Chia ist das neue „Superfood“, eins „mit größter Wirkung“, es sei nicht nur „gesund“, sondern „besonders gesund“. Hysterisch bejubeln Gesundheitsmagazine Wunderkräfte von gigantischem Ausmaß. Doch in Wirklichkeit gibt es für die vollmundigen Phrasen samt und sonders keinerlei seriöse Belege. Soweit Studien vorliegen, zeigen sie die Nutzlosigkeit in Sachen Herz-Gesundheit oder Körpergewicht; Tierversuche nähren gar den Verdacht, Chia könne Entzündungen und Allergien fördern. Das berichten Deutschlandradio und die ARD unter Berufung auf Experten.

Die Azteken verspeisten Chia bereits in vorkolumbianischer Zeit. Im Laufe der Jahrhunderte geriet die Pflanze in Vergessenheit. Die Wiederentdeckung verdanken wir der Futtermittelwirtschaft, die vor 15 Jahren versuchsweise Hühner mit Chia fütterte. Als die aber Eier mit kleineren Dotter legten, schwand das Interesse. Und was macht der kluge Händler, wenn seine Ware nicht für den Futternapf taugt? Er kippt das Vogelfutter ins Müsli und annonciert es als „Superfood“.

Fördert Chia Verdauungsprobleme?

Irritierend wirkt die Höchstmenge von maximal 15 Gramm Chia, also ein Esslöffel voll, den der Verbraucher auf einmal essen sollte – so hat es die europäische Lebensmittelbehörde EFSA beschlossen. Ihre Begründung: Es lägen noch zu wenige Erfahrungen mit dem für Europa neuartigen Lebensmittel vor. Doch inzwischen mehren sich Klagen über Verdauungsprobleme. Es steht zu befürchten, dass die Körner einen unangenehmen Nebeneffekt haben könnten, über den man nur ungern spricht. Ursache ist ihre auffälligste Eigenschaft: Chia bindet die 25fache Menge Wasser. Bei Einnahme frischer Saaten kann es passieren, dass diese während der Darmpassage aufquellen und dabei Flüssigkeit aus dem Gewebe ziehen. Von vergleichbaren Produkten wie Leinsaat, die nur halb so viel Wasser binden, ist bekannt, dass die dabei entstehende kompakte Masse manchmal nur noch durch eine OP entfernt werden kann.

Chia ein „Superschleim“

Dort wo die Chia heimisch ist, wird sie gewöhnlich als trübes Erfrischungsgetränk mit etwas Fruchtsaft genossen, eine unbedenkliche Zubereitung. Ihre Fähigkeit Unmengen Wasser zu binden, weckte inzwischen auch die Neugier der Lebensmittelindustrie. Mit derart potenten Quellstoffen lassen sich kalorienreduzierte Produkte herstellen, aufgrund ihrer emulgierenden Eigenschaften ersetzt der Schleim in Kuchenteigen die Eier, in Speiseeis die Sahne. Es nicht gerade ein Superfood, aber als Superschleim können es die Samen noch weit bringen.

Anbau mit chemischer Unterstützung

Ursprünglich stammt Chia aus Mexiko und Guatemala. Doch um die wasser- und sonnenhungrige Pflanze auch außerhalb Mittelamerikas ernten zu können, wurde sie züchterisch umgearbeitet. Auch der Anbau ist alles andere als traditionell: Durch Behandlung des Saatgutes mit Pflanzenhormonen lässt sich das Auskeimen synchronisieren. Vor der Aussaat wird der Acker mit einem in der EU verbotenen Bodenherbizid von Unkraut befreit. Zur Beschleunigung der Reifung werden die Felder vor der Ernte mit Paraquat besprüht, ebenfalls ein umstrittenes Herbizid. Offenbar will man durch eine schnellere Reifung den Vogelschwärmen ein Schnippchen schlagen, die ebenfalls die Chiafelder abernten wollen.

Der Ertrag ist im Vergleich zu anderen Nahrungspflanzen eher mau. Damit blockiert der Chiaanbau Ackerfläche, die mit bewährten Kulturen mehr Menschen sättigen könnten. Und das alles nur, um eine aufgeregte Superfood-Szene mit überteuertem Superschleim zu versorgen?!?

Weiterlesen: DAS SIND DIE HEIMISCHEN ALTERNATIVEN ZU EXOTISCHEN SUPERFOODS