In einer gemeinsamen Erklärung appellieren nun Verwaltungsrichter an die österreichische Regierung, die Grundsätze des Rechtsstaats nicht außer Kraft zu setzen. Denn die Coronavirus-Krise dürfe nicht als „Deckmantel für den Beginn einer neuen Ära intensiver digitaler Überwachungstechnologien benutzt“ werden. Zudem kritisieren sie die Eingriffe in die Grundrechte per Erlass.

Laut Sprecher Markus Thoma wäre ein schnellerer Rechtsschutz besonders wichtig.

Tracking-App: Unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte

In den letzten Wochen hörte man unter anderem von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass die Regierung eine verpflichtende Nutzung der Kontakt-Tracking-App des Roten Kreuzes „Stopp Corona“ in Erwägung zieht. Kurz gab außerdem vor Journalisten bekannt, im Kampf gegen das neuartige Coronavirus auf Handy-Tracking setzen zu wollen. Für all jene, die kein Smartphone besitzen soll es entsprechende Schlüsselanhänger geben.

Eine verpflichtende Tracking-App zur Coronavirus-Kontrolle wäre allerdings ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte auf Datenschutz und Freiheit, stellen nun die Verwaltungsrichter fest. Sie appellieren an die Regierung, bei ihren Maßnahmen „die Grundsätze des Rechtsstaats nicht außer Kraft zu setzen“ und Verhältnismäßigkeit zu wahren. Besonders wichtig wäre ein rascherer Rechtsschutz, sagte Sprecher Markus Thoma. Das gaben die Richter in einer gemeinsamen Erklärung der Vereinigungen der Richter des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungs- und der Finanzgerichte bekannt. Für sie sei zwar klar, dass „außergewöhnliche Gefahren besondere Maßnahmen erfordern“, doch die Coronavirus-Krise dürfe nicht als „Deckmantel für den Beginn einer neuen Ära intensiver digitaler Überwachungstechnologien benutzt“ werden.

Verwaltungsrichter fordern schnelleren Rechtsschutz

Die Verwaltungsrichter betonen zudem, dass alle Maßnahmen der Regierung verhältnismäßig sein und im Einklang mit den Grundrechten stehen müssen. Zudem solle effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein. Markus Thoma forderte gegenüber der APA konkret „schnellere Normprüfungsverfahren, mit einer Möglichkeit für den Verfassungsgerichtshof, auch rasch einstweilige Maßnahmen zu erlassen“. Denn bisher wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur durch individuelle Bescheide von Gerichten oder Behörden gegenüber einer einzelnen Person verhängt, gegen die direkt Einsprüche möglich sind.

Jetzt werde die Freiheit der Bürger aber generell durch die COVID-19-Gesetze und Verordnungen beschränkt. Das bedeutete auch einen stark verlangsamten Rechtsschutz. Denn diese Regelungen können nur im Zuge des meist länger dauernden Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. „Damit wird die Entscheidung, ob eine Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung steht, auf die lange Bank geschoben“, so Thoma.

Coronavirus: Kritik an Eingriffen per Erlass

Die Verwaltungsrichter kritisieren auch, dass Eingriffe in die Freiheit der Bevölkerung teilweise per Erlass gesetzt werden. Ein Erlass ist nämlich eigentlich nur eine allgemeine Weisung an untergebene Verwaltungsorgane. Eingriffe in Grundrechte müssten laut den Richtern hingegen „immer auf eine gesetzliche Ermächtigung gegründet sein. Bloße Erlässe stellen kein zulässiges Mittel für Eingriffe gegenüber Bürgern dar“.