Unter leichten bis mittelschweren Regelschmerzen leidet fast jede Frau im Laufe ihres Lebens. Welche Beschwerden dabei „normal“ sind und welche auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten können, ist dabei oft schwer zu sagen. Wir haben mit einer Betroffenen und zwei Experten über die häufig bagatellisierte Krankheit Endometriose gesprochen.

Den Begriff hört man immer wieder, doch die meisten können mit der komplizierten Aneinanderreihung von Buchstaben wenig anfangen. Endometriose? Irgendetwas „down under“, aber was eigentlich genau? Endometriose ist eine chronische gynäkologische Erkrankung, bei der Herde der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter wachsen. Jene Herde werden von den Hormonen des weiblichen Zyklus gesteuert und lösen so auch Blutungen aus. Dieses Blut kann jedoch nicht, wie bei der Regelblutung, einfach abfließen, was folglich zu Zysten, Entzündungen und Verwachsungen im Körper führen kann. Von der gutartigen, jedoch oft sehr schmerzhaften Erkrankung sind am häufigsten die Eierstöcke, die Eileiter, der Darm, die Blase und die Harnleiter betroffen. Endometriose-Herde können sich jedoch auch auf weiter entfernte Organe wie die Lunge ausbreiten. Trotz der Häufigkeit der Erkrankung wird sie auch aufgrund mangelnder Aufklärung und vermeintlicher Weisheiten wie „Regelschmerzen hat doch jede Frau“ oft erst spät als solche erkannt. So wie bei Anna (29). Sie hat mit uns über ihre Erfahrungen mit Endometriose gesprochen.

Endometriose ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung bei Frauen

Wie hast du erfahren, dass du Endometriose hast?
Ich hatte immer schon sehr starke Regelschmerzen. Als Teenager habe ich auch deshalb mit der Pille begonnen, die die Beschwerden dann auch gelindert hat. Nach dem Absetzen der Pille wurde es aber wieder schlimmer. Vor etwa neun Monaten habe ich wegen besonders schlimmer Schmerzen meine Frauenärztin aufgesucht. Ich hatte zu dieser Zeit eine Zyste, die wir anfangs für die Beschwerden verantwortlich gemacht haben. Bei der Blutuntersuchung stellte man außerdem extrem hohe Entzündungswerte fest. Nach ein bisschen eigener Recherche im Internet und Gesprächen mit einer betroffenen Bekannten hatte ich jedoch bald den Verdacht: Endometriose. Da meine Zyste zwar mit der Zeit wieder verschwand, meine Entzündungswerte jedoch gleich blieben, wurden meine  Befürchtungen schließlich bestätigt.

Wie ging es nach der ersten Diagnose weiter?
Meine Frauenärztin riet mir, abzuwarten, wie sich die Krankheit entwickelt, und nicht sofort zu operieren. Nachdem sich aber Monate später nichts gebessert hatte, wurde ich zur Bauchspiegelung ins  Krankenhaus überwiesen. Da bekam ich die Diagnose, und in der Zwischenzeit entstandene Zysten wurden operativ entfernt.

Wie würdest du Endometriose-Schmerzen beschreiben?
Sie treten sehr unterschiedlich lang und stark auf. Es fühlt sich an wie ein Brennen im Unterleib, oft helfen auch keine Schmerzmittel mehr. Manchmal schmerzt es nur an einer Stelle, dann zieht es wieder überall. Durch die Zysten war der Schmerz oft kolikartig und gar nicht mehr zu ertragen. Ganz schlimm sind meist die ersten zwei Tage der Regelblutung. Die Schmerzen beginnen aber oft bereits eine Woche vorher und dauern meist auch nachher noch an – da sind sie jedoch nicht mehr so stark, also zum Aushalten.

Wie geht es dir jetzt mit der Krankheit?
Die Schmerzen sind leider auch nach der Operation nicht weniger geworden. Es wurde mir jedoch gesagt, dass das nicht unbedingt mit der  Endometriose zusammenhängen muss. Ich hoffe, dass sich die Krankheit auf Dauer nicht zu extrem auf mein Leben auswirkt und meine  Beschwerden mit der Zeit besser werden. Die ständigen Schmerzen wirken sich ja früher oder später auch auf die Psyche aus.

Findest du, dass Frauen genug über das Thema informiert werden?
Meine Frauenärztin hat mich zwar gut informiert, ich musste aber trotzdem eine Menge nachfragen. Ich habe dann damit begonnen, mich selbst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich finde also auf jeden Fall, dass Frauen allgemein mehr über Endometriose aufgeklärt werden sollten. Es wird zwar immer gesagt, dass nur ein kleiner Prozentsatz davon betroffen ist, aber ich glaube, es sind sehr viele mehr, die es gar nicht wissen. Oft dauert es sehr lange, bis die tatsächliche Diagnose gestellt wird, und es vergeht viel Zeit, bis etwas dagegen unternommen werden kann.

Bist du optimistisch, was die Krankheit betrifft?
Durch die Endometriose habe ich das Gefühl, dass ich meinen Körper besser kennengelernt habe und somit kleine Anzeichen schneller erkenne. Trotzdem fühle ich mich durch die Krankheit in meiner Freizeit und im Job immer wieder eingeschränkt. Das ist vor allem schwer, wenn man sich seine Arbeit nicht selbst einteilen und eben auch nicht voraussagen kann, wann der Schmerz einsetzt. Da ich aber noch jung bin, hoffe ich einfach das Beste.

Endometriose erkennen und behandeln

Dr. Gernot Hudelist, Spezialist für Endometriose, Uterusmyome und Eileitererkrankungen (womanandhealth.at)

Warum verursacht die Endometriose solche Schmerzen?
Die Schmerzen, die Betroffene erleiden, sind primär dadurch bedingt, dass die Gebärmutterschleimhautwucherungen, die sich ja gleich wie die Gebärmutterschleimhaut verhalten, zum Zeitpunkt der Regelblutung Nerven­endigungen reizen. Das kann auch zu Schmerzen beim Stuhlgang, Harnlassen oder Beschwerden beim Sex führen.

Wieso haben Frauen mit Endometriose oft Probleme, schwanger zu werden?
Das kann viele verschiedene Ursachen haben, etwa Verklebungen der Eileiter durch die Entzündungen, eine eingeschränkte Beweglichkeit der Eierstöcke, was den Eisprung stören kann, und viele mehr.

Was kann man gegen Endometriose tun?
Wenn die Endometriose Beschwerden verur­sacht oder zu einem unerfüllten Kinderwunsch führt, muss sie behandelt werden. Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten, aber: Nicht immer muss behandelt werden, denn nicht jede Patientin hat Schmerzen. Zum einen gibt’s die konservative, also medikamentöse Therapie (zum Beispiel die Einnahme der Pille, Hormontherapien, Schmerzmittel), andererseits kann aber auch die Konsultation alternativ-medizinischer Methoden, etwa Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), in manchen Fällen sehr gute Hilfestellung leisten. Die ursächliche Therapie der Endometriose ist jedoch primär die operative Entfernung, bei der durch Knopfloch-Operationen Herde entfernt werden und dadurch in den meisten Fällen eine erhebliche Beschwerdebesserung erzielt werden kann.

Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei ausgeprägten Regelschmerzen, die die Lebensqualität massiv beeinträchtigen, wenn über ein bis zwei Jahre ein unerfüllter Kinderwunsch besteht oder man dauerhaft Schmerzen beim Geschlechtsverkehr hat.

An wen wendet frau sich beim Verdacht auf Endometriose?
Am besten an zertifizierte Endometriose-Zentren oder Frauenärzte bzw. Ambulanzen, die sich auf die Erkrankung spezialisiert haben.

Tabuthema Endometriose: Deshalb spricht niemand darüber

Rita Hofmeister, Obfrau Der Endometriose Vereinigung Austria (EVA-info.at)

Was genau ist EVA?
Die EVA ist eine Anlaufstelle für Endometriose-Patientinnen, die ausschließlich von Frauen geleitet wird, die selbst von der Krankheit betroffen sind. Wir haben uns mit unserer Vereinigung der Unterstützung von Betroffenen (zum Beispiel in Form von Selbsthilfe­gruppen) und vor allem auch der Bekanntmachung der oft verkannten Krankheit verschrieben.

Woran liegt es, dass Endometriose immer noch ein Tabuthema ist?
Das hat verschiedene Gründe. Erst mal ist ja alles, was mit Menstruation zu tun hat, immer noch ein bisschen tabu. Dann haben betroffene Frauen auch oft Schmerzen beim Sex, beim Stuhlgang oder beim Urinieren. Das sind Dinge, über die niemand gerne offen redet.

Warum dauert es oft so lange, bis Endometriose diagnostiziert wird?
Das liegt unter anderem daran, dass viele Frauen schon von ihren Müttern lernen, dass man  während der Periode eben Schmerzen hat. Frauen denken, dass Beschwerden normal sind und man da eben durch muss. Ein zweiter Grund könnte sein, dass Endometriose im ­Medizinstudium lange Zeit kaum behandelt wurde, sodass nicht ­jeder Arzt die vielfältigen Symptome sofort mit der Erkrankung assoziieren kann. Viele Ärzte haben Endometriose vielleicht im ganzen Medizinstudium eine Stunde lang besprochen.

Warum ist es so schwierig, ein Allheilmittel für Endometriose zu finden?
Das Gemeine an Endometriose ist, dass die Erkrankung so wahn-sinnig individuell ist. Manche Frauen haben kleine, kaum erkennbare Herde, aber massive ­Beschwerden, andere haben Wucherungen im ganzen Bauch und spüren nichts davon. Bei manchen Betroffenen hilft die Einnahme der Pille, andere bekommen dadurch nur zahlreiche weitere Beschwerden und müssen die Einnahme wieder abbrechen. Bei Endometriose muss also jede Frau individuell herausfinden, was ihr hilft und gut tut.