In der neuesten Folge von „Die Höhle der Löwen“ haben zwei selbsternannte Frauenversteher ein Investment für ein absolut unnötiges Produkt erhalten. „Pinky Gloves“ – ein Einweg-Handschuh, der das Entsorgen von Periodenprodukten erleichtern soll. Ich wusste nicht, dass das bisher ein Problem war.

Eine gute Sache hat die Erfindung jedenfalls: Sie zeigt uns, wie wenig Männer von Menstruation verstehen.

„Pinky Gloves“: Wenn zwei Männer in eine Frauen-WG ziehen

„Wir beide sind echte Frauenversteher“: So beginnen Eugen Raimkulow und André Ritterswürden ihren Pitch bei „Der Höhle der Löwen“ und ich muss auf den Kalender schauen, um sicherzugehen, dass wir nicht den 1. April haben – kann ja sein – mein Zeitgefühl ist während der Pandemie etwas beeinträchtigt. Und die nächsten Minuten wirken tatsächlich so, als würde die Zeit rückwärts laufen – und zwar zurück in die 1950er Jahre. Denn Eugen und André wollen „Frauen das Leben einfacher machen“. Die aufmerksamen Herren, die sich im Fallschirm-Batallion des Bundesheeres kennengelernt haben und dann gemeinsam in eine „Frauen-WG“ (ist es noch immer eine Frauen-WG, wenn zwei Dudes Mitbewohner sind?) gezogen sind, haben ihre Zeit in der WG nämlich statt mit Partys und Saufen offensichtlich mit einer Feldstudie verbracht.

Tampons entsorgen: Ein „Problem“

So sei es laut den beiden Freunden für Frauen nicht immer möglich, „ihren Tampon problemlos zu entsorgen“. Auf Festivals oder auf Reisen etwa (oder in einer WG in der zwei Dudes wohnen, die die Menstruation der Frau noch immer als Problem sehen?) „Viele Frauen verzichten deshalb auf Ausgehen oder Hobbys, wenn sie ihre Periode haben“, weiß Eugen ganz genau und deckt auch das Mysterium auf, wieso all unsere menstruierenden Freundinnen einmal im Monat komplett von der Bildfläche verschwinden. Dieses Problem kennt doch jeder, oder? Oder? Nein? Okay, ich auch nicht. Ich hatte nicht einmal beim Backpacken in Thailand ein Problem oder auch nur den Anflug von Scham, meine Tampons zu entsorgen. Aber ich bin mir sicher, dass die zwei Kameraden/Freunde eine umfangreiche Befragung durchgeführt haben bevor sie dieses Argument in ihren Pitch eingebaut haben.

An dieser Stelle möchte ich auf das tatsächliche und reale Problem der Period Poverty aufmerksam machen. Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass menstruierende Menschen kein Geld für Periodenprodukte haben und sich deshalb aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. In vielen Ländern der Welt bleiben junge Mädchen deshalb sogar der Schule fern.

Eine Lösung für ein Problem, das es nicht gibt

Ob das Problem in einem Land wie Österreich tatsächlich noch existiert, sei jetzt kurz dahingestellt. Eugen und André haben jedenfalls eine Lösung für dieses „alltägliche Problem von Frauen“: „Pinky“. Mit dem PINKEN EINWEG-Handschuh soll der Tampon ganz einfach herausgezogen und entsorgt werden – geruchsneutral versteht sich, denn man will die Toilette ja nicht vollstinken. Eh klar. Auch das kennt jede Frau, oder? Wir befinden uns in einer blitzeblanken, sauberen und immer wohlduftenden öffentlichen Toilette und wollen diesen wunderschönen Ort nicht mit unserem blutroten, stinkenden Periodenprodukt besudeln.

Es ist nicht der 1. April. Vox will uns mit diesem Pitch also nicht auf die Schaufel nehmen. Die beiden Männer meinen die Sache also tatsächlich ernst. Ich versuche die Sache positiv zu sehen: Immerhin dürften die beiden vor ihrer Zeit in der besagten Frauen-WG einfach keine Berührungspunkte mit Menstruation gehabt haben. Und es ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie sich für ein von unserer Gesellschaft noch immer stigmatisiertes Thema interessieren und das dann auch noch ins Fernsehen bringen. Dass hier zwei weiße Männer stehen, die sich als „Frauenversteher“ bezeichnen, Menstruation als Problem ansehen und von einem anderen weißen Mann dann tatsächlich auch noch Geld bekommen – das ist nicht die Schuld von André und Eugen. Das ist die Schuld unserer Gesellschaft, die es den beiden überhaupt erst ermöglicht hat, auf eine so skurrile Idee zu kommen.

„Pinky Gloves“ bekommt Geld, „ooia“ nicht

Ich bin zum Glück nicht alleine mit meiner Fassungslosigkeit. Instagram, Twitter und Co. ist voll mit wütenden, erstaunten und zum Teil belustigten Kommentaren. Das offensichtliche Period-Shaming und der haarerauffende Sexismus stößt vielen User*innen besonders sauer auf. André und Eugen reagierten mittlerweile schon auf ihrem Instagram-Account auf die Kritik. „Nach einiger Zeit riecht das unangenehm und man sieht es einfach, weil das Papier nässt durch“, erklären sie. Dass sie damit suggerierten, dass eine Monatsblutung unhygienisch und eklig sei, ist ihnen nicht bewusst.

Doch der „Pinky Glove“ ist auch ganz nüchtern betrachtet kein gutes Produkt. Und dabei würde der Bereich der Menstruation so viel Raum für Innovation lassen. Denn, eben weil es in unserer Gesellschaft noch immer ein so großes Tabuthema ist, gibt erst seit wenigen Jahren wieder mehr Weiterentwicklung im Bereich der Periodenprodukte. Doch viele der Unternehmer*innen stoßen sich daran, dass vor allem Männer entscheiden, wer Geld bekommt und wer nicht, was ein wichtiges Produkt ist und, was nicht. Bestes Beispiel: Das mittlerweile sehr erfolgreiche Start-Up „ooia“ trat vor zwei Jahren bei „Der Höhle der Löwen“ vor die Investoren. Geld bekamen sie damals nicht. Dass ihre Periodenunterwäsche ein tatsächliches Problem löst – nämlich nicht von Wegwerf-Tampons oder Binden abhängig zu sein, nachhaltig ist und gleichzeitig auch das von André und Eugen als so schrecklich empfundene Entsorgen obsolet macht, sei jetzt auch dahingestellt.

Die Periode ist nicht unhygienisch

Ich selbst habe Einweg-Periodenprodukten schon lange Adé gesagt. Ich bin also absolut nicht die Zielgruppe von André und Eugen. Das bedeutet aber nicht, dass es die nicht gibt. Geldgeber Ralf Dümmel glaubt offensichtlich, dass es sie gibt. In einer Erklärung erzählt er, wieso er sich entschieden, hat in „Pinky Gloves“ zu investieren. „Wie cool ist das denn? Zwei Männer, die wirklich ein sehr sensibles Thema – nämlich das Aufbewahren oder das hygienische Wegschmeißen von Tampons oder Binden lösen“, so Dümmel.

Wer möchte Herrn Dümmel sagen, dass das Thema Periode nicht „sensibel“ ist? Und wer erklärt ihm, dass das es kein unhygienisches Wegschmeißen von Tampons oder Binden gibt? Wer klärt ihn auf, dass menstruierende Menschen, die Tampons und Binden herumtragen vielleicht nicht auch noch für 11,96 eine Kiste pinker Einweg-Handschuhe (Pinkwashing bekommt hier eine ganz neue Bedeutung) kaufen und mitschleppen wollen (egal, wie klein und „praktisch“ der Handschuh ist, in Klopapier einwickeln tut es notfalls auch oder ich kaufe einen billigeren Einweghandschuh)? Umweltfreundlich ist das Produkt auch nicht. Ja klar, der Handschuh ist recycelbar. Hätten André und Eugen aber etwas recherchiert, wüssten sie: Sobald ein Tampon oder eine Binde darin eingewickelt ist, ist das Recyceln schon wieder nicht möglich.

Die Periode, ein Männerproblem

Auch wenn ich es eigentlich eine Frechheit finde, dass sich zwei Männer hinstellen (das Fehlen von Weiblichkeit in ihrem Start-Up gleichen sie laut eigenen Angaben mit der Tatsache aus, dass sie ja beide mit Frauen verheiratet sind), uns Frauen erklären, welche Probleme wir haben und dann auch noch eine teure, pinke und umweltunfreundliche Lösung dafür bieten, muss ich mich bei André und Eugen bedanken.

Sie haben uns gezeigt, wie wenig Männer über die Menstruation wissen. Und sie haben gezeigt, dass es tatsächlich noch ein Problem mit dem Thema Periode gibt. Das Problem habt ihr, liebe Männer. Und genau deswegen gibt es wohl auch noch genug Frauen, denen es unangenehm ist, ihre Periodenprodukte in einer öffentlichen Toilette zu wechseln. Und der Auftritt von „Pinky Gloves“ hat uns außerdem ein Beispiel dafür gegeben, wieso es wichtig ist, Unternehmen und Start-Ups mit Frauen an der Spitze zu fördern.

In diesem Sinne, unterstützt lieber Unternehmen wie: