Sex soll (und das können wir gar nicht oft genug betonen) immer einvernehmlich stattfinden! Das sieht auch die Mehrheit der Gesellschaft so. Doch eine neue Umfrage-Studie zeigt nun auch: Jeder sechste Mann befürwortet Sex, wenn die Partnerin oder der Partner schläft. Dabei kann es sich aber je nach Situation um Schändung handeln. 

Noch immer ist Gewalt gegen Frauen ein stark tabuisiertes Thema. Dabei gibt es einige Warnzeichen einer toxischen Beziehung – mehr dazu findet ihr hier.

Jeder sechste Mann findet Sex mit schlafendem Gegenüber okay

Was Einvernehmlichkeit beim Sex betrifft, gibt es wohl noch immer unterschiedliche Vorstellungen – vor allem bei den Männern. Doch was zählt als Vergewaltigung? Ist es unromantisch, wenn man nach der Zustimmung fragt? Und ist Schweigen ein Ja für mehr? Diese und weitere Fragen hat das Meinungsforschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Amnesty International Schweiz rund 1000 Personen in der Schweiz gefragt. Und die Erkenntnis aus der Umfrage ist zum Teil schockierend.

So ist es vor allem für Männer okay Schlaf-Verkehr mit der Partnerin oder dem Partner zu haben. 15 Prozent der Männer und lediglich vier Prozent der Frauen interpretieren es als Einwilligung des Gegenübers zum Sex, wenn die Person schläft und sonst immer zustimmt.

Bedenkliche Tedenz

Ein bedenkliches Ergebnis, das aber auch mit einer Tendez auf Social Media korelliert. Auf TikTok berichten immer mehr Frauen verschiedenster Länder, dass ihr Freund mit ihnen Sex gehabt habe, während sie schliefen. Auch im britischen Studentenforum „The Student Room“ schildern etliche Studentinnen, wie sie erwacht seien, weil ihr Freund oder Date mit ihnen Sex gehabt habe.

So schreibt etwa Userin Anonymous #1, sie habe leicht geschlafen, als sie gemerkt habe, dass „etwas Seltsames vor sich ging“. Zuerst habe sie es ignoriert. „Aber als ich richtig wach war, war mein Freund komplett nackt auf mir. Ich hatte weder meine Unterhosen noch mein Pyjama an.“ Im Betreff der Beiträge fragen viele: „Hat mich mein Freund vergewaltigt?“. Eine Frage, die auch viele Fachpersonen beschäftigt.

Überholte Vorstellungen zum Thema Sex und Gewalt

Die aktuelle Studie aus der Schweiz zeigt nun, dass bei einem Teil der Bevölkerung noch immer überholte Vorstellungen zum Thema Sex und Gewalt vorherrschen. Die Studienautoren resümieren zwar, dass die Mehrheit der Teilnehmenden angab, sich rücksichtsvoll zu verhalten – das heisst, es wird aktiv sichergestellt, dass das Gegenüber mit sexuellen Handlungen einverstanden ist, Grenzen werden respektiert und übergriffiges Verhalten wird weder selbst ausgeübt noch toleriert. „Doch die Studie macht immer wieder Meinungen ersichtlich, die auf problematisches Verhalten und Einstellungen hinweisen.“, heißt es seitens der Autoren.

Großes Diskrepanz zwischen Mann und Frau

In der Interpretation, was als Zustimmung zu werten ist und was nicht, bestehen demnach also große Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer interpretieren verschiedenste Verhaltensweisen viel eher als Zustimmung, als dies bei Frauen der Fall ist. Auf die Frage „Welches Verhalten interpretieren Sie als Einwilligung des Gegenübers zum Geschlechtsverkehr?“ stimmten Männer und Frauen folgenden Aussagen wie folgt zu:

  • „Wenn die Person bereits zuvor zu einer anderen sexuellen Handlung eingewilligt hat“: 50 Prozent der Männer (Frauen 27 Prozent)
  • „Wenn die Person aufreizend gekleidet ist und mit mir geflirtet hat“: 37 Prozent der Männer (Frauen 21 Prozent)
  • „Wenn die Person nachgibt, nachdem ich sie überredet habe“: 34 Prozent der Männer (Frauen 12 Prozent)
  • „Wenn sich die Person nicht aktiv gegen meine Handlungen wehrt“: 27 Prozent der Männer (Frauen 21 Prozent)
  • „Wenn die Person früher einmal zugestimmt hat“: 26 Prozent der Männer (Frauen 13 Prozent)
  • „Wenn die Person schläft und sonst immer zustimmt“: 15 Prozent der Männer (Frauen 4 Prozent)

Im Klartext: Wenn ein Sexpartner früher einmal einverstanden war, findet jeder vierte Mann, gilt das für immer. Und wenn seine Partnerin, sein Partner schläft und nicht Nein sagen kann, hat immer noch jeder sechste Mann das Gefühl, Sex sei einvernehmlich. Frauen, so zeigt die Umfrage, sehen das deutlich anders.

Hier findet ihr Hilfe bei sexualisierter Gewalt:

Wenn ihr von Gewalt betroffen seid oder euch zum Thema informieren wollt, beziehungsweise über eure Situation sprechen wollt, gibt es viele Anlaufstellen, bei denen ihr Hilfe bekommt:

  • Frauennotruf (Österreich): 01 71719
  • Frauenhelpline (Österreich): 0800 222 555
  • Männernotruf (Österreich): 0800 246 247
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (Deutschland): 08000 116 016
  • Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (Deutschland): 0621 16853705
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (Deutschland): 0800 22 55 530
  • Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (Schweiz): 44 278 99 99
  • Frauenberatung sexuelle Gewalt (Schweiz): 044 291 46 46
  • Opferhilfe (Schweiz): Hier gehts zur Webseite
  • Euronotruf: 112