Amazon-Chef und -Gründer Jeff Bezos zieht sich nach 27 Jahren überraschend von der Firmenspitze zurück.

„Derzeit ist Amazon so erfinderisch wie nie zuvor, weswegen dies die optimale Zeit für den Wechsel ist“, begründete der 57-Jährige am Dienstag seinen Entschluss.

Jeff Bezos zieht sich als Amazon-Chef zurück

In der Corona-Krise machte der weltgrößte Onlinehändler erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar Umsatz in drei Monaten. In einem Schreiben an seine Mitarbeiter erklärte Bezos, der das Unternehmen aus Seattle vor 27 Jahren gründete und von einem digitalen Buchhändler zum dominanten Online-Primus mit mehr als 800.000 Mitarbeitern machte, durch den Schritt mehr „Zeit und Energie“ für seine anderen Projekte zu haben. Bei Amazon übernimmt im dritten Quartal der bisherige Chef der Cloudsparte AWS, Andy Jassy, das Ruder.

Neues Projekt: Sein privates Raumfahrtunternehmen Blue Origin

Bezos, der den Titel als reichster Mann der Welt erst kürzlich an Tesla-Gründer Elon Musk abtreten musste, wird Amazon trotzdem nicht den Rücken kehren, sondern als Verwaltungsratschef weiterhin in das Geschäft involviert bleiben. „Ich hatte nie mehr Energie, es geht hier nicht um den Ruhestand.“ Künftig werde er sich stärker auf seine Stiftungen, den SpaceX-Konkurrenten Blue Origin, die Tageszeitung „Washington Post“ sowie seine anderen Leidenschaften konzentrieren, schrieb der frühere Wall-Street-Banker.

Große Pläne hat der Mann mit der markanten Glatze vor allem mit dem privaten Raumfahrtunternehmen Blue Origin, in das er auch sein privates Vermögen steckt. Noch in diesem Frühjahr soll die Firma die ersten Passagiere ins All bringen. Für Schlagzeilen hatte der vierfache Vater auch mit der Trennung von Ehefrau MacKenzie Bezos 2019 nach 25 Jahren gesorgt, durch die sie einen Anteil von vier Prozent an Amazon erhielt.

AWS-Chef Andy Jassy wird Nachfolger

Nachfolger Andy Jassy kann bisher an den Bekanntheitsgrad von Bezos nicht heranreichen. Allerdings verantwortet er mit AWS den weltgrößten Cloudanbieter, der für den US-Konzern immer wichtiger wird. Amazon profitiert davon, dass immer mehr Unternehmen darauf verzichten, eigene, teure Rechenzentren zu betreiben. Stattdessen nehmen sie lieber die Dienste von Cloud-Plattformen in Anspruch, die ihnen auf externen Servern Speicherplatz sowie Anwendungen zur Verfügung stellen. Jassy arbeitet bereits seit 1997 für Amazon und soll AWS aufgebaut haben. Als neuer Chef wird der Harvard-Absolvent sich einiger Probleme annehmen müssen. Dazu gehören etwa die Fragen, wie sich der Schwung aus der Krise in eine Post-Corona-Zeit mitnehmen lässt, wann die Mitarbeiter geimpft werden und wie das Unternehmen auf Ermittlungen wegen Machtmissbrauchs und Forderungen nach einer Aufspaltung reagiert.

Große Erfolge für Amazon während Corona-Pandemie

Im vierten Quartal – für Händler wegen des Weihnachtsgeschäfts das wichtigste Vierteljahr des Jahres – stieg der Umsatz von Amazon um 44 Prozent auf 125,6 Milliarden Dollar. Es war ein Rekord für das Unternehmen, dem die Kunden angesichts geschlossener Läden rund um den Globus glänzende Geschäfte bescheren und immer mehr Waren online erwerben sowie auf weitere Amazon-Dienste wie Prime mit seinem Streaming-Angebot zurückgreifen. AWS steuerte 12,7 Milliarden Dollar zu den Erlösen bei – etwas weniger als von Analysten erwartet. Der Konzerngewinn kletterte auf 7,2 Milliarden Dollar von 3,3 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Für das laufende Quartal geht Amazon-Finanzchef Brian Olsavsky von geringeren Kosten in Zusammenhang mit der Corona-Krise aus. Allerdings auch von einem deutlichen Umsatzminus zum Vorquartal.

An der Börse reagierte die Amazon-Aktie nachbörslich kaum. Das Papier des mit rund 1,7 Billionen Dollar bewerteten Unternehmens legte lediglich leicht zu. 

(Quelle: Reuters)