Die österreichische Sängerin Virginia Ernst hat anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März einen Song geschrieben, in dem sie eine persönliche Geschichte ihrer Frau verarbeitet hat. „Looking In These Eyes Now“ heißt die Ballade, mit der sie an Frauen appelliert, sich auf ihre innere Kraft zu verlassen. Wir haben mit der 28-Jährigen über Gleichberechtigung, die Ehe für alle, ihr Coming Out und ihre Teilnahme bei Dancing Stars, wo sie als erste Frau mit einer Frau tanzen wird, geplaudert.

Wie ist der neue Song „Looking In These Eyes Now“ entstanden?

„Looking In These Eyes Now“ ist ein sehr emotionaler Song, der vor eineinhalb Jahren entstanden ist. Ich bin mit meiner Frau Dorothea im Garten zusammen gesessen und wir haben Gitarre gespielt. Da hat sie irgendwie ihren ganzen Mut zusammengefasst, um mir eine Geschichte aus ihrer Vergangenheit zu erzählen. Sie erzählte mir, dass sie vor ein paar Jahren in Neuseeland war und dort unterdrückt worden ist, sie wurde quasi misshandelt. Das Schlimmste für sie war, dass sie mit der Sache nicht abschließen konnte. Ich saß im Garten und wusste nicht, wie mir geschieht. Wir haben beide geweint. Dann habe ich meine Gitarre geholt und gesagt: „Schreiben wir einen Song darüber, damit du das los wirst!“ Der Song ist ihre Geschichte, mit der wir anderen Frauen Mut machen wollen, sich nicht mehr unterdrücken zu lassen und sich ihr Selbstbewusstsein zurückzuholen. Der Song ist eine Hymne für jede Frau, die erkennt, dass ihre Kraft aufzustehen, nur in sich selbst zu finden ist. Meine Frau ist mit ihren Erfahrungen nicht alleine, seit wir diesen Song geschrieben haben, sind bereits mehrere Frauen auf mich zu gekommen, die mir ähnliche Geschichten erzählt haben. Deswegen ist dieser Song unheimlich wichtig für den Internationalen Frauentag.

Du wirst ja als erste Frau bei “Dancing Stars” mit einer Frau tanzen. Wie ist das für dich, als Erste so ein starkes Zeichen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen setzen zu dürfen?

Ich habe – ehrlich gesagt – nicht wirklich darüber nachgedacht. Ich finde es einfach nur cool, dass ich so wie ich bin dort antanzen kann und meine Message weitergeben darf. Natürlich wird der ein oder andere ein Problem damit haben, aber das ist dann nicht mein Problem. Mir macht es Spaß und ich bin total motiviert. Ich glaube, Österreich braucht das gerade sehr.

War es deine Idee oder kam man direkt auf dich zu?

Ich habe überraschend einen Anruf vom ORF mit der Anfrage bekommen. Ich war gerade im Auto unterwegs und habe gesagt, dass ich nur zwei Bedingungen habe: Erstens, ich tanze in Männerkleidung und zweitens, ich tanze mit einer Frau. Die Verantwortlichen waren damit einverstanden, daraufhin habe ich zugesagt. Sie waren zwar schon etwas überrascht, aber das war mir einfach wichtig. Das war das Einzige, was ich unbedingt machen wollte. Anders hätte es mir nicht so viel Spaß gemacht, mitzumachen. Ich habe eine Botschaft: Und zwar, dass man so sein kann, wie man sein möchte! Ich muss immer an das Buch „Das kleine Ich bin Ich“ denken. Da wird es gefragt: „Was bist du jetzt?“ und es sagt: „Ich bin Ich“. Genauso sollte es sein. Man sollte niemanden mehr in Schubladen oder Kategorien stecken, sondern einfach mal die Person selbst sehen. Viele von uns haben dieses Schubladendenken. Über den Tellerrand hinauszuschauen, ist für viele schwierig. Und deshalb ist es für mich umso wichtiger zu vermitteln, dass man einen Menschen einfach als Menschen ansehen und jeder sein kann, wie er will.

Du bist ja seit 2017 verheiratet bzw. lebst in einer eingetragenen Partnerschaft. Ändert es für dich und deine Frau etwas, dass es jetzt die sogenannte Ehe für alle gibt?

Für uns ist es bereits jetzt schon eine Ehe. Für mich war das Ja-Wort sowieso schon ein „Ja“ zur Ehe und nicht zur Partnerschaft. Jeder kann es nennen, wie er möchte. Was auf dem Papier steht, ist nicht immer wichtig. Wir wollen es zwar schon noch umtragen lassen, aber unsere Ehe ist eine Ehe.

Wie war das generell für dich/euch, dass das mit der „Ehe für Alle“ in Österreich so lange gedauert hat?

Als es am 1. Jänner 2019 endlich beschlossen worden ist, habe ich gleich ein Posting gemacht. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Wobei „Ehe für alle“ für mich etwas abwertend klingt. Es hätte zwar schon viel früher passieren sollen, aber ich hab mich trotzdem total gefreut, dass wir, jetzt endlich auch in einem Zeitalter angekommen sind, wo man sagt: „Okay, wir akzeptieren es jetzt!“ – aber es hat schon echt eine Weile gedauert.

Wie war dein Coming Out?

Ich hatte nie ein Outing, ich war von klein auf immer sehr burschikos. Auch in der Volksschule habe ich immer schon sehr wie ein Bursch ausgeschaut. Die Mädchen haben meist gar nicht bemerkt, dass ich auch ein Mädchen bin. So haben sie mir zwanzig Jahre später gestanden, dass sie zu Volksschulzeiten in mich „verschossen“ waren. (lacht)

Viele junge Menschen wissen ja oft nicht wirklich, wie sie sich vor ihrer Familie oder im Freundeskreis outen sollen? Was würdest du ihnen raten?

Das fragen mich viele. Ich glaube, dass man meinen neuen Song auch in diese Richtung auslegen kann. Es ist einfach wichtig, den Mut zu fassen, um so zu sein, wie man sein möchte. Es sollte heutzutage auch kein Thema mehr sein, dass man Angst vor dem Outing hat. Mein Tipp: Sich selbst wirklich akzeptieren, damit hat man schon einen riesen Schritt gemacht.

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März gibt Virginia Ernst gemeinsam mit anderen Künstler ein Konzert im Novomativ Forum in Wien. Tickets gibt’s übrigens noch hier zu kaufen