Schon klar, das Jahr ist noch lange nicht vorüber. Aber mit „Senior Year“ hat Netflix schon kurz vor dem Sommer einen Film veröffentlicht, bei dem wir nur eine Frage haben: WARUM?!

Wir wollen unsere zwei Stunden zurück!

„Senior Year“: Wer hat sich dieses Konzept ausgedacht?

Woran denkt ihr, wenn ihr das Wort Teeniefilm hört? An Dreiecksbeziehungen, College-Bewerbungen oder doch den klischeehaften Weg vom Loser zum Schulhelden? Mit dem neuen Film „Senior Year“ wollte Netflix offenbar jedes nur erdenkliche Klischee des Genres abhaken – und gleichzeitig das Thema „Y2K“-Nostalgie in einen Film einbauen.

Gemacht wird das anhand er Lebensgeschichte von Stephanie Conway. Als Teenagerin arbeitet sie sich vom Loser zum Cheercaptain hoch und erlebt das Abschlussjahr ihrer Träume. Das heißt: heißer Freund, Nominierung zur Prom Queen und ein perfektes Leben, das auf sie wartet. Wäre da nicht ihre Rivalin Tiffany, die ihre Handlanger dazu anstiftet, eine Performance der Cheerleader zu sabotieren, sodass Stephanie nach einem Sprung nicht aufgefangen wird – sondern auf den Boden knallt und im Koma landet.

Vielversprechendes Konzept – tragische Umsetzung

Nein, das ist nicht die gesamte Handlung einer tragischen Coming-of-Age-Story, sondern die erste Viertelstunde des Films. Eine Viertelstunde, die eigentlich ganz schön unterhaltsam ist; gespickt mit frühen 2000er-Referenzen und einigen Highschool-Klischees, über die wir hinwegsehen können. Denn das musikalische Mashup zur Cheerleader-Choreographie ist einfach großartig – „Hot in Here“ haben wir auch Tage danach noch im Ohr. Unsere Erwartungen waren also ziemlich hoch.

Denn es sind 15 Minuten, die ein bisschen an „Mean Girls“ oder „Bring it on“ erinnern und uns von früheren Teenie-Klassikern träumen lassen. Doch dann wird eben dieser Traum von einer Handlung abgelöst, die einfach nicht funktioniert. Denn 20 Jahre nach ihrem Unfall wacht Stephanie (gespielt von Rebel Wilson) frischfrisiert und top gestylt aus dem Koma auf. In sekundenschnelle gewöhnt sie sich daran, dass sie ihre gesamte Jugend verpasst hat und in einer Zeit lebt, in der es keine Kassetten mehr gibt und Beliebtheit online gemessen wird.

Was auf dem Papier so klingt wie eine Mischung aus „Freaky Friday“ und „Ungeküsst“ entpuppt sich als zweistündige Vorstellung von Rebel Wilson, die mit gequälten Handbewegungen versucht, jung zu wirken. Denn dass Rebel eigentlich eine 17-Jährige im Körper einer 37-Jährigen spielt, nimmt man ihr in keiner Sekunde des Films ab. Auch nicht, als sie in ihr altes Kinderzimmer zurückkehrt oder zurück an ihre alte Schule geht, um dort ihren Abschluss (und die Krönung als Prom Queen) nachzuholen.

„Senior Year“: Hat irgendjemand darüber gelacht?

Das vielversprechende Konzept einer verwirrten jungen Frau im Körper einer Erwachsenen hier verliert sich nämlich in seiner eigenen Logik. Statt Handlung gibt es unzählige Fragen, die nie aufgeklärt werden. Wieso ist Stephanie etwa von der neuen Welt nicht vollkommen überfordert? Warum hat niemand untersucht, wie es überhaupt zu dem Unfall kommen konnte? Wann hat das Prom-Duo diese ausgefeilte Choreographie gelernt? Und wie ist es möglich, dass ihr ihre Jeans von damals noch passen? (wir haben ja schon Probleme, die Shorts der letzten Saison über unsere Knie zu bekommen!)

Statt witziger Zeitreise mit Nostalgie-Faktor gibt es in „Senior Year“ nur platte Vergleiche und „Witze“, die auf die Gen Z und ihre Werte abzielen sollen. Kennt ihr das, wenn ein Witz so schlecht ist, dass nicht einmal ein „Badum Tsss“ die situation retten kann? Wenn nicht, schaut euch einfach „Senior Year“ an. Wir sollen etwa darüber schmunzeln, dass junge Menschen sich lieber um Aktivismus kümmern, als in kurzen Röcken ein Basketballteam anzufeuern. Und liegt für euch nicht auch der größte Spaß darin, wenn eine erwachsene Frau mit ihrem Vater über Sex und Brüste spricht?

Nicht zu vergessen der größte Gag, als Stephanie darüber aufgeklärt wird, welche Wörter heutzutage problematisch sind. Oder die Szene, in der sich die nerdige beste Freundin als Direktorin und der nerdige beste Freund/der Typ, der insgeheim immer in sie verliebt als Bibliothekar entpuppen! Ihr seht, Humor wird in „Senior Year“ sehr lose definiert. Und auch wenn dahinter ein sarkastisches Konzept steht, das eventuell sogar Kritik am „Cheerleader“-Typus üben soll – es funktioniert einfach nicht!

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Flacher Humor statt Inhalt und Handlung

Denn in den zwei Stunden des Films lernen wir keine einzige Figur richtig kennen. Weder Stephanies alte Freunde, noch ihre neue Clique bekommen mehr als oberflächliche Stereotype aufgedrückt. Dramatische Familiendramen werden in wenigen Sekunden abgehandelt und auch der Zwiespalt zwischen Beliebtheit und echten Freunden ist einfach nicht ausgereift. Den gesamten Film über fragt man sich, wann es denn endlich losgeht (oder endlich vorbei ist) und bekommt nie wirklich eine Antwort darauf, worum es in dem Film wirklich geht.

Soll Stephanie ihre wahre Liebe finden (obwohl sie nie wirklich Gefühle für ihren besten Freund ausdrückt)? Soll sie das Klischee des Cheerleaders hinterfragen (obwohl der Film dann doch wieder mit einer Tanzperformance endet)? Oder geht es darum, wie schnell die Zeit vergeht und man der eigenen Jugend nicht hinterherlaufen soll (was schwierig ist, wenn man die Jugend im Koma verbracht hat)?

„Senior Year“: Zwischen „sexy“ Tanzmoves und aufgezwungener Moral

„Senior Year“ scheint selbst nicht ganz genau zu wissen, was es eigentlich sagen will. Und das, obwohl die Handlung – wenn sie auch sehr flach und verwirrt ist – von der ersten Sekunde an absolut durchschaubar ist. Stattdessen präsentiert der Film jede mögliche Moral, die man nur irgendwie finden kann. Als Auflockerung werden dann noch unzählige anzügliche Sprüche und zweideutige Witze hineingeworfen, um „edgy“ zu wirken.

Versteht uns nicht falsch: Ein guter zweideutiger Witz kann uns den Tag versüßen. Aber wenn die Punchline ist, dass Rebel Wilson nach ihrem Koma größere Brüste hat, ist das kein Witz, sondern einfach ein schlechtes Casting. Und auch die Blowjob-Tanzmoves bringen uns nur zum Fremdschämen.

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Als am Ende des Films auch noch die vierte Wand durchbrochen wird und Stephanie uns wie in der „Mini Playback Show“ ansingt, bleibt eigentlich nichts mehr übrig, außer sich ganz dem Cringe-Faktor hinzugeben. Und immerhin hat „Senior Year“ ja eines geschafft: Die 2000er-Musik bleibt im Gedächtnis. Alles andere würden wir gerne so schnell wie möglich vergessen!