Saisonaler Haarausfall ist ein Thema, das wohl viele von uns vor allem im Herbst und Winter beschäftigt. Wer das Gefühl hat, zu viele Haare zu verlieren, greift oft zu Mitteln, Tinkturen und DIYs. Was man dabei allerdings unbedingt beachten sollte und welches Hilfsmittel wann wirklich nutzt, haben wir bei einer Expertin nachgefragt.

Im Gespräch erklärt uns die Dermatologin Dr. Golnaz Delir, was wirklich hilft.

Was hilft gegen Haarausfall?

Für viele ist es jedes Jahr das gleiche Spiel: kaum wird es kälter, erkennen wir, dass wir deutlich mehr Haare verlieren als sonst. Schnell entsteht ein Gefühl der Panik, dicht gefolgt von dem Wunsch, etwas dagegen tun zu können. Die Folge? Wir versinken in online-Foren, kaufen willkürlich Produkte, die schnelles Haarwachstum versprechen und schlucken, schmieren und sprühen so gut wie alles, was uns schnelle Wirkung verspricht. Aber bringt das denn tatsächlich etwas?

Wir wollten uns das Ganze einmal genauer ansehen und haben mit der Dermatologin Dr. Golnaz Delir über die gängigsten „Wundermittel“ beim Thema Haarausfall gesprochen. Doch bevor wir mitten in die Materie hüpfen, ein kleiner Disclaimer: nur weil ihr ein paar Haare mehr als sonst verliert, leidet ihr noch lange nicht an Haarausfall! Bis zu 100 Haare am Tag Verlust sind vollkommen normal und Teil des natürlichen Wachstumszyklus unserer Haare. Also keine Panik! Solltet ihr jedoch über einen längeren Zeitraum täglich mehr als 100 Haare verlieren, wendet euch an euren Hausarzt/ eure Hausärztin oder macht euch einen Termin bei einem Dermatologen oder einer Dermatologin aus, um der Ursache für den Haarausfall auf den Grund zu gehen.

„Nur vom Gefühl her zu entscheiden, ist nicht sinnvoll. Bevor man sich Mittel kauft, sollte man wirklich fünf bis sieben Tage genau beobachten, wie viele Haare man denn eigentlich verliert und eine Art Tagebuch führen“, betont sie. „Ein Haarausfall muss nicht immer saisonal bedingt sein. Vielleicht hat man ja eine Pilzinfektion am Kopf, vielleicht ist ein Friseurbesuch die Ursache dahinter oder es ist hormonell bedingt. Es gibt so viele Ursachen, da macht es Sinn, das genau abzuklären!“

Delir unterteilt unter anderem in episodischen und chronischen Haarausfall; episodischer Haarausfall entsteht unter anderem durch Traumata oder Krankheiten, während der chronische durch Mangelernährungen zustande kommen kann.

1. Nahrungsergänzungsmittel

Wer sich mit dem Thema auseinandersetzt, wird schnell auf eines stoßen: Nahrungsergänzungsmittel. Und ganz ehrlich: wer stand denn nicht schon einmal in der Drogerie bei den Nahrungsergänzungsmitteln und hat sich mit jeder Tablette die Wunderheilung herbeigesehnt? Man ist müde? Dann helfen doch bestimmt die passenden Tabletten! Die Haare werden immer weniger? Auch dafür gibt es unzählige Pillen, die Heilung versprechen.

Doch Dr. Golnaz Delir warnt: willkürlich Nahrungsergänzungsmittel schlucken führt selten zur Lösung des Problems. Denn als ersten Schritt sollte man erst einmal in Erfahrung bringen, ob der Haarausfall denn tatsächlich an einer mangelhaften Ernährung liegt. Am besten funktioniert das mithilfe eines Blutbildes. „Sinnvoll ist es, nicht einfach in die Drogerie zu gehen und mir Nahrungsergänzungsmittel holen, sondern konkret zum Arzt zu gehen und das untersuchen zu lassen“, rät die Expertin. „Eisenmangel oder Zinkmangel sind da ein ganz großes Thema.“

Doch die Dermatologin betont auch, dass es auf das richtige Produkt ankommt und die Frage, „wie stark es konzentriert ist und wie sehr es vom Körper aufgenommen wird“. Zuerst solle man sich genau damit beschäftigen, wie lange man was in welcher Dosierung zu sich nehmen sollte, um eine Wirkung zu erzielen. „Denn ansonsten ist viel auch Placebo-Wirkung.“ Zusätzlich betont sie, dass die Dosierung zwischen Medikamenten aus der Apotheke und den Kosmetikprodukten aus der Drogerie natürlich unterschiedlich sind. „Die Dosis, die in den Präparaten aus dem Drogeriemarkt drinnen ist, ist immer so niedrig, dass es kein Arzneimittel ist“, sagt die Dermatologin.

2. DIY Sprays und Öle

Wer online nach Heilmitteln gegen Haarausfall sucht, stößt vor allem in den Sozialen Medien schnell auf diverse DIY-Projekte. Vom Rosmarinöl bis hin zum Bier-Haarspray ist da so einiges dabei. Doch nicht jeden DIY-Trend sollte man blind nachmachen, warnt Delir. „Mit Ölen ist es ähnlich wie mit sehr heißem Wasser duschen: das lockert die Haarwurzeln“, sagt sie. „Das Öl dringt vielleicht in die Haarfollikel ein und macht sie noch lockerer, als sie eigentlich sind. Mit Ölen wäre ich deshalb vorsichtiger!“

Gerade beim Thema DIY ist die Dermatologin skeptisch. Denn viele informieren sich vorab nicht, welche Öle und Sprays für ihre Kopfhaut gut sind. „Die Leute neigen dann dazu, sich zu aggressiv zu behandeln, in der Hoffnung, dass die Wirkung schneller ist“, erklärt sie und vergleicht den Umgang mit beliebten Gesichtstonern und -masken, die für viele schlichtweg zu aggressiv sind. „Wir neigen oft dazu: viel ist besser; obwohl es oft umgekehrt ist. Und wichtig ist: richtig ist besser!“ Vor allem als Laie sei es schwierig, die richtige Dosis zu finden. Umso wichtiger sei die Absprache mit Expert:innen.

3. Kopfhaut stimulieren

Abgesehen von Ölen und Medikamenten greifen andere auch zu Tools für die Kopfhaut. Online sieht man dafür immer wieder Werbungen für Kopfhautmassage-Bürsten, die eine bessere Durchblutung versprechen. „Ich würde jetzt nicht propagieren, dass man solche Bürsten braucht, aber prinzipiell ist das tägliche Bürsten sinnvoll. Denn es fördert die Durchblutung der Kopfhaut“, erklärt Delir. Die gute Durchblutung kann dann auch das Haarwachstum fördern. „Ein gesundes Bürsten schadet den Haaren sicher nicht, vielleicht werden sie allerdings schneller fettig.“

Aber auch hier gilt: mehr ist nicht immer mehr. Mit der Haarbürste etwa den Conditioner unter der Dusche einmassieren, empfiehlt die Dermatologin nicht. „Eine Routine soll schnell gehen, deshalb ist ein gesundes Haare bürsten ausreichend“, betont sie. Und auch beim Druck sollte man aufpassen; denn ein aggressives Bürsten führt nicht zu schnelleren Ergebnissen.

4. Das etwas andere Haarwachstum

Neben den Haaren auf unserem Kopf machen uns auch die Haare im Gesicht immer wieder Sorgen. Viele sehnen sich nach längeren Wimpern, dichteren Augenbrauen und mehr Volumen. Der Griff zu Seren und Kuren, die direkt auf die Wimpern und Augenbrauen aufgetragen werden, ist da für die meisten der nächste logische Schritt. Doch während einige Kosmetikprodukte durchaus das gewünschte Ergebnis bringen, warnt die Dermatologin davor, jeden Trend in den eigenen Beauty-Schrank zu integrieren. Vor allem, wenn es um Produkte geht, die eigentlich einen ganz anderen Zweck haben.

Immer wieder hört man online etwa von dem vermeintlichen Hack, sich mit Augentropfen, die den Augendruck ausgleichen sollen, auch lange Wimpern zaubern zu können. Der Grund: ein Inhaltsstoff in dem Medikament sorgt für beschleunigtes Wachstum. „Wenn ein Medikament einen bestimmten Zweck hat, kann ich es nicht befürworten, dieses Medikament dann für ästhetische Zwecke zu verwenden“, kritisiert die Expertin.

Wie bei allen anderen Methoden rät sie: bevor man zur Kreditkarte greift, erst einmal mit einer Expertin oder einem Experten absprechen!