„Was, du willst dir ein Zungenpiercing stechen lassen? Mutig – denn es kann sein, dass du danach nichts mehr schmeckst. Oh, und bei Ohrknorpelpiercings solltest du auch aufpassen, wenn du danach nicht mit einer Lähmung herumlaufen willst.“ Solche Horrorstories haben wir doch alle schon einmal gehört. Jedoch: Stimmen sie oder ist das alles purer Unfug? Wir haben bei Piercer Marc-André vom Piercingstudio Wien nachgefragt und sind den Mythen nachgegangen.

Piercingstudio Wien
Piercingstudio Wien

Mythos 1: „Kamillentee und Urin wirken bei frisch gestochenen Piercings desinfizierend“

Dieser Mythos stimmt teils, teils. Eigenurin wirkt vor allem bei Intimpiercings desinfizierend und fördert durchaus die Heilung. Frischer Harn ist praktisch steril und hat eine desinfizierende, eiweißgerinnende und schmerzlindernde Wirkung. Es spricht also nichts dagegen, eine Wunde oder ein frisch gestochenes Piercing mit Urin zu behandeln. Bei dem vermeintlich hilfreichen Kamillentee sieht die Sache aber etwas anders aus. „Das Problem an Kamillentee ist, dass die ätherischen Öle oft zu allergischen Reaktionen oder Reizungen führen“, so Experte Marc. Besser auf spezielle Desinfektions- und Reinigungsmittel zurückgreifen und sich an die Anweisungen des Piercers halten. Die richtige Pflege ist nämlich das Um und Auf.

Mythos 2: „Ein Piercing kann zu Lähmungen führen“

Fakt ist: Ja, es kann tatsächlich sein, dass ein falsch gestochenes Piercing zu vorrübergehenden Lähmungen führt. Daher sollte man bei der Wahl des Piercers und auch des Studios sehr skeptisch sein und auf keinen Fall ein Risiko eingehen. Im Piercingstudio von Marc ist es laut eigenen Angaben noch nie zu solch einem Vorfall gekommen. Riskante Piercings lehnt er nämlich ab. Das Cheek-Piercing ist beispielsweise so ein Piercing, das auf seiner schwarzen Liste steht. Dabei wird häufig der Nervus facialis verletzt, was zu Lähmungen oder schweren Infektionen führen kann. Das Wohl der Kunden muss bei einem guten Piercer immer an erster Stelle stehen. Sollte es dennoch einmal passieren, dass Lähmungserscheinungen auftreten, kann man diese meistens mit Cortison- und Antibiotika-Infusionen beheben. Trotzdem: Besser Vorsorge als Nachsorge!

Piercingstudio Wien
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Mythos 3: „Wer sich ein Intimpiercing stechen lässt, kann monatelang keinen Sex mehr haben“

Dieser Mythos ist laut Marc absoluter Blödsinn. Natürlich kommt es darauf an, wo genau das Piercing gestochen wurde, aber normalerweise kann man in der ersten Woche nach dem Stechen schon wieder Sex haben. Manche warten aber auch gern ein bis zwei Wochen, das hängt ganz vom individuellen Wohlbefinden ab. Auch rasieren im Intimbereich ist bereits ab dem ersten Tag kein Problem.

Mythos 4: „Orale Piercings schädigen die Zähne“

Eines lässt sich nicht leugnen: Titan ist härter als ein Zahn. Daher ziehen bei direktem Kontakt die Zähne den Kürzeren und es kann langfristig zu Schäden am Zahnschmelz kommen. Kälte- und Hitzeempfindlichkeit, eine Reizung des Zahnnervs oder Karies können schlimmstenfalls die Folge sein. Mittlerweile werden aber auch andere Materialien, wie zum Beispiel Kunststoff, angeboten, die weniger schädlich für Zahn- und Zahnfleisch sein sollen.

Bei einem Piercing rund um die Lippen ist das Problem aber nicht das Kügelchen, sondern der Verschluss. Dieser liegt an der Innenseite der Lippe und streift dabei ständig das Zahnfleisch. Langfristig können dabei Schäden am Zahnfleisch entstehen und Zahnfleischschwund begünstigen. Die Folge sind oft freiliegende Zahnhälse und Verletzungen der Zahnwurzel. Bevor man sich ein Piercing stechen lässt, sollte man sich vorher immer Gedanken machen und sich nicht in einer spontane Situation dazu hinreißen lassen.

Mythos 5: „Ein Loch wächst ohne Piercing innerhalb einer Stunde zu“

Eine allgemein gültige Antwort gibt es zu diesem Mythos nicht, je nach Körperstelle braucht das Loch unterschiedlich lange, um zuzuwachsen. Bei Schleimhäuten dauert es aber tatsächlich nur wenige Stunden, bis das Loch soweit zu ist, dass man das Piercing selbst nicht mehr einsetzen kann. Auch wenn die Piercings schon ein Jahr oder älter sind, kann das immer wieder vorkommen. „Piercings heilen oft schneller zu, als den Kunden bewusst ist. Wir müssen daher regelmäßig fast zugewachsene Löcher aufdehnen oder wieder neu stechen“, sagt der Experte. An äußeren Stellen dauert das Ganze ein bis zwei Tage. Wenn man ein Piercing aber bereits jahrzehntelang trägt, kann es auch sein, dass die Löcher sehr lange offen bleiben und man auch nach mehreren Tagen das Piercing wieder problemlos durchstechen kann. Irgendwann wächst aber jedes Loch wieder zu. Die einzige Ausnahme: Löcher in den Ohrläppchen bleiben ein Leben lang.