Kann das Vortäuschen eines Orgasmus dabei helfen, tatsächlich zu kommen? Wir haben die Technik des „Elevated Arousal“, also der erhöhten sexuellen Erregung, unter die Lupe genommen.

Vielen Dank an Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin i.A.u.S. Sarah Rubenthaler.

Mal ehrlich: Du hast bestimmt auch schon mal einen Orgasmus vorgetäuscht, oder? Damit zählst du zu den 80 Prozent aller Frauen, die das schon einmal gemacht haben oder regelmäßig machen, wenn der Höhepunkt ausbleibt. Das ist nicht weiter schlimm, wenn das für dich keine Belastung ist – denn obwohl „das Ausbleiben des Orgasmus fachlich in die Kategorie der Sexualstörungen fällt“, wie Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin i. A. u. S. (= in Ausbildung unter Supervision) Sarah Rubenthaler berichtet, spricht man von einem Problem erst dann, wenn ein Leidensdruck vorhanden ist. „Von einer Orgasmus­störung spricht man grundsätzlich, wenn kaum oder nie ein sexueller Höhepunkt erreicht werden kann. Die Grenzen, was normal ist und was eine Störung kennzeichnet, sind jedoch fließend“, erläutert Rubenthaler. Manche Frauen erleben selten oder gar keinen Orgasmus, genießen das sexuelle Zusammensein mit ihrem Partner aber trotzdem. Frauen, die grundsätzlich einen Orgasmus bekommen können, jedoch nicht durch bloße Penetration, gelten ebenfalls als normal. Nur, weil man also schon einmal (oder auch öfter) den ­Orgasmus vorgetäuscht hat, ist das also nicht als Sexual­störung einzuordnen.

Der weibliche Orgasmus ist komplexer

Der Höhepunkt der Frau gestaltet sich zudem ohnehin weit komplexer als der des Mannes, wie Sarah Rubenthaler erklärt: „Neben anatomischen Gegebenheiten der Geschlechtsorgane reichen die Faktoren für Orgasmus­probleme von partnerschaftlichen Konflikten und mangelndem kommunikativem Austausch über verdrängte sexuelle Wünsche, körperliche Unsicherheit und einen zu hohen Performancedruck bis hin zu einer zu starken Konzen­tration auf das Kommenmüssen.“ Als Folge des Genannten wird der Orgasmus dann oft vorgetäuscht. Die Gründe dafür kann man laut ­einer aktuellen Studie des Archives of Sexual Behavior, das 461 Studien-teilnehmerinnen nach Motiven, Orgasmen zu faken, befragt hat, in vier Kategorien unterteilen: erstens, um die Gefühle des Mannes nicht zu kränken („Altruistic Deceit“-Phänomen), zweitens aus Angst und Unsicherheit; drittens, um den Sex schneller zu beenden, und viertens: in der Hoffnung auf einen echten Orgasmus. Letzteres wird als „Elevated Arousal“-Technik bezeichnet – man versucht dabei, sich selbst eine erhöhte Lust vorzutäuschen, um dann tatsächlich zum Höhepunkt zu kommen. Aber kann das wirklich funktionieren? Wir haben bei Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin i. A. u. S. Sarah ­Rubenthaler nachgefragt.

Fake it 'til you make it
Harry & Sally / youtube.com

Kann Orgasmus-Faken zum Orgasmus führen?

Einer neuen Studie zufolge kann das Vorspielen eines Orgasmus tatsächlich in einen real erlebten Orgasmus münden. Durch das Faken von Ekstase soll sowohl der Partner als auch man selbst stärker erregt werden – was manchmal den letzten „fehlenden Kick“ geben soll. Eventuell könnte man es sich vorstellen wie bei Lachyoga: Anfangs gespieltes Lachen führt zu einem echten, natürlichen Lachen.

Wenn das nicht klappt: Ist das Faken eines Orgasmus sinnvoll, um den Partner nicht zu belasten?

Viel eher würde es helfen, sich von falschen Vorstellungen über den Orgasmus zu lösen. Es gibt Phasen im Leben, in welchen es durch bestimmte Reize, etwa Stress am Arbeitsplatz, zu Orgasmusproblemen oder fehlender Lust kommen kann. Frauen sollen selbstbewusst, jedoch einfühlsam kommunizieren, wie der Partner sie stimulieren soll, damit ein Orgasmus erreicht werden kann – eventuell andere Positionen ausprobieren und sich selbst erforschen. Wie soll der Partner wissen, was einem gefällt, wenn es ihm nicht gesagt oder gezeigt wird oder so manche Frau es oft auch selbst nicht weiß? Frauen kennen ihren eigenen Körper oft erstaunlich wenig. Ewiges Vorspielen eines Orgasmus wird das Problem selbst nicht lösen und zu Frust und Verschlimmerung der Problematik führen.

Es fällt leider noch immer vielen Frauen schwer, über Sexualität zu sprechen; über sexuelle Probleme noch viel mehr. Was bedeutet das für eine Beziehung?

Tatsächlich gehen viele Frauen auch heute noch nicht so offen und selbstverständlich mit ihrer Sexualität um wie ihre männlichen Artgenossen. Eigene sexuelle Wünsche und Vorlieben werden oft nicht oder unzureichend kommuniziert, um dem Partner nicht ein Gefühl von Unzulänglichkeit zu geben, oder aber aus dem eigenen Schamgefühl heraus. Leidet die Frau unter Orgasmus­losigkeit und traut sich nicht, offen über ihre Wünsche zu sprechen, spielt sie eventuell gar einen Orgasmus vor, um diesem Thema auszuweichen, wird der Wunsch nach sexueller Vereinigung bei ihr immer weniger werden. Dies kann zu partnerschaftlichen Konflikten führen. In einer vertrauensvollen Beziehung sollte das Thema Sexualität auch angesprochen werden können – natürlich auf einem empathischen, sensiblen Weg.

Was passiert mit der Psyche der Frau, wenn sie nicht zum Orgasmus kommen kann?

Unter Umständen wird ein fehlender Orgasmus sowohl von der Frau als auch für die partnerschaftliche Beziehung als problematisch erlebt. Dies kann zu Frust und Abneigung gegen Sexualität führen. Die Frau sucht oft die Schuld bei sich selbst und fühlt sich als Versagerin, täuscht eventuell den Orgasmus vor, um den Mann nicht zu enttäuschen oder das Liebesspiel schnell hinter sich zu bringen. Leider wird dadurch jedoch die unbefriedigende Situation nur begünstigt und nicht bereinigt, was zu noch mehr Frustration führen kann. Mit einigen Gerüchten sollte auch aufgeräumt werden: Hartnäckig hält sich beispielsweise die Behauptung, dass die sexuell reife Frau zu einem vaginalen Orgasmus fähig sein müsse. Tatsächlich erreichen nur wenige Frauen den Höhepunkt durch rein vaginale Stimulation.

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