Fast jeder kommt im Lauf seines Lebens mit HPV in Kontakt, den sogenannten ­Humanen Papillomaviren, die unter anderem zu Gebärmutterhalskrebs führen können. Doch was bedeutet so eine Infektion? Wie gefährlich ist ein positiver Test und was kann man tun?

Wir haben nachgefragt.

Diagnose HPV – und jetzt?

Leni zittert, als sie das Telefon aus der Hand legt. Der Anruf kam von ihrer Gynäkologin – Leni solle doch bitte zur Befundbesprechung kommen, ihr HPV-Test sei positiv. Ihre Gedanken rotieren und sie hat keine Ahnung, was das bedeutet. Erst mal googeln – doch was man da so findet, ist nicht gerade beruhigend, eh klar. Also wartet Leni den Termin beim Arzt ab, doch auch dort bekommt sie irgendwie keine Antworten auf ihre Fragen. Und um ehrlich zu sein: Sie weiß in Wahrheit auch nicht wirklich, welche Fragen sie stellen soll.

Also verlässt Leni die Praxis mit Verwirrung in der einen und einer Überweisung ins Krankenhaus in der anderen Hand. Für ihren Termin muss sie einen Monat warten – viel zu viel Zeit, um sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, was das bedeuten könnte. Um sich zu beruhigen, spricht Leni mit Freundinnen; und plötzlich stellt sich heraus, dass bereits viele Frauen in ihrem Umfeld mit auffälligen PAP-Abstrichen und HPV-Tests zu tun hatten. Spätestens da weiß Leni: Die Diagnose ist keine Seltenheit, wirft aber unzählige Fragen auf.

Was ist eigentlich HPV?

Acht von zehn Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV, Humanen Papillomaviren, die vor allem durch sexuellen Kontakt übertragen werden. Es kann aber auch bei der Geburt passieren, und auch „intensiverer Hautkontakt reicht unter Umständen aus“, erklärt Prof. Dr. Elmar Joura, Gynäkologe und Professor an der MedUni Wien. Während die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass die Infektion in den meisten Fällen wieder von selbst abheilt, kann HPV aber auch die Ursache für schwerwiegende Erkrankungen sein. Insgesamt gibt es weit über 100 verschiedene Stämme – „eine Handvoll hat die unangenehme Eigenschaft, krebs­­­­erregend zu sein“, so der Experte.

80 % aller Männer und Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV

„Insgesamt sind es 14, wobei davon zwei, nämlich die Stämme 16 und 18, besonders herausstechen. Und dann gibt es noch 31, 33, 45, die auch eher auf der gefährlichen Seite sind“, erklärt Dr. Joura. Diese HPV-Stämme sind für sechs verschiedene Arten von Krebs verantwortlich: Gebärmutterhalskrebs, Scheidenkrebs, Vulvakarzinome, Analkarzinome, Rachenkarzinom und Peniskarzinom. Jährlich erkranken etwa 400 Frauen in Österreich an Gebärmutter­halskrebs, etwa 180 sterben daran. Entgegen dem Mythos, Männer seien nur die Überträger, kann eine Infektion auch bei ihnen Krebs auslösen. Weniger gefährliche, aber dennoch un­­an­genehme Folgen von HPV sind unter anderem Genital­warzen. Krebsvorstufen gefährden zudem die Fruchtbarkeit und können das Risiko einer Frühgeburt erhöhen. Doch es gibt eine Impfung, die schützen und vor allem das Krebsrisiko wesentlich minimieren kann. Um 90 Prozent, um genau zu sein – dazu später mehr.

Was macht man bei einem positiven Test?

Bekommt man ein positives HPV-Testergebnis, dann heißt es in erster Linie Ruhe bewahren – denn ein posi­tiver Test bedeutet nicht gleich, dass man Krebs hat. Vorerst gilt es abzuklären, um welchen Stamm es sich bei der Infektion handelt und wie hoch das Krebsrisiko tat­sächlich ist. Hier kommt die Diagnostik, also die ge­nauere Untersuchung möglicher Zellveränderungen, ins Spiel. „Krebsvorstufen sind eben nicht Krebs. Deshalb machen wir das Ganze. Insofern ist es auch kein Grund zur Panik, sondern man muss einfach ruhig die vor­gesehenen diagnostischen Schritte setzen“, so Dr. Joura.

HPV ist die Ursache für sechs verschiedene Arten von Krebs

Ist der Test also positiv, macht man idealerweise auch einen PAP-Test, eine sogenannte Zytologie. Dieser Test weist bereits im Vorhinein auf eine Zellveränderung hin. Handelt es sich beim HPV-Ergebnis allerdings um einen bedenklichen Stamm, also „HPV 16 oder 18, mache ich gleich eine Kolposkopie. Da schaue ich den Gebärmutter­hals mit dem Mikroskop an und ent­nehme Gewebe, wenn ich Veränderungen sehe“, erklärt der Experte. Stellt sich bei der Diagnostik heraus, dass es bereits Zellveränderungen gibt und ein Oberflächenkarzi­nom, also ein bösartiger Tumor, vorliegt, wird je nach Grad des Karzinoms eine sogenannte Konisation durchgeführt.

Was ist eine Konisation?

Dabei wird ein etwa ein bis zwei Zentimeter großes Stück vom Gebärmutterhals entfernt und genauer untersucht. „Das ist dann gleichzeitig eine besonders genaue Diagnostik und in den meisten Fällen die perfekte Therapie“, beruhigt Dr. Joura. Häufig reicht eine Konisation bei kleinen Zell­veränderungen aus. In Österreich werden davon rund 7.000 im Jahr durchgeführt. Schwer­wiegender wird die Behandlung allerdings dann, wenn das Karzinom größer ist – dann muss man im schlimmsten Fall Gebär­mutter und Lymphknoten entfernen oder noch zusätzlich eine Bestrahlung durchführen.

Wie kann man sich schützen?

Was hilft also gegen HPV, wie kann man eine Infektion verhindern? Dr. Joura kann diese Frage sehr einfach beantworten: Die Im­pfung ist die Lösung. Zwar nicht vollständig, „aber je früher man impft, desto effek­tiver ist der Schutz vor den wichtigsten neun HPV-Stämmen. Das heißt, das Risiko, Krebs zu bekommen, würde um über 90 Prozent absinken.“ Idealerweise erfolgt die Impfung zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch keinen sexuellen Kontakt – und damit in der Regel auch keinen möglichen Kontakt mit HPV – hatte. Dass die Impfung tatsächlich hochwirksam ist, belegt eine aktuelle Studie aus England: Demnach ist die Schutzrate bei Frauen, die sich bereits im Alter von zwölf Jahren gegen HPV impfen ließen, am höchsten; sie liegt bei 87 Prozent. Damit habe die Impfung in England bis 2019 bereits 450 Gebärmutterhalskrebs-Er­krankungen und etwa 17.000 Krebsvorstufen verhindert.

90 Prozent geringeres Krebsrisiko durch eine HPV-Impfung

In Österreich gibt es bereits seit 2006 einen Impfstoff gegen HPV, doch erst seit 2014 ist die Impfung im Schulimpfprogramm verankert und für alle Mädchen und Buben ab dem neunten und bis zum zwölften Lebens­jahr kostenlos. Seit 2022 war sie bis zum 18. Lebensjahr außerdem zu einem günstigeren Preis erhältlich; danach musste man selbst für die Kosten aufkommen. Mittlerweile hat sich in Sachen HPV-Impfung in Österreich einiges getan. Zuletzt wurde die kostenlose Impfung bis zum 21. Lebensjahr ausgeweitet. Anfang März 2024 einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherung nun sogar dazu, die Gratis-Impfung auch für alle Personen bis zum 30. Geburtstag kostenlos anzubieten. Im April soll es dazu einen offiziellen Beschluss geben.

Die dreiteilige Impfung kostet insgesamt 624 Euro, ein Preis, der (in Kombination mit der ohnehin vorherrschenden Impfskepsis in Österreich) bislang viele abschreckte, sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch impfen zu lassen.

„Es bringt auch etwas, sich nach dem 1.000. Mal Sex impfen zu lassen“

Prof. Dr. Elmar Joura

Dabei ließe sich Gebärmutterhals­krebs durch eine Durchimpfung weltweit nahezu ausrotten. Und: „Es bringt auch etwas, sich nach dem 1.000. Mal Sex impfen zu lassen“, so der Appell des Experten – „denn auch, wenn es opti­mal ist, es vorher zu machen, ist man ab dem Zeitpunkt, ab dem man sich impfen lässt, auch vor neuen Infektionen geschützt.“ Entgegen dem weitverbreiteten Mythos, die Impfung wirke nach dem 30. Lebensjahr nicht mehr, weil sie offiziell nur bis zu dieser Altersgrenze empfohlen werde, betont Dr. Joura, dass es durchaus Wirksamkeits­daten bis 45 gibt – „und die sind ähnlich gut wie bei jüngeren Frauen.“ Generell ist es aber einfach so, dass die Wirksamkeit mit dem Alter abnimmt und gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, dass man schon eine Erkrankung hat, größer ist. Das bedeutet dennoch nicht, dass die Impfung bei älteren Frauen weniger wirkt oder nicht empfohlen wird.

Kondome helfen nicht

Eine der wichtigsten Fragen, die sich Leni nach der Diagnose gestellt hat: „Wie kann ich jetzt meinen Partner schützen?“ Auch hier eine ernüchternde Antwort: Kondome haben nur eine relativ geringe Wirkung. In Wahrheit kann man eine gegenseitige Ansteckung – außer mit Abstinenz oder eben der Impfung – kaum verhindern. Und es muss nicht mal sein, dass die Infektion vom aktuellen Partner kommt. Wo man sich tatsächlich angesteckt hat, lässt sich meist nicht beant­worten. Dr. Joura erklärt: „Das kann auch eine Infektion sein, die schon lange zurückliegt. Ob die jetzt drei Monate alt ist oder fünf Jahre, lässt sich im Einzelfall nie bestimmen.“ Er rät: „Am besten ist es, wenn einfach beide geimpft sind, also Frau und Mann – und alles dazwischen.“