Hanf als angesehenes Mitglied der Beautyfamilie? Klingt seltsam, ergibt aber durchaus Sinn. Wir haben nachgeforscht – und herausgefunden, warum die Kosmetikindustrie immer häufiger auf die umstrittene Wunderpflanze setzt. 

Typen in Batikshirts und ein ­süßlich-schwerer Geruch, der in der Luft hängt. Grüne, mehr­blättrige Pflänzchen, erhältlich in seltsamen Shops, bei denen wir uns nicht mal ­sicher sind, ob sie legal sind, konsumiert von ganz bestimmten Menschen, die nur dann ihren Arsch hochkriegen, wenn es um die Legalisierungsdebatte geht – zugegeben, diese Assoziationen haben die meis­ten von uns beim Thema Hanf. Doch das Blatt hat sich gewendet: Hanf hat längst Einzug in die vier Wände der Normalverbraucher gehalten und ist seit geraumer Zeit salonfähig. Das heißt allerdings nicht, dass man sich heute beim After-Work-Drink lachend einen Joint wuzelt – vielmehr erleben andere Inhaltsstoffe der Pflanze als jene, die high machen können, einen regelrechten Boom. Das freut ­natürlich auch die Beautyindustrie, die vom ­immer mainstreamigeren Hanfboom profitiert – aber alles der Reihe nach.

THC & CBD: Drei kleine Buchstaben

Wenn wir von Hanf sprechen, geht es eigentlich fast immer um zwei verschiedene Inhaltsstoffe, die Cannabinoide CBD und THC – drei Buchstaben, die für absolut unterschiedliche Wirkungen stehen. „THC ist das am häufigsten in der Canna­bispflanze vorkommende Cannabinoid und der psychoaktive Hauptbestandteil von Marihuana, was bedeutet, dass es erwiesenermaßen Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben kann. Es wirkt vor allem berauschend und verursacht beim Konsumenten ein sogenanntes High. In den meisten Ländern gelten THC-haltige Produkte weitestgehend als Betäubungsmittel und sind daher in der Regel illegal“, erklärt der Pharmazeut und Inhaber der Saint-Charles-Apotheke Alexander Ehrmann. Wir wollen den Fokus aber vor allem auf den legalen kleinen Bruder von THC legen: auf CBD, einen Bestandteil mit enormer Power, denn es hat keine psycho­aktive Wirkung, ist gut verträglich und soll etwa bei Angststörungen, Depressionen, Bewegungsproblemen oder Übelkeit helfen. CBD werden weiters schmerz­lindernde und entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt – Features, die vor allem Kosmetikhersteller die Lauscher spitzen lassen. So gibt es abgesehen von purem CBD-Öl, das sich äußerlich und oral anwenden lässt, mittlerweile eine Reihe an Produkten, die die Effekte von CBD für sich nutzen. Ob Handcremes, Seren, Haarpflege, Body­lotions oder selbst Gleitgele – die Liste wächst und wächst. Und während Hanfprodukte in den USA schon länger ein großes Ding sind, scheint der Boom in Europa gerade erst so richtig im Mainstream durchzustarten – ohne Kiffer-Image, sondern sehr cool, minimalistisch und lifestylig. Und das gilt nicht nur für ­Beauty. Aktuellstes Beispiel: die Wiener Traditionskonditorei Aida, die am Hanfhype mit­naschen will und seit 8. September CBD-Brownies im Sortiment führt. Doch auch hier möchte man sich ganz klar von der Droge abgrenzen: „Man muss unterscheiden zwischen Drogen und zugelassenen Mitteln (…). Wenn es ein zulässiges Mittel ist und großteils medizinisch verwendet wird, warum sollen wir es dann nicht auch anbieten?“, so Pressesprecher Stefan Ratzenberger. Nichts­destotrotz gibt es die Lifestyle-Brownies erst ab dem 16. Lebensjahr. Denn ein minimaler THC-Anteil bleibt auch bei allen CBD-Produkten vorhanden, selbst wenn dieser bei maximal 0,2 Prozent liegt. „Der Anteil an THC in frei verkäuflichen Produkten ist so gering, dass keine berauschende Wirkung oder Ähnliches zu erwarten ist“, weiß auch Alexander Ehrmann.

Hanfsamenöl vs. CBD-Öl

Doch zurück zum Wundermittel Hanföl. Wichtig: Auch hier muss man ganz klar zwischen CBD-Öl und Hanföl differenzieren. Denn Hanföl, auch als Hanfsamenöl erhältlich, ist das Öl des Samens, das reich an wertvollen Nährstoffen wie Proteinen, ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen ist. Es fällt also in die Kategorie Superfood, und im Beautybereich wird es immer beliebter, da es dafür sorgt, dass die Feuchtigkeit in der Haut bleibt und Rötungen minimiert werden. Zudem ist es auch bei empfind­licher Haut gut verträglich. CBD-Öl dagegen wird durch verschiedene Extraktionsmethoden aus der Canna­bis-blüte und den Blättern gewonnen. „CBD ist zurzeit das besterforschte Canna­binoid mit den sichersten medizinischen Daten. Cannabinoide wirken im menschlichen Endocannabinoid-System, das dafür verantwortlich ist, die Überstimulation von Nervenverbindungen einzudämmen und ihre Aktivität zu normalisieren. Dieses Subsystem des Nervensystems reguliert unter anderem das Schmerz­empfinden und das Immunsystem“, so Ehrmann. Das erklärt auch, warum die ersten mainstreamigeren CBD-Produkte vor allem zur Bekämpfung von Muskel­kater und Arthritis kreiert wurden. Aktuell halten Influencer ihre Ölfläschchen gerne als Wunderwaffen gegen Migräne oder Menstruations­beschwerden in die Kamera. Eine natürliche Alternative zu Ibuprofen und anderen Schmerzmitteln? „Wissenschaftlich ist die genaue Wirkweise noch nicht untermauert. Einen Versuch, nach ärztlicher Absprache, würde ich leidgeplagten Frauen aber durchaus empfehlen“, bestätigt Ehrmann.

Hanf im Rampenlicht

Wenn es um Hypes geht, ist natürlich auch Hollywood stets ganz vorne mit dabei. So redet etwa Gwyneth Paltrow gerne darüber, dass sie in stressigen Zeiten zu CBD-Öl greift, da es sie besser schlafen lässt. Stylistin Karla Welch, die unter anderem mit Stars wie Katy Perry oder Olivia Wilde arbeitet, schmiert CBD-Creme auf die leidgeplagten pedikürten Füßchen der Stars, wenn ein Red-Carpet-Termin ansteht. „Das ist perfekt für lange Nächte in High Heels – alle meine Kundinnen lieben es. Ich hab immer ein paar Fläschchen in meinem Styling-Kit“, verrät Welch der New York Times. Doch woher weiß man, dass es sich um hochwertige Produkte handelt, wenn man keinen Profi inklusive Ausrüstung bei sich hat? Worauf muss man beim Kauf von CBD-Öl achten? „Um hier wirklich gute Qualität zu beziehen, ist das Bio-Siegel sicher ein guter Anhaltspunkt. Je transparenter die Angaben zur Firma und zur Herstellung des Öls sind, desto besser und sicherer. Und unbedingt darauf achten, dass sich die Prozent­angaben auf das reine CBD beziehen“, sagt Alexander Ehrmann. Ob als Wunderwaffe,
Medikament oder Lifestyleprodukt, fest steht, dass der Hanfboom gerade erst so richtig startet; das kriminelle und zwielichtige Image von Hanf ist passé. Und das ist verdammt gut so, wie auch Ehrmann weiß: „Der große Einsatz­bereich von Hanfmitteln wird langsam erkundet, und der medizinische Vorteil der Pflanze rückt somit immer mehr in den Fokus der Forschungs­arbeit. Die Wirkmechanismen und auch die therapeutischen Möglichkeiten werden für uns daher immer klarer.“