Mikroplastik ist in aller Munde. Während die einen versuchen, es zu meiden und Produkte, die „ohne“ auskommen, kaufen, wissen viele nicht so recht, was das überhaupt ist und wofür es verwendet wird. Beziehungsweise, wie es entsteht. Das Ganze ist aber auch wirklich nicht so einfach, denn immerhin wird nicht jedes Mikroplastik absichtlich als solches hergestellt. Am meisten davon gelangt nicht etwa durch Peelings oder andere Kosmetikprodukte in die Umwelt, sondern durch Autoreifenabrieb. Was man sonst noch alles über das Thema wissen sollte, haben wir bei einem Experten nachgefragt.

Prof. Dr. Gerd Liebezeit war einer der Ersten in Deutschland, die vor über zehn Jahren damit begannen, die Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt zu erforschen und gilt heute als renommierter Experte auf dem Gebiet der Meereschemie. Im Interview erklärt er, wo Mikroplastik vorkommt und welche Gefahren für uns und die Umwelt damit einhergehen.

Was versteht man unter Mikroplastik?

Spricht man von Mikroplastik, sind feste, wasserunlösliche synthetische Partikel oder Fasern, die eine maximale Größe von fünf Millimetern haben, gemeint. Eine Unterbegrenzung ist dabei nicht definiert. Im Allgemeinen wird zwischen zwei Arten von Mikroplastik unterschieden: Typ A wird gezielt hergestellt bzw. Produkten beigefügt, um eine bestimmte Eigenschaft zu verleihen (z.B. Peelingeffekt) und Typ B entsteht durch Nutzung des Menschen (z.B. Reifenabrieb auf Straßen oder Tragen und Waschen synthetischer Kleidung). Ist Plastik aber beispielsweise durch Littering (= Vermüllung) der Verwitterung ausgesetzt, können sich unter Einfluss von Licht, Sauerstoff und Wärme in einem langsamen Prozess der Fragmentierung Mikropartikel lösen und so ebenfalls in die Umwelt gelangen.

Wo kommt Mikroplastik überall vor?

Fast überall: Dazu gehören Produkte der Kosmetik-, Automobil-, Getränke-, Bekleidungsindustrie, aber auch die Landwirtschaft verursacht Mikroplastik. Während der Produktion und in der Nutzungsphase gelangen die Partikel und Fasern dann in Gewässer, den Boden oder in die Atmosphäre.

Welche Risiken birgt Mikroplastik für die Umwelt?

Das Tückische an Mikroplastik ist, dass es wie ein Magnet für Bakterien und Schadstoffe wirkt. Durch die Nahrungsaufnahme von Fischen oder Muscheln gelangen neben Mikroplastik also auch Giftstoffe in die Organismen. Diese können wiederum zu Krankheiten oder Fehlbildungen führen. Mikroplastik in der Atmosphäre setzt sich zudem in Blütenstempeln ab und wird so von Bienen zu Honig verarbeitet. Auf diese Weise bahnt sich Mikroplastik den Weg in die Nahrungskette des Menschen.

Und für die Gesundheit?

Studien, welche die humantoxikologischen Risiken von Mikroplastik untersucht haben, gibt es bisher keine. Bei einer Untersuchung von acht Stuhlproben aus aller Welt (u.a. Japan, Russland, Italien und Großbritannien), wurden jedoch in jeder Probe Rückstände von Mikroplastik nachgewiesen. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass die Konzentration im menschlichen Körper durch den Verzehr von Lebensmitteln wie Honig, Fisch oder Muscheln sehr gering ist und aktuell keine Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist.

Wieso wird Mikroplastik überhaupt für Kosmetika eingesetzt?

Mikroplastik-Partikel werden verwendet, um Produkten eine abschleifende Eigenschaft zu verleihen. Dazu gehören vor allem (mechanische) Peelings, aber auch Shampoos und Duschgels. Aus Kostengründen verwenden Hersteller dafür Plastik. Und das, obwohl der Kosmetikindustrie mit mikrokristalliner Zellulose, Salz, Kaffee oder gemahlenen Nussschalen zahlreiche nachhaltige Alternativen zur Verfügung stehen würden.

Wie finde ich heraus, ob Kosmetika Mikroplastik enthalten?

Ein prüfender Blick auf die Inhaltsliste nach INCI (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) liefert erste Indizien, ob Mikroplastik enthalten ist oder nicht. Finger weg von Produkten mit Inhaltsstoffen wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyamid (PA) oder Polyethylenterephtalat (PET). Mit zertifizierter Naturkosmetik ist der Verbraucher immer auf der sicheren Seite, denn dort wird konsequent auf Mikroplastik verzichtet.

Wenn Mikroplastik erst einmal in die Umwelt gelangt ist, was kann man dagegen tun?

Mikroplastik in Kosmetika gelangt durch Abwasser in den Umlauf. Moderne Kläranlagen sind in der Lage, etwa 90 Prozent davon herauszufiltern. Die dritte Stufe, der sogenannte Klärschlamm, ist dabei besonders wichtig und effizient. Die übrigen Partikel und Fasern gelangen auf direktem Weg in die Umwelt. Ist dies einmal passiert, ist es zu spät zum Handeln, denn es gibt keine Möglichkeit mehr, das Mikroplastik wieder „einzufangen“.

Wie können Konsumenten ihren Beitrag leisten?

Erst einmal sollten sich Verbraucher über die Problematik informieren. Dadurch wissen sie, worauf beim Kauf geachtet werden sollte. Konsequent Naturkosmetik zu kaufen, ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Fachgerechtes Entsorgen und Recycling von Verpackungen verhindert zudem, dass Mikroplastik mittels Fragmentierung in die Umwelt gelangt.

TIPP: Der Einkaufsratgeber vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) bietet einen guten Überblick über Kosmetika, die Mikroplastik enthalten. Die App Codecheck gibt in Echtzeit Auskunft darüber, ob Produkte Mikroplastik enthalten oder nicht.