Ich bin gerade an einem Punkt in meinem Leben, an dem alles passt und ich mich über nichts beklagen kann. Das hält mich aber nicht davon ab, es trotzdem zu tun. Meine allgemeine Unzufriedenheit hat meine Freunde sogar dazu verleitet, mir eine Quarter-Life-Crisis zu unterstellen.

Also habe ich mir vorgenommen, meiner scheinbaren Lebenskrise auf den Grund zu gehen und mich mithilfe des Internets und selbstheilender Gedanken eigenständig zu therapieren.

Was kommt nach dem Studienabschluss?

Wenn ich erst einmal mein Studium abgeschlossen habe und meine Karriere beginne, ist alles erledigt. Der Stress ist vorbei und ich bin endlich vollkommen: Das war zumindest mein Mantra in den frustrierenden Zeiten meiner Studienzeit. Mit Mitte 20 an diesem Punkt angekommen, würde ich am liebsten in die Zeit zurückreisen und mein jüngeres Ich laut auslachen. Beruflich mache ich zwar genau das, was ich wollte, aber vollkommen bin ich überhaupt nicht, wie denn auch? Mir fehlt ja noch ein ganzes Stück auf meinem Lebensweg. Stress gibt es außerdem trotzdem noch, den Lernstress hat eben der Alltagsstress ersetzt. Der Unterschied? Ich kann mich nicht mehr auf die Zukunft ausreden. Ich kann nicht mehr wie früher meine Probleme auf unbestimmte Zeit aufschieben, weil ich gerade für eine Prüfung lernen muss oder Nebenjob und Praktikum mir keine Zeit lassen, mich damit auseinanderzusetzen.

Weil ich alles auf meiner großen To-Do-Liste erledigt habe, muss ich mich jetzt mit mir selbst beschäftigen. Ich muss für mich selbst herausfinden, wer ich bin und wo ich hingehöre. Am liebsten würde ich weglaufen, aber wohin weiß ich leider nicht. Und durch dieses Grübeln, wer ich überhaupt bin und wer ich sein möchte entstehen lauter neue To-Dos, die scheinbar unerreichbar sind. Das ist ziemlich frustrierend und leider bin ich ein Mensch, der kein gutes Poker-Face hat. Meine Freunde bekommen meine Stimmung mit und machen sich Sorgen. Weil ich aber nie ein konkretes Problem als Grund meiner schlechten Laune angebe, sind sie sich sicher: Ich habe eine Quarter-Life-Crisis.

Quarter-Life-Crisis: Meine Krise mit Mitte 20

Nach den Unterstellungen meiner Freunde begab ich mich vor meinen Computer und fing an zu recherchieren. Was genau ist eine Quarter-Life-Crisis eigentlich und wie wirkt sie sich aus? Wenn sie gleich wie eine Midlife-Crisis verläuft, müsste ich wohl mit meinem 13-jährigen Assistenten ausgehen. Doof, dass das nicht geht. Nicht nur, weil ich gar keinen Assistenten habe. Laut einer Linked-In Studie haben 75 Prozent der 25 bis 33-Jährigen schon einmal eine Quarter-Life-Krise erlebt. Zumindest bin ich in guter Gesellschaft. Bei den Symptomen habe ich auch nach zahlreichen Berichten von Betroffenen und psychologischen Erklärungen keinen Überblick. Unsicherheit, Antriebslosigkeit und Zweifel ist da beispielsweise zu lesen. Klingt nach mir, vor allem am Tag nach dem Fortgehen. Reicht das wirklich schon, um für mich die Google-Diagnose Quarter-Life-Crisis zu stellen?

Ich entscheide mich dazu, dass es nicht reicht und überlege, welches Verhalten meine Freunde dazu verleitet hat, mir den Titel der „Viertelleben-Krise“-Patientin zu verleihen. Ich finde mich zu alt, was vor allem meinen Freund und meine Freundinnen, die älter sind als ich, nervt. Ich finde mich karrieretechnisch zu langsam, was vor allem jene Gleichaltrigen nervt, die noch ein ganzes Studium vor sich haben. Ich weiß nicht, wohin im Leben, was eigentlich alle nervt inklusive meiner Eltern, die schon überall waren, obwohl sie auch nie einen Plan hatten. Beim Überlegen kommt mir kurz der Gedanke, dass ich gar keine Krise habe, sondern einfach nur nerve und die typische Wiener Suderantin bin.

Warum hat man eine Quarter-Life-Krise?

Noch immer unschlüssig, möchte ich wissen, wieso man überhaupt mit Mitte 20 eine Krise erleben kann. Wie schon erwähnt, gibt es ja genügend andere, die darunter leiden. Dabei sollte man mit 25 doch froh sein, dass man noch jung genug ist, um in einem Club noch nicht komisch angeschaut zu werden und alt genug, um in gewissen Clubs endlich gar nicht mehr angeschaut zu werden. Ich google also nach Gründen für die Krise, die sich für mich immer mehr wie ein Luxusproblem anhört. „Grund dafür ist unter anderem die ständige Vergleichbarkeit in Zeiten der Informationstechnologie und damit einhergehend eine Flut an scheinbaren Optionen“, verrät Psychotherapeutin Dr. Karin Beck gegenüber Noizz.

Vergleichbarkeit ist für mich ein Stichwort. Ich vergleiche mich ständig, ob mit meinen Familienmitgliedern, Freunden, Studienkollegen, aber auch fremden Menschen wie Stars oder Leuten auf Social Media. Ob das wirklich ausschlaggebend für mein Stimmungstief ist, weiß ich aber nicht. Denn sich ständig mit anderen zu messen kann zwar nicht gesund sein, ist aber, glaube ich zumindest, völlig normal. Außerdem bedeutet vergleichen ja nicht automatisch, dass ich zu dem Schluss komme, jemand sei besser als ich.

Zudem scheinen vor allem Millennials von der Lebenskrise betroffen zu sein. Ich lese von Ursachen wie Unsicherheit im Job, später Jobeinstieg oder Angst vor Verantwortung. Das trifft momentan alles nicht auf mich zu. Zugegeben, ich habe keine einzige Pflanze in meiner Wohnung stehen, weil sie bis jetzt alle unter meiner Obhut gestorben sind. Zumindest habe ich aber die Verantwortung für ihren Tod übernommen.

Wie kann ich mein Stimmungstief überwinden?

Ob ich tatsächlich in einer Lebenskrise stecke, bezweifle ich nach meiner Internet-Recherche. Ich glaube, Betroffene gehen durch eine viel schlimmere Zeit, wenn sie tatsächlich an einer Quarter-Life-Krise leiden. Dennoch möchte ich wissen, was man dagegen tun kann. Sehr oft lese ich, dass die Krise Mitte 20 eine Zeit zum Reflektieren ist. Jetzt soll man sich mit den großen Unsicherheiten und Fragen des Lebens beschäftigen. Habe ich das richtige Studium gewählt? Werde ich finanziell abgesichert sein? Was möchte ich vom Leben? Tatsächlich hilft, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich komme darauf, dass ich es eigentlich sehr gut habe. Das einzige, was ich jetzt lernen muss, ist auch wirklich mit dem Jetzt zufrieden zu sein und nicht immer nur an die Zukunft zu denken.