Jahrelang verging kein Wochenende, an dem ich morgens nicht aus dem Club stolperte. Nun habe ich es geschafft ein paar Monate nichts zu trinken und glaubt mir, der Alkohol war mein geringstes Problem. Vielmehr sind es die Reaktionen, die man von anderen bekommt, wenn man auf Alkohol verzichtet. Nachdem ich jetzt die „andere Seite“ gesehen habe, ist es mir ein Anliegen, dass man diese fünf Dinge über Menschen, die sich bewusst dazu entscheiden, keinen Alkohol zu trinken, verstehen sollte.

Denn die Reaktionen darauf, dass man nichts trinkt, sind oft ziemlich daneben. Das muss sich ändern!

1. Es ist ziemlich arsch, andere zum Trinken verleiten zu wollen

Als jemand, der keinen Alkohol trinkt, wird man oft ungewollt zum Mittelpunkt des Abends gemacht. Nicht selten fand ich mich in Situationen wieder, wo ich mich umringt von mehreren Personen rechtfertigen musste, warum ich im Moment lieber „ohne“ will. Ziemlich respektlos, wie ich finde. Denn die Gründe dürfen auch gerne im Verborgenen bleiben. Vielleicht will er oder sie morgens einfach mal mit klarem Kopf aufwachen. Vielleicht hat er oder sie auch eine unliebsame Vorgeschichte mit Alkohol. Es könnte auch sein, dass der oder diejenige ein schweres Medikament nimmt, das mit Alkohol nicht kompatibel ist.

Ich muss vermutlich nicht erwähnen, dass Frauen im gebärfähigen Alter gleich mal unterstellt wird, schwanger zu sein. Ist der Grund für andere nicht nachvollziehbar, fühlt es sich fast so an, als wäre der Verzicht auf Alkohol eine Art Urteil über ihre oder seine Entscheidung, Alkohol zu trinken. Jede Person, die nichts trinkt, hat sicher schon tausendmal den Satz gehört „Komm schon, ein Glas kannst du doch trinken“. Ich selbst habe ihn in der Vergangenheit auch oft genug gesagt. Aber wir fordern andere ja auch nicht auf, mit dem Trinken aufzuhören – und umgekehrt sollte man das erst recht nicht tun!

2. Wir sind keine Babysitter:innen

Die meisten Menschen, die beim Feiern nicht trinken, sind sicher kollegial genug, um dafür zu sorgen, dass ein betrunkener Freund oder eine betrunkene Freundin am Ende sicher nach Hause kommt. Aber diejenigen, die beim Fortgehen auch Alkohol trinken, sollten nicht immer davon ausgehen, dass die Verantwortung für ihre Sicherheit bei denjenigen liegt, die es nicht tun. Die Rolle des:r designierten Fahrers:in ist keine schöne. Wir alle können uns Prickelnderes vorstellen, als wenn der Abend schon längst seinen Höhepunkt überschritten hat, warten zu müssen, wie die eigenen Freunde immer betrunkener und – sorry to say – viele auch anstrengender werden.

3. Die Rechnung zu teilen ist nicht fair

Wer abends mal gesellschaftlich in einer großen Gruppe unterwegs ist, hat sicher schon den Vorschlag erlebt, die Rechnung einfach zu splitten. Was im ersten Moment ganz ok klingt, ist denjenigen, die keinen Alkohol trinken, gegenüber oft ziemlich unfair. Nachdem sich viele in dieser Situation ohnehin schon etwas außen vor fühlen, stimmen sie der Sache zu, um nicht kleinlich herüberzukommen. Wer dann aber doch für sein oder ihr Recht einsteht, wird häufig als geizig verurteilt. Dabei machen die Getränke einen beträchtlichen Teil der Rechnung aus. Und genau deshalb sollten gerade diejenigen, die alkoholische Getränke konsumieren, ihre Stimme für die, die es nicht tun, erheben und darauf bestehen, dass diese nur ihren Anteil zahlen.

4. Es braucht mehr anti-alkoholische Alternativen in Clubs und Restaurants

In manchem Club und Restaurants ist es leider immer noch so: Warum muss man sich damit zufriedengeben, die ganze Nacht überteuertes Mineralwasser zu schlürfen? Auch Menschen, die keinen Alkohol trinken, wollen als Gast wahrgenommen werden, und haben auch Lust, leckere Getränke zu konsumieren. Auf einer Heimparty wurden mir kürzlich ausschließlich alkoholische Getränke angeboten. Auf meine Aussage, ich würde nicht trinken, reagierte die Gastgeberin sichtlich verwirrt. Und am Ende fühlte ich mich an diesem Abend mit einem Glas Champagner in der Hand (aus dem ich nicht trank) wohler als mit einem Glas Wasser. Einfach, um mir weitere blöde Kommentare zu ersparen.

5. Partys sind mehr als ein Streben nach Rausch

Wie oft habe ich mich wegen der Reaktion anderer schon als „Spaßbremse“ oder gar als „Anstandswauwau“ gefühlt. Doch nur, weil ich nichts trinke, heißt das noch lange nicht, dass ich keinen Spaß haben kann. Nicht jedem:r steht bei Partys der Sinn nach Rausch! Oft geht es einfach um gute Gespräche oder darum, zu tanzen und sich der Musik hinzugeben. Und ja, das geht auch sehr gut ohne Alkohol! Ich würde mir einfach wünschen, in Zukunft nicht mehr für diese Entscheidung, nichts zu trinken, schief angeschaut oder gar kritisiert zu werden. Denn in Wahrheit ist es das, was keinen Spaß macht! Ich jedenfalls will versuchen all diese Dinge im Hinterkopf zu behalten, wenn ich wieder mal mit Alkohol unterwegs bin.