„Lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender- und Queer-Menschen haben jeden Tag mit Hindernissen zu kämpfen: beim Doktor, in der Schule oder einfach nur, wenn sie Händchen haltend die Straße entlang gehen.“ – der 100 Seiten starke Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit Sitz in Wien, der jetzt in überarbeiteter Form vorliegt, beginnt schon mal so, dass man gerne die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte, und Bauchweh bekommt, wenn man daran denkt, was man gleich noch so lesen wird.

1.039 qualitative Interviews wurden im Zuge der Erhebung geführt, Personengruppen aus der Gesetzgebung, Bildungswesen, der Exekutive und dem Gesundheitswesen wurden zum Thema Grundrechte und Gleichberechtigung von LGBTQ’s (also Lesbian Gay Bisexual Transgender Queer) befragt.

Die Untersuchung zeigt: Homosexualität wird von vielen MitarbeiterInnen aus dem Gesundheitsbereich noch immer als „pathologisches Problem“ (und somit als heilbare Krankheit) angesehen. Häufig wird diese Meinung in Bulgarien, Ungarn, Italien, Lettland, Polen, Rumänien und in der Slowakei vertreten. Grund dafür ist, dass Homosexualität als immer noch als Krankheit klassifiziert wird und Gegenstand des Lehrmaterials während der medizinischen Ausbildung ist.  

Ein/e PsychotherapeutIn aus Lettland macht dafür auch die Gesellschaft selbst verantwortlich: „Die persönliche Einstellung der MedizinerInnen sind das Produkt der Gesellschaft und diese spiegelt sich in den Meinungen und Einstellungen der ÄrztInnen wieder. Sie sind nicht wesentlich höher gebildet, tolerant oder verständnisvoll. Nein, sie haben ebenfalls Vorurteile und sind engstirnig hinsichtlich ihrer eigenen Meinung. […]“ Ein Sexologe aus Bulgarien meint: „Traurigerweise sind 80 % gegen LGBT-Menschen und glauben, es sei nicht normal.“ 

Außerdem seien die MedizinerInnen oft nicht aufgeklärt, welche gesundheitlichen Themen LGBTQ’s im Besonderen betreffen, was in einer diskriminierenden Haltung ihnen gegenüber mündet. Vorherrschende Stereotypen führen außerdem dazu, dass sich LGBTQ’s anders behandelt fühlen als Nicht- LGBTQ’s. Häufig werden diese Vorurteile und diskriminierenden Meinungen in medizinischen Einrichtungen auch ganz offen geäußert. Homosexualität wird in vielen Staaten als Krankheit gesehen, die man sich „einfängt.“ 

Eine rumänische Krankenschwester meinte: „Wir gehen davon aus, dass diese Krankheiten durch ein einschlägiges Erlebnis in der Kindheit ausgelöst wurden […]. Unsere Ärzte behandeln sie wie Menschen, die eine Störung haben, nicht unbedingt, als ob sie eine Krankheit hätten. Wenn ein Homosexueller zum ersten Mal in eine medizinische Einrichtung geht, dann ist es sicher, dass er angesehen wird, als ob er eine Seuche hätte.“ 

Diese Vorurteile führen dazu, dass viele LGBTQ’s Arztbesuche sogar gänzlich meiden würden oder ihre sexuelle Orientierung verstecken – was in neuen Problemen resultiert. 

Laut EU-Charter Artikel 35, Grundrechte der Europäischen Union hat „Jede Person (hat) das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und Durchführung aller Politiken und Maßnahmen der Union wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.“ Problematisch wird diese Auslegung allerdings, da sich die Gesetzgebung der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU-Gesetzgebung stellenweise widerspricht, diskriminierende Sprache nicht ausdrücklich verboten oder genügend geahndet wird. Diskriminierung wird in vielen EU-Mitgliedsstaaten also weitgehend toleriert: auch, wenn das den Grundrechten der Europäischen Union widerspricht. 

Der Bericht fordert daher „angemessene Maßnahmen, um die Klassifizierung von Homosexualität als Krankheit zu verhindern, in Übereinstimmung der Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO.“