Trotz heftiger Proteste sowohl von der Bevölkerung als auch von der Opposition, hat das Parlament in Ungarn am Dienstag (15. Juni) nun das umstrittene Anti-LGBTIQ-Gesetz verabschiedet. Kinder und Jugendlich dürfen damit nur noch eingeschränkt Informationen über Homosexualität und Transidentiät erhalten.

Das Parlament verteidigt die Gesetzesnovelle mit dem Argument des Jugendschutzes. Besonders erschreckend: Die christlich-konservative Partei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban koppelt den umstrittenen Entwurf an ein Gesetz, das schwere Strafen bei Pädophilie vorschreibt. Ein trauriger Rückschritt für die Rechte und Gleichstellung der LGBTIQA+-Community.

Ungarn verabschiedet Anti-LGBTIQ-Gesetz

Menschenrechtsorganisationen schlagen Alarm. Denn am Dienstag hat das ungarische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das verhindern soll, dass Kinder und Jugendliche neutrale Informationen über Homosexualität und Transidentität erhalten. Konkret gehe es darum, Minderjährigen keine Inhalte zugänglich zu machen, die zur Homosexualität oder einer Änderung des Geschlechts ermutigen. Das falle unter Jugendschutz, argumentiert die Regierung und erntet dafür heftige Kritik; einerseits von Menschenrechtsorganisationen und andererseits von der Bevölkerung sowie der linken und liberalen Opposition. So bezeichnet der Abgeordnete der Dialog-Partei Tímea Szabó das Gesetz etwa als „schädlich“ und wirft Regierungschef Viktor Orbán vor, er wolle damit „Hass gegen Homosexuelle im Land schüren“.

Besonders schockierend: Diese Neuverankerung läuft unter dem Namen „Gesetzesnovelle für ein strengeres Vorgehen gegen pädophile Straftäter und für den Kinderschutz“. Ursprünglich sei es zunächst darum gegangen, härtere Strafen für sexuelle Gewalt gegen Minderjährige zu verhängen, sowie die umstrittene Erstellung eines Pädophilen-Registers. Ende vergangener Woche erweiterten FIDESZ-Abgeordnete den Entwurf dann kurzfristig mit Bestimmungen, die eigentlich nichts mit Kindesmissbrauch zu tun haben. Ergänzend wird mit dem Verbot der Darstellung von Homosexualität die Informationsfreiheit von Jugendlichen zensiert. Am Dienstag wurde dieses Gesetz nun ungeachtet der Kritik von Menschenrechtsgruppen und Oppositionsparteien offiziell verabschiedet.

Bücher, Filme und sonstige Inhalte mit Homosexualität verboten

Mit dem Gesetz werden Bücher, Filme und andere Inhalte, in denen Homosexualität, Transidentität oder Geschlechtsanpassungen als gesellschaftliche Normalität dargestellt werden, für Kinder und Jugendliche verboten. Damit dürfen beispielsweise auch Mitarbeiter von Organisationen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen oder über anders gelebte Sexualität aufklären wollen, nicht mehr in Schulen geschickt werden. Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán wolle damit „die bei der Geburt empfangene geschlechtliche Identität des Kindes“ schützen.

Neben der Aufklärung in Schulen ist mit der Gesetzesnovelle künftig auch Werbung verboten, die etwa gleichgeschlechtliche Paare zeigt. Denn auch das fällt dann unter den Kinderschutz, der mit dem neuen Gesetz sichergestellt werden soll. Unter diese Zensur fallen dann übrigens auch die „Harry Potter“-Verfilmungen. Diese dürfen in Ungarn in Zukunft nur noch abends mit dem Vermerk, dass die Filme nicht für unter 18-Jährige geeignet seien, ausgestrahlt werden.

Gesetzesnovelle trotz Protestaktionen

Noch am Montagabend demonstrierten mehrere tausend Menschen vor dem ungarischen Parlament gegen das Gesetz, das Homosexualität unterm Strich mit Pädophilie gleichsetzt. Auch Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Novelle scharf. Damit spiele man mit dem Leben von Kindern, verletze ihre Rechte und fördere zudem Diskriminierung und die Ausgrenzung der LGBTQIA+-Community.

Ungarn droht nach Anti-LGBT-Gesetz Kürzung der EU-Gelder

Unterdessen reagiert auch die EU auf die ungarische Gesetzesnovelle. Das neue Gesetz zur Zensur von Materialien über Homosexualität an ungarischen Schulen könnte der EU-Kommission zufolge zu einer Kürzung der EU-Zahlungen führen. Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, verwies am Dienstag in einem Reuters-Interview kurz vor der Abstimmung im ungarischen Parlament auf das Vorgehen gegen Regionen in Polen. Diese hatten sich zu sogenannten „LGBT-freie“ Zonen erklärt. „Die Botschaft lautet: Wenn Sie die Werte der Demokratie oder Gleichheit der EU nicht hochhalten, sind Sie nicht berechtigt, Geld für Ihr Projekt zu erhalten.“ Die EU hatte bei mehreren polnischen Städten Gelder zurückgehalten.

Hinzu kommt, dass Ungarn als ein EU-Land den Grundsätzen der Grundrechtecharta unterliegt. Und diese Grundrechtecharta sieht auch einen Schutz sexueller Minderheiten vor. Die EU und Ungarn liegen schon länger im Streit um die Einhaltung der Charta. Denn bereits in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Verstößen gegen diese Charta.

Ungarn verbietet Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare

Die aktuelle Gesetzesnovelle ist nicht die erste Maßnahme zur Diskriminierung der LGBTQIA+-Community. So sorgte die Orbán-Regierung bereits in den vergangenen Monaten mit Gesetzesvorhaben für Schlagzeilen. So ist etwa die Adoption von Kindern von Singles und gleichgeschlechtlichen Paaren nur noch mit Ausnahmegenehmigung möglich. Zudem wurden Homosexuelle und Transmenschen bereits Ende vergangenen Jahres gezielt damit unter Druck gesetzt, dass die Regierung Geschlechterdefinitionen in die Verfassung schreiben wolle. Auch die Änderung des biologischen Geschlechts in amtlichen Dokumente nach einer Geschlechtsumwandlung wurde verboten.

Ein Jahr vor der Parlamentswahl spricht sich Orban mit der Gesetzesnovelle erneut zunehmend gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) sowie Migranten aus. Zwar hat die Fidesz seit 2010 drei Wahlen mit deutlicher Mehrheit gewonnen. Umfragen zufolge liegen die nun gemeinsam agierenden Oppositionsparteien jedoch gegenwärtig gleichauf.

(Quelle: Redaktion / Reuters)