Gefühlt steigt die Zahl derer, die dieses oder jenes nicht vertragen oder allergisch sind, seit Jahrzehnten. Doch woher kommt der Trend und vor allem: spiegelt er auch die Realität wider?

Wohl jeder, der nicht selbst betroffen ist, dürfte zumindest in seinem engeren Lebensumfeld eine Person kennen, die es hat: Gluten- oder Laktoseintoleranz, Nuss-Allergie, Heuschnupfen. Klassische Zivilisations-Zipperlein, könnte man meinen. Doch woher kommt das? Was sind die Ursachen und ist vielleicht auch nur mehr Aufmerksamkeit gegenüber Gesundheitsthemen ein Teilschuldiger? Der folgende Artikel will diese Fragen beleuchten.

Etwas Grundwissen

Allergie ≠ Unverträglichkeit

Doch zunächst muss man der Sorgfalt wegen Aufklärungsarbeit leisten. Denn Unverträglichkeiten und Allergien sind medizinisch gesehen stark unterschiedliche Dinge, die jedoch in Laien-Diskussionen oft synonym und/oder falsch genannt werden.

  • Allergien sind eine immunologische Überreaktion des Körpers auf etwas, das er als bekämpfenswerten Eindringling ansieht. Das können Nahrungsmittelbestandteile sein, aber auch pflanzliche, pilzliche oder tierische Stoffe. Die Allergie zeichnet sich dadurch aus, dass die Reaktionen, unabhängig von der Einnahmemenge, immer gleich-heftig und sehr schnell auftreten und teilweise lebensbedrohende Züge annehmen können. Und: Allergien sind dadurch, dass der Organismus Antikörper gebildet hat, auch sehr einfach im Blut nachzuweisen.
  • Unverträglichkeiten/Intoleranzen zeichnen sich dadurch aus, dass der Körper bestimmte Stoffe nicht richtig verarbeiten kann. Die Reaktionszeit ist dabei wesentlich länger und kann mehrere Stunden betragen. Zudem fallen die Symptome je nach zugeführter Menge unterschiedlich stark aus, sind aber niemals lebensbedrohend. Ferner lassen sich Unverträglichkeiten mangels Antikörpern auch nicht im Blut nachweisen.

Bei einem weiteren Punkt treffen jedoch Allergien wie Intoleranzen aufeinander: Beide können sich für die Betroffenen gefühlt „urplötzlich“ entwickeln – oftmals nach beschwerdefreien Jahrzehnten.

Plötzlich Allergiker

Bei den Allergien hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel hinsichtlich der Grundlagenforschung getan. Noch um den Jahrtausendwechsel war es gängige Ansicht, dass die allermeisten allergischen Reaktionen sich in frühester Kindheit entwickelten. Heute indes ist das Bild differenzierter und die Forschung weiß, es gibt kein „sicheres Alter“. Auch Menschen, die beispielsweise seit Jahrzehnten keine Probleme mit Pollen hatten, können plötzlich darunter leiden.

Die genauen Mechanismen, die dazu führen, sind jedoch nicht gänzlich erforscht. Derzeitiger Wissensstand ist, dass der Körper seine Toleranzschwelle für Allergene im Laufe des Lebens senken kann und diese auch durch Stress negativ beeinflusst wird. Allergene sind dabei immer körperfremde Eiweiße. Dringen sie in den Körper ein, erfolgen unterschiedliche Reaktionen. Der Nicht-Allergiker reagiert der Bedrohung angemessen – das kann, etwa bei Pollen, auch gar keine fühlbare Reaktion bedeuten. Beim Allergiker jedoch sorgen seine Antikörper dafür, dass der Botenstoff Histamin in viel zu großen Dosen ausgeschüttet wird. Es folgen die typischen Symptome wie Juckreiz, Atemnot, Schwellungen.

Plötzlich intolerant

Auch bei Unverträglichkeiten kann es Jahrzehnte dauern. Doch hier sind die Grundlagen etwas besser verstanden und auch die Gründe einfacher zu erklären: Jeder Nährstoff, den wir zu uns nehmen, benötigt vom Körper hergestellte Enzyme, um zerlegt und verwertet zu werden. Doch diese Enzymproduktion kann sich im Laufe des Lebens ändern. Irgendwann kommt der Punkt, an dem beispielsweise zu wenig Lactase produziert wird – das Enzym sorgt dafür, dass Milchzucker verdaut wird. Wird er nicht mehr adäquat zerlegt, beginnt Milchzucker, im Darm regelrecht zu gären. Es kommt zu Blähungen, Übelkeit, Aufstoßen – Laktoseintoleranz. Ganz ähnlich verläuft es bei praktisch allen anderen Unverträglichkeiten.

Der Weg zum Arzt

Dabei muss jedoch unterstrichen werden, dass letzten Endes nur ein Mediziner Auskunft darüber geben kann, ob man unter Allergien oder Unverträglichkeiten leidet. Sich selbst zu diagnostizieren, ist bestenfalls falsch, kann jedoch im Falle von Allergien auch ernsthafte Folgen nach sich ziehen. Und: Es gibt auch einen Mittelweg zwischen Allergie und Unverträglichkeit, bzw. kann das eine das andere nach sich ziehen.

Zivilisationskrankheiten?

Die nackten Zahlen

Eingangs wurde erwähnt, dass gefühlt jährlich mehr Menschen hinzukommen, die unter Allergien und/oder Unverträglichkeiten leiden. Dies lässt sich auch mit Zahlen unterfüttern. So weiß die Österreichische Ärztezeitung dass bei 34,4% aller Österreicher während ihres Lebens eine Allergie vom Facharzt diagnostiziert wird. Dabei sind jedoch vor allem die Zahlen der Unverträglichkeiten auch mit Vorsicht zu genießen. Denn hier kommt es zu einer deutlichen Diskrepanz zwischen echten und gefühlten Krankheiten. Fazit ist jedoch, dass sowohl die Zahlen der Allergiker, wie auch der eigen- und fremddiagnostizierten Unverträglichen tatsächlich seit Jahren im Anstieg befindlich sind.

Echte Gewissheit bringt oft nur ein Allergietest beim Facharzt.
fotolia.com © Gerhard Seybert Echte Gewissheit bringt oft nur ein Allergietest beim Facharzt.

Mehr durch Awareness?

Awareness, der eingedeutschte Begriff für Bewusstsein. Damit lässt sich ein Teil der gestiegenen Zahlen, insbesondere im Bereich der Unverträglichkeiten, erklären. Der Durchschnittsmensch von heute ist über medizinische Themen weitaus besser informiert als sein Vorfahr vor wenigen Jahrzehnten. Ein Grund dafür ist das Internet.

Ein weiterer ist die generell gestiegene Berichterstattung. Allerdings handelt es sich hier auch um ein zweischneidiges Schwert. Denn wie die obige Grafik zeigt, fanden zwar viele Menschen erst durch solcherlei Berichte heraus, dass sie eine Unverträglichkeit haben. Umgekehrt jedoch steigern solche Meldungen auch die falsch-positiven Zahlen derer, die aufgrund der geschilderten Symptome nur glauben, an einer Intoleranz zu leiden. Das zeigt sich besonders anschaulich bei der hochkomplexen Gluten-Unverträglichkeit. Diese kann tatsächlich durch Krankheit, etwa die Zöliakie, ausgelöst werden. Jedoch fand eine Studie auch heraus, dass von 400 selbstdiagnostizierten Gluten-Unverträglichen nur 55 tatsächlich medizinisch als solche einzustufen waren. Der Rest reagierte entweder auf andere Nahrungsbestandteile oder hatte sogar nur Schein-Symptome, die durch den Glauben an eine echte Unverträglichkeit ausgelöst wurden.

Früher war alles besser(?)

Natürlich ist es an dieser Stelle für manche Menschen ein Leichtes, die große „Früher-Keule“ zu schwingen. Denn der Beweis ist ja erbracht, dass es früher weniger Allergien und Intoleranzen gab. Allerdings muss dazu auch erwähnt werden, dass die früheren diagnostischen Fähigkeiten auch signifikant geringer waren. Soll heißen, wer heute durch einen einfachen Bluttest beim Hausarzt die Chance hat, höchstpräzise als Allergiker diagnostiziert zu werden, hatte das vor Entwicklung entsprechender Techniken nicht oder weitaus weniger eindeutig. Ganz zu schweigen von den Behandlungsmethoden, wie etwa Antihistamine

Früher hieß es dann im Zweifelsfall „Diagnose unbekannt“ und Betroffene hatten mit einem oft lebenslangen Leidensweg zu kämpfen, wo die Lösung vielleicht nur der Verzicht auf ein bestimmtes Lebensmittel gewesen wäre. Zudem muss auch beachtet werden, dass heute – ebenfalls dank Internet – auch viele Informationen aus weniger seriösen Quellen stammen. Jeder kann in einem Blog schreiben, dass beispielsweise Allergien durch Impfungen ausgelöst werden und es werden sich auch genug Menschen finden, die dem Glauben schenken. Wahrer wird die Aussage dadurch jedoch nicht, denn Allergien und Impfungsraten haben keinen Zusammenhang. Bloß glauben es nun mehr Menschen und sehen darin einen Pseudo-Beweis, dass früher alles besser gewesen sei.

Ein breites Spektrum an Gründen

Es ist also bewiesen, dass Allergien und Intoleranzen nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich zunehmen. Doch die Gründe dafür sind eine ganz andere Sache, denn sie sind unglaublich vielfältig und müssen gesondert erörtert werden. Das ist insbesondere deshalb eine delikate Angelegenheit, weil sich in diesem Bereich sehr viel Halb- und Falschwissen finden lässt.

Ja: Hygiene

Übertriebene Sauberkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Allergien entstehen. Das ist wissenschaftlicher Konsens. So fand eine großangelegte Studie heraus, dass Kinder, die auf Bauernhöfen mit all den dort zu findenden tierischen, pflanzlichen und pilzlichen Allergen-Herausforderungen aufwuchsen, signifikant seltener an Allergien litten, als solche, die in urbanen Haushalten lebten.

Der Grund dafür ist einfach: Jeder Kontakt mit Allergenen schult das Immunsystem. Und je häufiger der Kontakt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu allergischen Überreaktionen kommt. Hier wirkt nicht nur der generelle „Putzwahn“ vieler Menschen negativ, sondern auch die Tatsache, dass immer mehr Haushaltsreiniger durch antibakterielle Zusätze wirklich „porentiefe“ Reinheit herstellen und so dem Immunsystem eine Umwelt frei von jeglichen Erregern präsentieren. Kommt es nun anderswo damit in Kontakt, besteht schnell die Gefahr für Überreaktionen.

Vielleicht: Gentechnik

Das gesamte Thema ist ein Emotionales. Besonders leidenschaftlich wird der Kampf um die Ursachen-Deutungshoheit über Allergien und Intoleranzen jedoch unter dem Stichwort Gentechnik geführt. Fakt ist, genetisch veränderte Dinge finden sich nicht nur auf unserem Speiseplan. Darüber hinaus wird es jedoch sehr schwer, echte Tatsachen von Verschwörungstheorien zu unterscheiden.

Dazwischen gibt es unzählige Abstufungen. Und die einzige Sicherheit ist, dass die Technik, insbesondere weil sie so tiefgreifend ist, vor allem in ihrer Langzeitwirkung noch kaum ausreichend genug erforscht ist, um eine wirklich sichere Aussage treffen zu können. Wirklich seriös ist nur: „die Vermutung steht im Raum“.

Gentechnik in der Landwirtschaft hat zwar einen sehr schlechten Ruf. Ein unumstößlicher Beweis für den Allergie-Zusammenhang steht jedoch noch aus.
fotolia.com © Ingo Bartussek Gentechnik in der Landwirtschaft hat zwar einen sehr schlechten Ruf. Ein unumstößlicher Beweis für den Allergie-Zusammenhang steht jedoch noch aus.

Ja: Klimawandel

Der Klimawandel ist für vieles verantwortlich, tatsächlich auch für Allergien. Der Grund dafür ist einfach: Es wird tendenziell wärmer auf der Erde. Dadurch beginnt für viele Pflanzen und Gräser die Pollensaison früher, sie treiben wesentlich stärker aus. Das sorgt nicht nur bei bereits diagnostizierten Allergikern für schärfere Ausprägungen, sondern kann gemäß der erklärten Toleranzschwelle bislang symptomfrei Lebende auch erst zum „echten“ Allergiker machen.

Vielleicht: Antibiotika

Dass die Erfindung und der massenhafte Einsatz von Antibiotika für die rasant gestiegenen Lebenserwartungen verantwortlich sind, ist unstrittig. Antibiotika sind ein Lebensretter, der viele Krankheiten, die noch vor Jahrzehnten tödlich endeten, handhabbar machte.

Ebenso unstrittig ist es jedoch auch, dass der Antibiotikaverbrauch heute generell zu groß ist. Dass viele Erreger Antibiotikaresistenzen entwickelten, ist nicht nur freigiebig verschreibenden Ärzten zu verdanken, sondern auch der Tierhaltung, in der das Geben von Antibiotika oftmals schon Routine statt Ausnahme ist.

Doch auch hier gilt ähnliches wie bei der Gentechnik. Es kann, muss aber nicht in Zusammenhang mit Allergien und Unverträglichkeiten stehen. So bestätigte erst eine kürzliche Studie, dass Kinder, die früh Antibiotika bekamen, zwar wahrscheinlich später häufiger unter Allergien und Unverträglichkeiten leiden. Allerdings zeigte die Studie keinen Anstieg der Sensibilisierungsraten – also der Gesamtzahl an immunologischen Überreaktionen.

Ja: Globalisierung

Als die Europäer die „Neue Welt“ in Süd- und Nordamerika entdeckten, hatte das für die dortigen Einwohner verheerende Folgen. Millionen wurden durch eingeschleppte Krankheiten getötet, gegen welche die Europäer durch den Dauerkontakt mit den Erregern seit langem Resistenzen entwickelt hatten, die amerikanischen Ureinwohner jedoch nicht.

Ganz ähnlich, wenngleich schwächer, funktioniert auch der heutige Wirkkreislauf unserer globalisierten „kleiner gewordenen“ Welt. Dadurch, dass jeder Mensch heute täglich mit Pollen, Viren, Erregern aus aller Welt in Kontakt kommen kann – sei es durch eingeschleppte Pflanzen oder im Ausland produzierte Nahrungsmittel – sind die Raten, mit denen sich unser Immunsystem an Neues gewöhnen muss, sprunghaft angestiegen. Praktisch jeder Urlauber machte schon mal die Erfahrung, dass er in den ersten Tagen in der Ferne grippale Symptome zeigte – eine der Auswirkungen. Und bei empfindlicheren Personen können auf die gleiche Weise auch Allergien bzw. Unverträglichkeiten entstehen.

Zu oft werden Antibiotika in der Tierhaltung zur Krankheitsverhütung statt -behandlung eingesetzt. Das senkt deren Effizienz langfristig sehr stark.
fotolia.com © torwaiphoto Zu oft werden Antibiotika in der Tierhaltung zur Krankheitsverhütung statt -behandlung eingesetzt. Das senkt deren Effizienz langfristig sehr stark.

Vielleicht: Veränderte Essgewohnheiten

Für Verfechter der folgenden Theorie erscheint die Beweiskette lückenlos: Früher wurde alles, was der Mensch aß, in einem Umkreis von höchstens hundert Kilometern um seinen Wohnort hergestellt, war biologisch angebaut und saisonal. Heute hingegen kommen unsere Kartoffeln aus Ägypten, die Zwiebeln aus China, der Apfelsaft aus Mexiko. Schon das kann natürlich ein Risiko sein. Doch es geht noch weiter.

  • Farbstoffe
  • Aromen
  • Konservierungsstoffe
  • Geschmacksverstärker
  • Verdickungsmittel

sind zwar teilweise natürlichen Ursprungs, stammen jedoch ebenso häufig aus dem Labor. An diesem Punkt bestehen natürlich die gleichen Probleme wie bei der Gentechnik: Die Langzeitfolgen sind nicht wirklich absehbar. Und natürlich ist es auch möglich, dass durch diese globalisierte und chemisch veränderte Nahrung die Zahlen an Allergikern nach oben gehen. Allerdings weiß die Wissenschaft heute nach unzähligen Studien auch, dass das vermehrte Verbraucherwissen um die potenziellen Risiken auch zu einem Nocebo-Effekt geführt hat, bei dem viele Intoleranz- bzw. Allergie-Symptome zeigen, obwohl der Körper nicht wirklich negativ reagiert.

Ja: Industriezucker

Wer auf seine Ernährung achtet, der weiß schon seit vielen Jahrzehnten, dass Zucker eine der Zutaten ist, die man im Kampf gegen Übergewicht vermeiden sollte. Nach und nach strömt jedoch immer mehr zusätzliches Wissen über den Süßmacher in das Allgemeinwissen hinein. Dass es beispielsweise etwas wie „Versteckten Zucker“ gibt, der in unzähligen Lebensmitteln zu finden ist, auch wenn diese gar nicht süß schmecken, ist mittlerweile auch geläufig.

Wesentlich weniger bekannt ist jedoch, dass Zucker auch Negativauswirkungen auf das Immunsystem und die Verdauung hat. Er ist also nicht nur Allergieauslöser, sondern auch für Unverträglichkeiten verantwortlich:

  • Allergien werden vom Zucker deshalb ausgelöst, weil sein Konsum die Zahl weißer Blutkörperchen im Körper reduziert. Diese sind eine der wichtigsten Antworten unseres Körpers auf Krankheitserreger, weil sie die Universalabwehr gegen sämtliche Herausforderungen zwischen Viren, Bakterien und Pilzen sind sowie für die Antikörperproduktion unerlässlich.
  • Intoleranzen löst Zucker deshalb aus, weil er die Darmflora negativ beeinflusst. Er sorgt dafür, dass für den Körper positive Bakterien und Pilze verdrängt werden, negative jedoch besser gedeihen. Dadurch kann es zu Wechselwirkungen kommen, bei denen der Körper auf andere Nahrungsmittel unverträglich reagiert.

Zwar gelten diese Wirkungen für alle Zuckerarten – auch den als „gesund“ beschriebenen Fruchtzucker. Besonders ist dabei jedoch weißer, aus industrieller Herstellung stammender Zucker als Übeltäter verantwortlich. Dies auch, weil er in bedeutendem Maße zu den versteckten Zuckern gehört.

Vielleicht: Übertriebene Arztbesuche

Viele Länder der „Ersten Welt“ haben ein sehr gut organisiertes Gesundheitssystem, das es den Bürgern ermöglicht, problemlos und für jedes „Zipperlein“ den Arzt bzw. Apotheker aufzusuchen. Daran ist prinzipiell erst mal nichts Negatives feststellbar, denn erst diese flächendeckende Versorgung sorgte dafür, dass viele einstige Zivilisationsgeißeln bei uns mehr oder weniger ausgerottet wurden.

Allerdings hat diese Tatsache auch den Seiteneffekt, dass das menschliche Immunsystem, und da speziell die Selbstheilungskräfte, heute nur in viel geringerem Maße gefordert werden. Wer heute einen Schnupfen hat, deckt sich beim Apotheker mit Tabletten und Fläschchen ein. Wer Durchfall hat, bremst diese eigentliche Selbstreinigungsfunktion unseres Darms durch Einnahme entsprechender Blocker.

Und obwohl das Immunsystem bzw. seine Fähigkeiten nicht zwischen den Generationen vererbt wird, hat das auf den einzelnen Menschen bezogen zur Folge, dass seine Abwehrkräfte umso schwächer sind, je mehr er dazu tendiert, bei Krankheiten gleich mit der vollen Kraft des pharmazeutischen Arsenals zu antworten, statt auf die Selbstheilungskraft seines Körpers zu vertrauen. Das ist zwar nicht bei jedem Menschen der Fall, aber signifikant genug, um wissenschaftlich als ein Faktor für die Allergie-Ausbreitung angesehen zu werden.

Die eigenen Selbstheilungskräfte durch zu häufige, verfrühte Medikamenteneinnahme zu hemmen, ist nie gut und begünstig wahrscheinlich auch Allergien.
fotolia.com © fizkes Die eigenen Selbstheilungskräfte durch zu häufige, verfrühte Medikamenteneinnahme zu hemmen, ist nie gut und begünstig wahrscheinlich auch Allergien.

Fazit

„Werden wir immer empfindlicher?“ fragt die Überschrift. Doch so klar, wie der Inhalt des Artikels es vermuten lässt, ist die Kernaussage nicht. Ja, wir werden insgesamt empfindlicher, weil es für uns als Zivilisation heutzutage viel weniger Möglichkeiten gibt, aus diesem Bombardement von Antibiotika-Fleisch, Globalisierung und Klimawandel zu entkommen. Und deshalb steigen tatsächlich die Zahlen an Allergikern und Unverträglichkeiten. Gleichsam lautet die Antwort jedoch auch nein, wir werden als Einzelpersonen nicht empfindlicher. Denn unser Immunsystem hat wie erwähnt kein genetisches Gedächtnis. Jeder Mensch, der sämtliche zuvor genannten Auslöser für sich eliminieren könnte, hätte ein signifikant verringertes Risiko. Bloß wird genau das immer schwerer – obschon bereits heute die Supermarktregale vor „Bio“ nur so wimmeln und immer mehr Menschen zum Eigenanbau von Gemüse zurückkehren. Die Lösung kann deshalb nur lauten, für sich selbst und seine Familie Lösungswege zu erarbeiten, die das eigene Immunsystem maximal kräftigen und die schlimmsten Auslöser von ihm fernhalten.