TV-Moderator Jan Böhmermann hat vergangene Woche erneut die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Mit seinem neuesten Streich sorgt unser Lieblings-Provokateur dafür, dass der Sender RTL nun ganz schön in Erklärungsnot gerät.

Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben

Die Sendung „Schwiegertochter gesucht“, erheitert seit Jahren zahlreiche Zuseher mit ihren schrägen und ach-so-komischen Kandidaten, und hebt damit Fremdschämen auf ein ganz neues Level. Ein Teilnehmer hilfloser, verwirrter und verzweifelter als der andere: Darauf steht der Fernsehzuschauer. Je schräger die Protagonisten, desto höher die Quoten.

Medienkritik vom Feinsten

Da war es wohl höchste Zeit, dass jemand der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und darauf hinweist, wie gerne wir uns am Leid und der Blamage anderer Menschen ergötzen – und wie diese Menschen für unsere Erheiterung ausgenutzt werden.

Und wer, wenn nicht er? Jan Böhmermann hatte den genialen Geistesblitz, einen falschen Kandidaten bei „Schwiegertochter gesucht“ einzuschleusen, um damit aufzuzeigen, wie die Reality-Show mit ihren Teilnehmern umgeht und wie verwerflich diese Art der Unterhaltung eigentlich ist.

Je irrer, desto besser

Am vergangenen Donnerstag teilte der ZDF-Moderator in seiner Sendung mit, dass es sich bei dem „Schwiegertochter gesucht“-Kandidaten Simon Steinhorst (30) und seinem vermeintlichen Vater Andreas Schneiders (55) um Schauspieler handelt, deren Charaktere Herr Böhmermann und Team persönlich kreiert und eingeschleust haben. Und die könnten wohl nicht übertriebener sein – Simon stellte hierbei einen jungen, schüchternen und etwas zurückgebliebenen Eisenbahnliebhaber und Schildkröten-Fanatiker dar, der seine Suche nach der ganz großen Liebe in die „vertrauenswürdigen“ Hände von Moderatorin Vera Int-Veen und ihr über-engagiertes RTL-Team gibt.

Abzockvertrag und fragwürdiger Umgang

Mit versteckten Kameras deckte das ZDF-Team knallhart die fragwürdigen Produktionsmethoden der Sendung auf. So erhielten die Teilnehmer nur 150€ für ganze 30 Drehtage, also €5 pro Tag (€90.000 verdient der Sender mit einer Werbeminute während der Show), mussten schriftlich bestätigen, nicht an einer Behinderung zu leiden und sie waren gezwungen, einen vorgegebenen Text nachzusprechen. Auch der Charakter von Fake-Kandidat Simon, den Böhmermann und sein Team schon so wahnwitzig-absurd wie möglich gestalteten, wurde von RTL noch mehr ins Lächerliche gezogen. Aber seht selbst:

Landesmedienanstalt fühlt RTL auf den Zahn

Nun gerät RTL ordentlich in Erklärungsnot und gesteht den „Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht“ ein. „…Wir haben uns in ihn (den Kandidaten) ‚verliebt‘ und in diesem Fall gleichzeitig unsere redaktionelle Aufsichtspflicht missachtet. Wir werden dafür die Verantwortung übernehmen und inhaltlich sowie personell umstrukturieren.“, sagt Renße Jamm von der Produktionsfirma Warner Bros ITVP Deutschland GmbH.

Jetzt sollen die Vertragsdokumente, welche die Teilnehmer unterzeichnen müssen, offengelegt werden. „Die Art und Weise, wie die Produktionsfirma Verträge mit den Kandidaten abschließt und sie dabei bedrängt, erinnert stark an Haustürgeschäfte„, bestätigt Andreas Fischer, der Direktor der NML (Niedersächsische Landesmedienanstalt).

Ist das noch ok?

„Schwiegertochter gesucht“, „Bauer sucht Frau“, „Germany’s Next Topmodel“, „Teenager werden Mütter“ und Co sorgen tagtäglich für Erheiterung im Fernsehen. Was den Kandidaten vermeintlich helfen soll, entpuppt sich immer wieder als finanzielle Abzocke und öffentliche Bloßstellung von Menschen, die es selbst einfach nicht besser wissen. Ist diese Form der Unterhaltung moralisch vertretbar und „halb so wild“? Oder sollte es viel mehr Böhmermänner geben, die aufzeigen, wie widerlich unsere Gesellschaft ist, wenn es darum geht, sich am Leid anderer zu ergötzen oder – im Fall von RTL – richtig viel Geld mit ihnen zu machen?