Heute ist Weltfrauentag. Die Rechte der Frauen werden am 8. März in den Vordergrund gerückt. Das Streben nach Gleichberechtigung und Gleichbehandlung ist an diesem Tag besonders laut.

Aber träumen wir von warmen Eislutschern? Wie lange wird es dauern, bis die Forderungen von Frauen nicht nur gehört, sondern auch umgesetzt und gelebt werden?

Weltfrauentag: Scheinwerfer auf ein Nischenthema

Rund um den Weltfrauentag tut sich viel in der Medienwelt. Unzählige Presseaussendungen landen im E-Mail-Eingang von Redakteurinnen. NGOs erinnern an immer noch wichtige frauenspezifische Themen wie Gewalt an Frauen, Zwangsverheiratung von Mädchen oder sexuelle Übergriffe. Unternehmen werben mit Aktionen und Rabatten, die nicht selten das Wort „Frauenpower“ im Titel haben. Aktivistinnen rufen zu Demonstrationen auf und machen auf (Online)-Veranstaltungen aufmerksam. Politiker äußern sich zu einem bestimmten Thema, das anlässlich des Weltfrauentags für mindestens 24 Stunden und maximal eine Woche wieder mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Dann gibt es noch die Kommentare von Journalistinnen (zu dieser Sorte gehört auch dieser Text), Gastbeiträge von bekannten Frauen, Artikel, die erklären, wieso es den internationalen Frauentag überhaupt gibt und natürlich dürfen an jedem guten Aktionstag auch die Kritiker nicht fehlen, die die Sinnhaftigkeit dieses Tages infrage stellen.

Und so kommt und geht der Weltfrauentag jedes Jahr. Wichtige Botschaften stellt man danach wieder in einer dunklen Ecke ab. Der Feminismus gilt eben auch 2021 noch als Nischenthema, auf das man einmal im Jahr die Scheinwerfer richtet. Frauen, die für Gleichberechtigung kämpfen, kämpfen aber jeden Tag. Was noch immer gerne übersehen wird: Sie kämpfen dabei nicht nur für Frauen, sondern für unsere Gesellschaft. Und wie dringend wir diesen Kampf gewinnen müssen, hat mir erst kürzlich ein Bericht über ein Gerichtsverfahren vor Augen geführt.

Gerichtsprozess und warme Eislutscher

Vor Kurzem wurde mir beim Zeitungslesen wieder schmerzlich in Erinnerung gerufen, wie tief Sexismus und die Ungleichbehandlung von Frauen in unserer Gesellschaft verankert sind. In einem Online-Artikel der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ ging es um einen Gerichtsprozess. Ein Wiener Medienmanager klagt seine ehemalige Mitarbeiterin, eine Moderatorin, weil diese ihm sexuelle Belästigung vorwirft (für alle Beteiligten gilt übrigens die Unschuldsvermutung). Der Standard-Bericht beschreibt die Aussage einer weiteren Ex-Mitarbeiterin des Medienmanagers, die von einem „Poklapser“ berichtet, der aber „spaßhalber“ geschah. „Sie könnte laut eigenen Worten in der Branche nicht mehr arbeiten, wenn sie jeden Klaps auf den Po bewerten würde. Würde sie jede anzügliche Bemerkung ernst nehmen, könnte sie sich ‚in den Schlaf weinen'“, heißt es in dem Bericht weiter.

Auch das Vorgehen der Richterin wird beschrieben. Sie hätte von der Angeklagten wissen wollen, warum diese nicht gekündigt habe, immerhin wisse man wie es im Unternehmen zugehe. Die Moderatorin verwies laut „Standard“ auf ihren beruflichen Traum und die Möglichkeit, auch ohne ihren Chef moderieren zu können. Die Richterin erwiderte dem Bericht zufolge: „Ich glaube, Sie träumen von warmen Eislutschern.“

Patriarchale Gewässer

Die Aussage der Richterin scheint hart, vielleicht ist sie auch einfach nur realistisch. Mich persönlich hat der ganze Bericht schockiert. Eine Moderatorin wirft ihrem ehemaligen Chef sexuelle Belästigung vor. Sie erhält eine Kündigung, wogegen sie sich gerichtlich wehrt. Gleichzeitig wird sie von ihrem Chef angezeigt. Es gibt Zeugen, die selbst von Übergriffen berichten, sie aber nicht als Belästigung empfunden haben und deswegen wird den Vorwürfen der Moderatorin weniger Glauben geschenkt. Es scheint, als hätte die Moderatorin überhaupt kein Recht auf einen Traum von einer Karriere in der Medienbranche ohne sexuelle Übergriffe hinnehmen zu müssen.

Unsere Gesellschaft ist auf einem System aufgebaut, das Frauen als sekundär betrachtet und auch im beruflichen Leben noch immer auf ihr Geschlecht reduziert. Erniedrigungen, Ungleichbehandlungen und sexistische Übergriffe sind so tief verankert, dass es für viele sicher einfacher ist, Sexismus einfach wegzulachen, um erfolgreich zu sein. All jene, die das tun, sei hier Verständnis entgegengebracht. Wir alle schwimmen im gleichen patriarchalen Gewässer und tun alles, um nicht unterzugehen. Doch das bedeutet nicht, dass man jemanden, der sich gegen Übergriffe wehrt und nach einem Rettungsring greifen möchte, noch tiefer ins Wasser ziehen sollte.

Ein Schritt vor, zwei zurück?

Der Artikel hat mich zum Nachdenken gebracht. Wie kann es heutzutage überhaupt zu so einem Verhalten in einem Gerichtssaal kommen? Schließlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich eigentlich gar nicht so schockiert sein sollte. Denn noch bevor wir dort angekommen sind, wo wir angesichts der jahrzehntelangen Bemühungen von Feministinnen eigentlich sein sollten, gibt es mittlerweile wieder Rückschritte im Kampf für Gleichbehandlung. So gibt es immer noch Unterschiede beim Gehalt, bei der Pension oder bei der Besetzung von Führungspositionen. Noch immer werden Frauen aufgrund ihres Geschlechts sexualisiert, belästigt, genötigt und beschimpft. Eine tatsächliche Gleichbehandlung liegt in weiter Ferne. Gleichzeitig hat sich die Situation der Frauen aufgrund der Corona-Krise im letzten Jahr zusätzlich verschlechtert. Die Rechte der Frauen: Ein Randthema, das in Zeiten der Krise auf der Prioritätenliste von Politikern ganz unten zu stehen scheint.

Die Gleichbehandlung der Frau ist ein Thema, das bei der metaphorischen Morgenbesprechung unserer Gesellschaft zwar immer wieder auf der Agenda steht, dem man sich aber nie wirklich mit konkreten Taten widmen möchte. Sie ist stets ganz weit unten auf der Liste und muss immer Problemen weichen, die dringlicher zu sein scheinen. Dabei können wir viele dieser dringlichen Probleme erst dann lösen, wenn alle Geschlechter tatsächlich gleiche Chancen haben. Kein Wunder also, dass eine Moderatorin, die im Zuge ihrer Karriere keine sexuellen Übergriffe von ihrem Chef hinnehmen möchte, noch immer von warmen Eislutschern träumt und wir weiterhin den Weltfrauentag brauchen, um auf die Probleme der Frauen hinzuweisen.