Als kleiner Junge spielte Michelle Hendley am liebsten mit Puppen und verkleidete sich als Prinzessin. „Ich habe immer so getan, als wäre ich ein Mädchen, aber als ich dann irgendwann ein Teenager war, fiel mir auf, dass ich vielleicht gar nicht nur so tue, sondern dass das meine wahre Identität ist. Dann habe ich angefangen, mich mit Geschlechtsumwandlung zu beschäftigen.“ In ihrer Heimatstadt Columbia im US-Bundesstaat Missouri kennt die Schauspielerin keinen anderen Transsexuellen, aber ihre Familie unterstützt sie.

That one time at #TeenVogue

Ein von Michelle Hendley (@chellehendley) gepostetes Foto am

 

„Das hat mich fast schon geschockt. Ich hatte ein paar Meinungsverschiedenheiten erwartet, aber sie waren begeistert und überhaupt nicht überrascht.“ Hendley dokumentiert ihren Wandel offen im Internet und macht damit Regisseur Eric Schaeffer, der schon mit Stars wie Sarah Jessica Parker und Ben Stiller gedreht hat, auf sich aufmerksam.

 

In seinem neuen Film „Boy Meets Girl“, der seit kurzem im Internet und auf DVD zu sehen ist, bekommt Hendley trotz fehlender Schauspielerfahrung die Hauptrolle. „Viele Transsexuellen-Filme sind traurig oder tragisch, aber dieser wirft ein positives Licht darauf. Es ist eine positive, normale Liebesgeschichte, bei der das Mädchen zufällig transsexuell ist.“

 

Transsexuellen-Bewegung in den Staaten

Der Film ist nur ein Beispiel für einen wahren Showbusiness-Boom, den die Transsexuellen-Bewegung in den USA derzeit erlebt. An der Spitze steht Kim Kardashians Stiefvater und früherer Zehnkampf-Olympiasieger Bruce Jenner, der seinen Wandel zur Caitlyn Jenner ausführlich per US-Fernsehen, beispielsweise der Doku-Serie „I am Cait“ beim Pay-TV-Kanal „E! Entertainment“, und „Vanity Fair“ dokumentiert und damit Millionen Menschen weltweit erreicht.

 

Auch im Erfolgsfilm „Dallas Buyers Club“, der Amazon-Serie „Transparent“ und der Netflix-Serie „Orange is the New Black“ sowie dem Broadway-Musical „Hedwig and the Angry Inch“ wird das Thema Transsexualität behandelt.

 

Schauspielerin am Cover

Die transsexuelle Schauspielerin Laverne Cox zierte jüngst das Cover des „Time“-Magazins. Die Mode lässt die Grenzen zwischen den Geschlechtern weiter verschwimmen: Haute-Couture-Häuser wie Gaultier schickten bereits Männer in Frauenkleidern über den Laufsteg und Andreja Pejic aus Bosnien-Herzegowina wurde erst als Mann und dann als Frau zum Supermodel.

„Ich glaube wirklich, dass wir gerade eine Revolution für Transsexuelle erleben“, sagt Schauspielerin Hendley. „Wir werden so viel sichtbarer in den Medien und das wird uns weiter normalisieren.“ Der Boom in den USA werde die Veränderung auch in den Rest der Welt tragen, da ist sie sich sicher.

 

Transsexualität im Alltag

Aber trotz all der neuen Aufmerksamkeit ist der Alltag für viele Transsexuelle weiterhin nicht einfach. Rund 700.000 Menschen in den USA fühlen sich nicht dem Geschlecht zugehörig, mit dem sie geboren sind, wie die Universität von Los Angeles schätzt. Rund 90 Prozent davon haben schon einmal Diskriminierung oder Misshandlung erlebt, ergab eine Studie des Zentrums für die Gleichberechtigung von Transsexuellen in den USA. Zur US-Armee können sie beispielsweise bislang nicht.

 

Und auch negative Reaktionen haben viele schon zu spüren bekommen: „Mobbing kennen wir glaube ich alle“, sagt Schauspielerin Hendley. „Ich bin auch dafür gehänselt worden, dass ich lange Haare hatte und sehr weiblich aussah. Aber etwas Schlimmeres habe ich glücklicherweise nie erlebt.“

 

Bislang geben einer Untersuchung der Schwulen- und Lesbenorganisation Glaad zufolge nur acht Prozent der US-Amerikaner an, dass sie einen Transsexuellen persönlich kennen. „Es muss noch viel getan werden“, sagt auch Hendley. „Wir müssen weiter auf uns aufmerksam machen. Nur wenn die Menschen persönliche Erfahrungen mit Transsexuellen machen, wird es irgendwann echte Gleichberechtigung geben“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann. Wenn ich eine Stimme für all die transsexuellen jungen Menschen sein könnte, die verletzt werden oder nicht wissen, was sie machen sollen, dann wäre das das Coolste auf der ganzen Welt. Cooler, als in einem Film mitzuspielen.“