Arbeitswelt dank berufstätiger Frauen in den letzten Jahrzehnten verändert. Das muss sie weiterhin. Immerhin können Frauen für Unternehmen sehr vorteilhaft sein. Eine Studie hat kürzlich ergeben, dass es Firmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte besser gelinge, Risiken zu senken und nachhaltigen Erfolg sicherzustellen. Für mich ist das nur noch ein weiterer Grund, sich als eigenständige Frau zu behaupten, statt anderen zu beweisen, dass man genauso gut sein kann wie ein Mann. Die Unternehmerin Bea Knecht hat es am Female Future Festival auf den Punkt gebracht: „Frauen sind anders und das ist wertvoll“.