Dass die Pandemie an unseren Nerven zerrt, ist längst kein Geheimnis. In einer neuen Studie hat man nun herausgefunden, dass sogar ein Drittel der Österreicher während der Corona-Krise psychisch stark belastet ist.

Rund die Hälfte zeige zudem Anzeichen von Überlastung, etwa in Form von gesteigerter Gereiztheit, erklärte der Psychiater Michael Musalek am 21. April.

Frauen und jüngere Menschen stark betroffen

Ein Jahr dauert die Corona-Pandemie bereits an. Mittlerweile sind laut einer repräsentativen Umfrage von Forschern und dem Gallup Institut ein Drittel der Österreicher psychisch stark belastet. Rund die Hälfte zeige zudem Anzeichen von Überlastung, etwa in Form von gesteigerter Gereiztheit. Besonders Frauen, jüngere Menschen und Personen, die schon zuvor psychisch stark belastet waren, seien von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Österreich sei in einer „prekären Situation“. Denn die Intensivstationen würden zeigen, dass es die Maßnahmen weiter brauche, erklärte Michael Musalek, der Vorstand des Instituts für Sozialästhetik und psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) bei der Studienpräsentation. Bei alldem müsse man aber wissen, dass mit den Eindämmungsmaßnahmen „psychische Belastungen geschaffen werden“, denen man entgegenwirken muss.

Die Folgen der Pandemie würden sich schnell ausbreiten. Denn der Mensch könne zwar Akutbelastungen oft relativ gut wegstecken, Langzeitbelastungen hingegen weniger. Das zeigt auch der zweite Teil der Befragung unter 1.000 Österreichern Anfang März. Die erste derartige Umfrage wurde im Mai 2020 durchgeführt. Insgesamt sehe man nun eine zunehmende „Überlastung der Menschen“. Diese zeige sich mitunter in Antriebsverlust, Erschöpfungszuständen und dem Verlust von Freude äußert, sagte Musalek.

Psychisch belastet: Höhere Reizbarkeit

Wer in den vergangenen Monaten an sich eine höhere Reizbarkeit bemerkt hat, dem sei verziehen. Denn laut der Studie ist man damit nicht allein. So gäbe es „deutliche Zunahmen“, was die Reizbarkeit betrifft, wenn etwa schon kleine Reize betont missgestimmte Reaktion hervorrufen oder es dafür teils gar keinen Anlass mehr braucht. Hier führe Überforderung auch zu Aggression. Erschöpfungszustände und Energielosigkeit durch die Abnutzungen, die die Krise mit sich bringen, würden auch bedingen, dass viele Menschen die Maßnahmen nicht mehr mittragen können, so der Wissenschafter.

Die Länge der Pandemie ist hier auch ausschlaggebend. Vom Zeitpunkt der ersten Befragung zur zweiten Auflage habe sich der Anteil der stärker psychisch Belasteten von rund einem Viertel auf ein Drittel erhöht, sagte Oliver Scheibenbogen von der SFU. Die berichteten wirtschaftlichen Belastungen seien zwar in etwa gleich geblieben, zugenommen haben jedoch auch körperliche Belastungen (von 14 auf 22 Prozent). Knapp die Hälfte der Teilnehmer gab an, noch immer von wichtigen Bezugspersonen getrennt zu sein.

Es braucht Hilfsangebote

Laut den Psychologen verzeichne man auch eine „massive Zunahme der psychischen Belastung“ bei jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Sehr deutlich ist der Anstieg zudem auch bei Frauen, vor allem, wenn es Mehrfachbelastungen etwa durch Familie, Distance Learning und den Beruf gebe. Hier brauche es gezielte Hilfsangebote. Am meisten leiden die Menschen unter den Restriktionen, fehlender Tagesstruktur oder der Furcht um den Arbeitsplatz, so der Psychologe. Insgesamt erleben viele einen Verlust der Selbstbestimmung und der Autonomie, dies wäre allerdings wichtig, um mit der Situation gut umzugehen und die Belastungen abzufedern.

Die Experten plädierten daher dafür, „Hoffnung zu induzieren“. Dies soll aber geschehen ohne Inaussichtstellen von etwaigen Öffnungsdaten, mit dem man Erwartungen weckt, die sich dann nicht erfüllen. „So verlieren wir die Menschen“, sagte Musalek. Man sollte sich zudem davor hüten, eine Stimmung aufkommen zulassen, dass es Restriktionen – etwa im Herbst nicht mehr brauchen werde.