„Lockdown“: Vor einem Jahr noch war es ein Fremdwort mit dystopischem Beigeschmack. Mittlerweile ist es unser Alltag – unser langer, monotoner und einsamer Alltag: Fünf Menschen erzählen, wie es ihnen damit geht.

Im März wird es ein Jahr her sein, dass die Weltgesundheitsorganisation den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie erklärt hat. Ebenfalls im März vor einem Jahr trat Bundeskanzler Sebastian Kurz vor die Presse und verkündete etwas, das später als „Lockdown“ in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug fand. Mittlerweile befinden wir uns im dritten „harten Lockdown“, zwischendurch gab es kurzzeitig einen sogenannten „Lockdown Light“. Die Pandemie wütet weiter, das Coronavirus ist noch immer allgegenwärtig und wir sind müde, erschöpft und eben „downgelockt“.

Ein Jahr Pandemie: Der lange Lockdown

Die Pandemie fordert uns alle. Ärzte und Pflegepersonal stoßen teilweise an ihre Grenzen. Menschen, die in der Veranstaltungsbranche, im Tourismus, in der Gastronomie oder im Handel arbeiten, bangen um ihre Existenz. 535.470 Personen waren im Jänner 2021 arbeitslos gemeldet oder in AMS-Schulung. Das sind um 114.769 mehr als im Jänner 2020. 

Doch auch jene, die es vergleichsweise gut getroffen haben und noch immer ihrer Arbeit nachgehen können, sind den psychischen Folgen der Pandemie und des langandauernden Lockdowns ausgesetzt. Der Ausnahmezustand zerrt an unseren Nerven. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen im Homeoffice. Treffen mit Freunden sind – wenn überhaupt – nur eingeschränkt möglich. Das Gläschen Wein im Lieblingsrestaurant ist nur noch eine nostalgische Erinnerung. Wir leben im Ausnahmezustand.

Wir haben bei euch nachgefragt, wie sehr ihr mittlerweile vom Lockdown genervt seid (auf einer Skala von 1 bis 10) und wie euer Abend im Lockdown aussieht:

Leonie (27 Jahre)

  • Lockdown-Müdigkeit (von 1 bis 10): 5
  • Neue Gewohnheit: Lesen

Leonie lebt gemeinsam mit ihrem Freund zusammen. Die Schauspielerin kann corona-bedingt seit dem Frühling 2020 nicht mehr auftreten. Die Theater sind geschlossen. Die Kulturbranche in Österreich liegt brach. Und Leonie liegt abends auf dem Sofa statt auf der Bühne zustehen. „Ich setze mich mit einer Packung Chips auf die Couch und schau Netflix – das ist alles“, erklärt die 27-Jährige und lacht. Es gehe ihr aber vergleichsweise gut im Lockdown. Die Schauspielerin lebt momentan von den Corona-Hilfen der österreichischen Regierung. „Ob es jetzt einen richtigen Lockdown gibt für alle oder nur die Kulturveranstaltungen verboten werden, macht für mich keinen großen Unterschied. Ich kann meiner Arbeit ohnehin nicht nachgehen.“

Einen Abend im Lockdown beschriebt sie als alternativlos: „Jeder Abend sieht gleich aus. Es ist zu einem Ritual geworden, jeden Abend zu Hause mit Fernsehen zu verbringen, weil man nicht wirklich Alternativen hat.“ Weil die Abende dadurch auch länger geworden sind, hat Leonie sich angewöhnt, vor dem Schlafengehen ein Buch zu lesen. Genervt ist sie dennoch nicht vom Lockdown. „Ich finde, in der momentanen Situation sind die Maßnahmen nachvollziehbar“, erklärt Leonie. Wenn die Pandemie überstanden ist, freut sie sich darauf, ihrer Arbeit wieder nachgehen und Geburtstagsfeiern nachholen zu können.

Daniel und Caro (31 und 28 Jahre)

  • Lockdown-Müdigkeit: 4 bis 5
  • Neue Gewohnheit: Fixe Uhrzeiten für Mahlzeiten, Skype-Calls mit Freunden, Karten spielen

Daniel und Caro leben gemeinsam in einer 37 Quadratmeter großen Wohnung in Wien. Tagsüber arbeiten beide im Ikea-optimierten Homeoffice. Abends kochen sie gemeinsam. „Meistens schauen wir während dem Abendessen auch eine Serie oder einen Film auf Netflix oder anderen Streaming-Diensten“, erklärt Daniel. Die Zeit im Lockdown haben sie sogar produktiv umgesetzt, wie Caro lachend erklärt: „Wir haben den Lockdown genutzt, um endlich ‚Game of Thrones‘ zu schauen.“ Wirklich viel hat sich für das Paar, das am Anfang der Corona-Pandemie seine Asien-Reise unterbrach und zurück nach Österreich kehrte, nicht geändert. Zumindest, was den Abend zu Hause angeht. „Wir vermissen aber die Option, uns auch mit Freunden zu treffen oder einfach einmal in einer Bar zu versumpern“, erklärt Daniel.

Mittlerweile sind die beiden echte Lockdown-Profis. Und Caro merkt auch, wie sehr sich ihr Medienkonsum geändert hat. „Im ersten Lockdown waren wir echte News-Junkies. Ich hatte immer einen Liveticker zu Corona-Updates am Laptop offen und wir haben jede Pressekonferenz verfolgt.“ Das hat sich im Laufe der Pandemie geändert. Vielleicht ist auch das ein Grund, wieso sie mit der Situation betont entspannt umgehen. Im dritten harten Lockdown haben sie die Monotonie zur Routine gemacht. Weil die zwei jetzt nur noch zu Hause sind, haben sie sich angewöhnt, zu fixen Zeiten zu essen. „Außerdem versuchen wir wirklich mindestens einmal in der Woche unsere sozialen Kontakte durch Skype-Calls aufrechtzuerhalten“, sagt Caro. Und auch das gemeinsame Kartenspiel hat sich seit der Pandemie in den Alltag des jungen Paares geschlichen. Sie konzentrieren sich auf die kleinen Dinge im Lockdown-Leben: „Wir freuen uns, wenn die Sonne scheint.“

Julia (29 Jahre)

  • Lockdown-Müdigkeit: 8
  • Neue Gewohnheit: Spazierengehen

Julia wohnt alleine und hat durch Corona mit ihrer FOMO (Fear of Missing Out) abgeschlossen. „Ich denke, ich hatte zuvor viel zu oft das Gefühl, ich verpasse etwas, wenn ich jetzt nicht auf tolle Festivals, Partys und Konzerte gehe oder den alljährlichen Ski- und Strand Urlaub absolviere“, erklärt die 29-Jährige. Dennoch beobachtet sie an sich, wie sie sich mit jedem Lockdown mehr und mehr zurückgezogen hat: „Ich war vor Corona sehr viel aktiver und sozialer. Das wird einem mit den Beschränkungen halt auch genommen“. Ihren Abend im Lockdown übersteht sie mittlerweile mit einer neuen Routine: „Das Zeitalter des Spazierengehens ist angebrochen“, erklärt Julia lachend. Und dennoch macht ihr die Monotonie des Ausnahmezustands zu schaffen: „Die Tage verrinnen und man kann nichts dagegen machen außer abwarten und Tee oder Bier oder Spritzer zu trinken.“ Sie vermisst es, Menschen zu treffen, ohne sich dabei Gedanken machen zu müssen. Ihre Abende sind mittlerweile geprägt vom Zustand des Wartens und des Hoffens auf baldige Besserung.

Ariane (26 Jahre)

  • Lockdown-Müdigkeit: 3 bis 4
  • Neue Gewohnheit: Spazierengehen, Video-Calls, Self-Care

Ariane arbeitet an der Uni und macht gerade ihren Ph.D. Den Großteil ihrer Arbeit erledigt sie mittlerweile im Homeoffice. Sie versucht im Lockdown vor allem ihre sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten – wenn auch nur digital. Für den Abend plant sie daher oft größere und kleinere Video-Calls mit Freunden und Familie. Self-Care schreibt sie seit der Pandemie groß. „Das kann auch nur bedeuten, für mich selbst etwas Gutes zu kochten“, erklärt die 26-Jährige. Und auch bei ihr stehen Filme und Serien am Abendprogramm. „Mir ist aufgefallen, dass ich bewusster Medien konsumiere. Früher wollte ich mich am Abend nur mehr berieseln lassen. Jetzt überlege ich mir schon im Vorfeld, was ich für einen Film oder eine Serie ich ansehe. Und dann zelebriere ich den Fernsehabend so richtig“, resümiert Ariane. Auch ihren Nachrichtenkonsum limitiert die 26-Jährige: „Ich schaue mir die Hauptnachrichten am Abend an und lese einmal am Tag Zeitung. Aber das muss reichen. Ein Liveticker über die aktuelle Corona-Situation tut mir nicht gut. Am Anfang habe ich jede Pressekonferenz von Anfang bis Ende angesehen. Jetzt habe ich gemerkt, dass mich das frustriert.“

Im dritten Lockdown hat sie nun auch schon aus ihren Erfahrungen gelernt. Hat sie am Anfang noch Probleme damit gehabt, im Homeoffice klare Grenzen zwischen Arbeitszeit und Feierabend zu ziehen, ist sie nun etwas konsequenter. „Ich schaffe es nach Feierabend, meinen Computer abzudrehen. Dann schau ich einmal noch in meine E-Mails, ob es irgendetwas Dringendes gibt“, erklärt sie. Die Abgrenzung fällt ihr dennoch schwer. Trotzdem ist sie dankbar für ihre Situation. „Ich arbeite nicht in der Gastronomie und ich habe keine Kinder, um die ich mich während dem Homeoffice kümmern muss.“

Der Lockdown: Netflix, Self-Care und Spaziergänge

Ein Jahr Pandemie, ein Jahr Pressekonferenzen, Live-Ticker und Corona-Updates, ein Jahr Lockdowns und vorsichtige Öffnungen: Sie zerren an unseren Nerven. Viele von uns haben mehr oder weniger kreative Wege gefunden, damit umzugehen. Viele andere haben im momentanen Ausnahmezustand aber keine Perspektiven und kämpfen mit den psychischen Folgen.

Wenn du dich belastet fühlst, mit psychischen Problemen zu kämpfen hast oder jemanden zum Reden brauchst, kannst du dich an diese Stellen wenden: