Nach zwei Jahren Pandemie geben uns noch immer einige Dinge Rätsel auf. So haben viele schon erlebt, dass sie Kontakt mit einer infizierten Person hatten und sich trotzdem nicht mit Corona angesteckt haben. Wie kann das sein? Forscher aus Großbritannien haben untersucht, woran das liegen könnte und liefern nun erste Ergebnisse.

In der umstrittenen Studie wurden Freiwillige gezielt mit dem Coronavirus infiziert.

Britische Studie: Darum bleiben manche von Corona verschont 

Seit zwei Jahren gehören Atemschutzmasken, Hände desinfizieren und das Abstandhalten zu unserem Alltag. Das alles, damit wir uns selbst nicht mit dem Coronavirus anstecken oder es an andere Menschen weitergeben. Doch egal welche Vorsichtsmaßnahmen wir treffen, manche Menschen haben sich schon zum wiederholten Male mit dem Coronavirus infiziert, andere dafür gar nicht.

Ein Kontakt mit dem Virus scheint also nicht für alle mit dem gleichen Risiko einer Ansteckung einherzugehen. Eine umstrittene Human-Challenge-Studie liefert jetzt erste Anhaltspunkte, woran das liegen könnte. In dieser hatten Wissenschaftler rund um Christopher Chiu 34 Testpersonen im Alter von 18 und 30 Jahren gezielt dem Erreger ausgesetzt, wie das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtet.

Den Testpersonen, die weder geimpft noch genesen waren, wurde über die Nase eine geringe Menge des Virus eingeführt – gerade genug, um eine Infektion hervorzurufen. Danach wurden die Probandinnen und Probanden zwei Wochen lang im Royal Free Hospital in London überwacht und immer wieder auf Sars-CoV-2 getestet. Nun veröffentlichen die Wissenschaftler erste Ergebnisse – allerdings sind diese noch ungeprüft.

Knapp die Hälfte steckte sich an

Das Ergebnis: Von den 34 Freiwilligen infizierten sich 18 mit Corona. 17 von ihnen wiesen dabei milde bis mittlere erkältungsähnliche Symptome auf. Zusätzlich litten einige an Kopf- oder Muskel- beziehungsweise Gelenkschmerzen, Fieber oder Müdigkeit. 12 Testpersonen gaben an, ihr Geruchssinn sei beeinträchtigt. In sieben Fällen verschwanden die Symptome innerhalb von sechs Monaten – in vereinzelten Fällen blieben sie länger.

Warum infizierten sich nicht alle?

16 der 34 Freiwilligen blieben negativ. Doch woran könnte es liegen, dass sich nicht alle mit Corona infiziert haben? „Die Virusmengen stiegen nicht hoch genug an, um nachweisbare Mengen an Antikörpern, T-Zellen oder Entzündungsfaktoren im Blut auszulösen“, berichtet Studienleiter Chiu gegenüber dem Guardian. Manche Menschen scheinen das Virus so früh abwehren zu können, dass sie nie positiv getestet werden.

Die Gründe für die unterschiedlichen Reaktionen auf den Viruskontakt sind noch nicht zur Gänze erforscht. Es gibt mehrere Theorien: Es könnte etwa an der T-Zellen-Antwort liegen. Denn die sogenannten T-Zellen in unserem Körper sind in der Lage, Krankheitserreger wieder zuerkennen und zu bekämpfen bevor sich ein Virus ausbreitet. Das kann eine Infektion verhindern. Im Vergleich zu Antikörpern sind T-Zellen zudem weniger spezifisch und bieten deshalb langfristig Schutz vor schwerwiegenden Krankheiten. 

Aber auch genetische Faktoren oder eine bereits bestehende Immunität gegen ähnliche Erreger, könnten eine Erklärung sein, weshalb sich manche Menschen nicht mit dem Virus anstecken. Um eine präszisere Antwort auf diese Frage zu bekommen, sind laut Wissenschaftler noch mehrere Studien nötig. Zudem führe laut Kritikern die geringe Probandenanzahl zu einer geringeren Aussagekraft. Aber nicht nur deshalb steht die Studie in der Kritik.

Umstrittenes Experiment

Die Untersuchung gilt als äußerst umstritten. Laut dem „Spiegel“ ist nach Bekanntwerden des Versuchs im Februar 2021 eine hitzige Diskussion über das Experiment entbrannt. Ist es ethisch vertretbar Menschen anzustecken, um Menschen zu heilen? Umgerechnet mehr als 5.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Person sollen die Probanden für die Quarantänezeit bekommen haben.

So oder so will das britische Team um Christopher Chiu dem Zusammenhang zwischen Genen und dem Infektions- und Erkrankungsrisiko weiter nachgehen. So sind bereits weitere Human-Challenge-Studien mit anderen Virusvarianten, zum Beispiel Omikron, geplant. Dies wird allerdings nicht von allen Wissenschaftlern unterstützt.