Letztes Jahr haben Schülerinnen einen Anti-GNTM-Song namens „Not Heidis Girl“ komponiert, der auf Youtube zum Hit wurde. Gerade im Zuge der #metoo-Bewegung gibt es immer mehr Stimmen, die sich gegen die Model-Castingshow richten. Nun geht „Germany’s Next Topmodel“ in die (gefühlt hundertste) 14. Staffel und die Kritiker sind schon bereit, im Netz darüber aufzuklären, wie sexistisch die Show ist. Aber haben die, die Heidi Klums Show scheiße finden, eigentlich recht oder führt genau dieses „das ist gut, das ist schlecht“-Denken zu noch mehr Unfreiheiten für uns Frauen?

Mein Körper, meine Entscheidung

„Wir sind mehr als unser Aussehen“ meinten die Not-Heidis-Girls und damit liegen sie ganz sicher richtig. Wir sind alle mehr als unser Aussehen, aber es muss auch nicht jede von uns ein Heidis-Girl in der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ werden. Und das ist auch gut so. Aber die, die es gerne sein wollen und sich uns im Fernsehen in Bikinis präsentieren, sind deshalb nicht weniger gescheit oder weniger feministisch. Wir haben keine Ahnung, was sie sind. Denn sie entscheiden sich dafür, sich in einer oberflächlichen Model-Show zu zeigen und das ist eine Entscheidung, die niemand anderen etwas angeht. Genau darum geht es doch. Frei sein, die Entscheidungen zu treffen, die ich treffen will. Ob ich Jus studiere, mich für den Playboy ausziehe oder beides mache – es ist MEINE Entscheidung. „Wie ich mich anziehe, verhalte, flirte, tanze oder Sex habe – das sind meine Entscheidungen und sie sollten niemals von Männern beeinflusst werden. Sexy sein ist witzig und ich mag es. Dafür sollte ich mich nicht entschuldigen müssen“, hat Model und Aktivistin Emily Ratajkowski das Thema Selbstbestimmung gut auf den Punkt gebracht. Wie kommen wir also dazu, zu behaupten, dass es anti-feministisch wäre, sich im Fernsehen auszuziehen oder seinen Körper zu präsentieren? Wir plädieren für eine schrankenlose Gesellschaft, in der wir Frauen alle Möglichkeiten haben und dann bauen wir uns erst wieder einen Käfig.

Ist GNTM wirklich SO sexistisch?

Ob Ex-Juror Thomas Hayo ein Sexist ist, weil er mit hochgezogenen Brauen etwas wie „Hammer Body“ murmelt, wollen viele der Kritiker mit einem glasklaren „Ja“ beantworten. Ich hingegen finde, das ist eine schwierige Frage. Es ist eben ein oberflächliches Business, um das es in dem Format geht – und nein, solche Sendungen wie GNTM tragen sicherlich nicht dazu bei, die veralteten Strukturen der Modelbranche aufzubrechen. Aber es ist auch nicht Heidis oder Thomas‘ Schuld, wie die Dinge in der Branche aussehen und wenn der Juror dann einen bewertenden Kommentar über den Körper einer Kandidatin abgibt, ist das eine objektive Aussage darüber, was in der Industrie funktioniert und was nicht. Wenn ein Scout zu einer Sängerin sagt „Wow, tolle Stimme“ dann regt sich niemand auf. Wie die Stimme das Kapital einer Sängerin ist, so ist es der Körper beim Modeln. Dazu „wie“ diese Körper aussehen und warum es so problematisch ist, sie im Fernsehen zu zeigen, komme ich noch.

Germany’s Next Topmodel und das „echte“ Modelleben

Ich weiß, was sich jetzt viele denken werden: „Aber Germany’s Next Topmodel hat doch nichts mit dem echten Modelleben zu tun, das ist doch eine reine Fleischbeschau für die Quote“. Dazu gleich mal ein dickes, fettes „JA“- aber es gibt diese Formate in tausendfacher Ausführung: Teenager werden Mütter, Tausche Familie – die Liste ist endlos. Und alle Sendungen haben eine Sache gemein – und das ist der unangenehme Fremdschäm-Effekt, den man entweder liebt oder hasst. Und genau deshalb werden diese Shitshows niemals verschwinden. Die Zuseher wollen es, die Zuseher kriegen es. Wer diese Sendungen nicht aushält, darf sie sich eben nicht ansehen. Ich will hier nicht kühl klingen, aber ich bin eben realistisch. Natürlich ist es nicht okay, junge Mädchen halbnackt im TV zu zeigen und sie und ihre naive (noch kindliche) Art auszunutzen, um besonders dramatische Szenen für die Popcorn-essenden Zuseher zuhause zu inszenieren. Aber das ist nicht anti-feministisch, das ist eher anti-menschlich – so wie all die anderen Shows dieser Art. Und die „Meedchen“, die sich für GNTM anmelden, und deren Eltern, haben die Sendung sicherlich im Vorhinein gesehen und aus freien Stücken entschieden, ein Teil davon zu werden.

Falsche Ideale im Fernsehen

Der mit Abstand wichtigste Kritikpunkt an der Modelshow bleibt allerdings die Anpreisung eines bestimmten Körperideals. „Das schönste Mädchen Deutschlands“ sucht Heidi Klum, wie sie immer wieder gerne betont. Komischerweise sind all diese „schönsten Mädchen“ 1,80 Meter groß und haben einen Hüftumfang von  90 Centimetern. In der letztjährigen 13. Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ wurde alles als „komplett anders“ angepriesen, denn es waren erstmals auch (ganze zwei!!) angehende Models dabei, deren Körper nicht in das 90-60-90 Korsett passte. Wie das in diesem Jahr aussehen wird, ist unklar – vielleicht waren die „Curvy Models“ einfach nur ein guter Marketingzug im Bodypsotivity-Jahr 2018. Geändert hat sich aber sowieso nichts, eine bestimmte Körperform wird im deutschen Fernsehen als Idealbild verkauft und das seit 14 Jahren. Und nein, ich glaube nicht daran, dass jugendliche Mädchen „nur“ wegen GNTM eine Essstörung entwickeln, aber ich glaube sehr wohl daran, dass die Sendung zur Vermittlung eines falschen Körperbewusstseins beitragen kann. Mit einer derart großen Reichweite (wie GNTM sie hat) wäre es eigentlich schön zu sehen, dass junge Frauen in ihrer Individualität bestärkt werden und nicht ihre sowieso vorhandenen Unsicherheiten zusätzlich untermauert werden. Ja, das Modelleben existiert und ja es ist hart – aber nein, man muss die irrwitzigen Ideale der Branche nicht auch noch im Fernsehen präsentieren. Aber was soll man sagen – alles für die Quote.