„Bitte hört damit auf, uns, unsere Familien und Unterstützer:innen anzugreifen und zu bedrohen.“ Die Gründer von “Pinky Gloves” wurden von einer Hasswelle überrollt. Warum artet die Kritik für ein undurchdachtes Produkt zu einem, unverhältnismäßigem Shitstorm aus? Und was kann man gegen Hass im Netz tun? Wir haben eine Expertin befragt.

Hass im Netz: Die Reaktionen auf die Geschäftsidee von “Pinky Gloves” waren mehr als heftig.

Die Gründer von “Pinky Gloves”sind die jüngsten Opfer von Hass im Netz

Hass im Netz ist wie ein Virus. Er taucht plötzlich auf, zieht weite Kreise, steckt zahlreiche Menschen an und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Jüngste Opfer, die Gründer von “Pinky Gloves” Menstruationshandschuhen. Letzte Woche noch traten Eugen Raimkulow und sein Mitgeschäftsführer André Ritterswürden in „Die Höhle der Löwen auf“ und baten um Investoren. Nun nehmen sie ihr Produkt komplett vom Markt. Grund für das Aus von “Pinky Gloves” war massive Kritik an ihrem Produkt. Die Handschuhe wurden online als nicht nachhaltig und sexistisch kritisiert.

Die Gründer regierten schnell auf den Gegenwind, entschuldigten sich öffentlich und baten um konstruktive Kritik. Und dennoch wurden sie mit einer Welle des Hasses konfrontiert. „Wir werden auf offener Straße attackiert und beschimpft. Wir haben uns die Kritik zu Herzen genommen und sie verstanden. Wir halten das nicht mehr aus und sind mit unseren Kräften am Ende. Bitte hört damit auf, uns, unsere Familien und Unterstützer:innen anzugreifen und zu bedrohen“, bitten die Gründer.

Woher kommt diese Wut?

Keine Frage die Idee war alles andere als durchdacht und auch die miss hat sich kritisch dazu geäußert. Aber diese beiden jungen Männer haben doch ganz gut auf die Kritik reagiert? Warum schaukelte sich die Wut im Netz dennoch so auf? „Es hat wenig Sinn zu versuchen es diesen Leuten recht zu machen“, sagt Barbara Buchegger pädagogische Leiterin der initiative Saferinternet.at. Ist so eine Welle der Entrüstung erstmal in Bewegung, kann diese meist nicht mehr gestoppt werden. „Das kann man nur aussitzen, abwarten.“

Der Kern der Kritik mag zwar durchaus berechtigt sein. Wie auch in diesem Fall meint die Expertin. „Aber dann rennen sehr viele mit und übertreffen sich da fast noch in den Bemerkungen. Und das gerät dann außer Kontrolle. Wir Menschen bestärken uns gegenseitig in unserer Ablehnung auf irgendetwas und schaukeln uns so richtig auf„. Storys, die es nicht nur im Internet gibt, sondern die wir auch aus unserer Geschichte kennen. Der aufgebrachte Mob der nicht mehr zu stoppen ist.

Der Trend ist nicht neu, aber der Ton wird harscher

Der Trend zum Cybermobbing, die unbegrenzte Wut im Netz ist nicht neu. Und die Pandemie hat es nicht besser gemacht und für einen starken Anstieg von Hasspostings im Netz auch unter Online Rassismus gesorgt. Die Langeweile, die viele Zeit zu Hause und die wenigen Möglichkeiten sich selbst was beweisen zu können vermutet Buchegger dahinter.

Während der diskriminierende Umgang im Netz vor allem von Erwachsenen bekannt war, die sich der Öffentlichkeit nicht bewusst sind, schlägt jetzt auch die Jugend immer härtere Töne an wie Buchegger erzählt: „Da ist schon der Eindruck das da einfach die Hemmschwelle insofern gesunken ist, da man es einfach gesellschaftlich wahrnimmt. So auf die Art – das machen alle, da brauche ich mir auch nichts zu scheißen. Dann muss ich mich auch nicht zusammenreißen und kann so vor mich hinkotzen wie es mir grade in den Sinn kommt. Es wird nicht mehr überlegt: wie geht es der anderen Person, wenn sie das liest? Ist das Verhältnismäßig, was ich da schreibe? Ich glaube wir brauchen den Schritt wieder in eine Verhältnismäßigkeit.“

Viele vergessen wohl, dass gesellschaftliche Verhaltensregeln, ein respektvoller Umgang und ordentliche Manieren in der virtuellen Welt genauso erwünscht sind wie im echten Leben. Und wie sehr sie Andere durch verletzende Kommentare treffen können. „Ich muss mir überlegen, wie das bei den anderen Personen ankommt, was ich da schreibe. Ich habe eine Verantwortung für die Personen die meine Sachen lesen. Dessen muss ich mir einfach als Mensch der postet wieder mehr bewusst sein“, meint Barbara Buchegger.

Ein neues Gesetz bringt Hoffnung

Treffen kann es jeden – davor schützen kann man sich kaum. Aber ein neues Gesetz in Österreich bringt Hoffnung. Das Kommunikationsplattformen-Gesetz verpflichtet seit dem ersten April soziale Netzwerke hetzerische oder diskriminierende Postings zu löschen. Auf Facebook und Instagram gibt es eine neue Meldeoption dafür. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wie auch Barbara Buchegger glaubt. „Nur indem wir solche Hasspostings den Netzwerken melden, können diese lernen was da gerade abgeht“.

Wer einen Kommentar oder einen Beitrag aufgrund des Kommunikationsplattformen-Gesetzes melden will, kann das wie gewohnt machen – also an der gleichen Stelle, an der man schon bisher problematische Postings melden konnte. Die Initiative von Saferinternet.at zeigt in ihrem Leitfaden wie das genau geht. Sobald man auf „Melden“ tippt oder klickt, findet sich neben den bisherigen Meldeoptionen zusätzlich der Punkt „Beitrag als rechtswidrig gemäß KoPl-G melden“. Das Tippen auf diese neue Meldeoption, öffnet ein neues Fenster mit einer Reihe von Auswahlmöglichkeiten, um den genauen Tatbestand einzugrenzen.

Solidarisierung hilft

Eine weitere Hilfe für Mobbingopfer ist der entsprechende Gegenwind. „Ach bitte hör auf – das ist jetzt echt übertrieben – krieg dich wieder ein“ – hilft solchen „Wutbürgern“ wahrscheinlich wenig herunterzukommen, aber es hilft den Opfern sich nicht so alleine zu fühlen. Hasskommentare können unter den harmlosesten Bildern stehen und einem einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Richtig schlimm wird es dann, wenn die eigene Person, Freunde oder Familie angegriffen werden. Man hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. So auch im Falle von „Pinky Gloves“. „Mann muss nicht Menschen den Tod wünschen nur, weil sie vielleicht eine nicht ganz so durchdachte Idee hatten. Da ist nicht verhältnismäßig“, findet Buchegger.

Inzwischen melden sich immer mehr Influencer & Promis über die Entrüstung gegenüber den Gründer nach dem Aus von Pinky Gloves zu Wort. Die Moderatorin Sophia Thomalla schreibt: „Ich habe den Eindruck in der aktuellen Debattenkultur geht es eher um Bestrafung als um den eigentlichen Fehler, den man gemacht hat. Twitter Deutschland as it’s best. Armselig und nervt unsäglich.“ Bleibt den Machern von „Pinky Gloves“ nur zu hoffen, dass der Shitstorm so schnell vergeht wie er gekommen ist.

An diese Stellen können sich Mobbing Opfer wenden:

Weißer Ring

Die Verbrechensopferhilfe „Weißer Ring“ hilft auch Menschen, die mit
Cybermobbing konfrontiert sind. Unter dem kostenlosen Opfernotruf 0800 112 112 informieren Juristen darüber, welche rechtlichen Schritte möglich sind, Psychologen unterstützen bei Redebedarf.

Rat auf Draht

Auch die „Rat auf Draht“­ Notrufnummer 147 kann kostenfrei gewählt werden. Psychologen, Psychotherapeuten, Juristen und Lebens­ und Sozialberater kümmern sich rund um die Uhr um die Anliegen von Kindern und Jugendlichen. Auch mit dem Thema Cyber-Mobbing sind die Experten vertraut.

Initiative Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA)

Die Initiative Zivilcourage &  Anti­-Rassismus-­Arbeit (ZARA) steht auch Personen zur Verfügung, die mit Cybermobbing konfrontiert sind. Via E-Mail oder unter der Nummer 01 236 55 34 kann man sich kostenlose Beratung von geschulten juristischen und psychologischen Experten holen.