Feminismus setzt man vor allem mit den Rechten der Frau in Verbindung. Dabei könnten auch junge Männer von einem Aufbrechen der starren Geschlechterrollen profitieren. Der Feminismus setzt sich immerhin für die Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen ein, egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen.

In unserer Gesellschaft stellt man an beide Geschlechter Anforderungen. Selbst wenn sich ein Mensch weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, sollte man sich am besten in eine der beiden Rollen einfügen. Das beginnt schon im Kindesalter, wenn man Mädchen vor allem in pinke Kleider steckt und mit Puppen spielen lässt, während man Buben aus irgendeinem Grund die Farbe Blau zuweist und ihnen Spielzeug-Autos kauft.

Vor allem Frauen leiden unter Geschlechter-Klischees und den oft daraus resultierenden Folgen wie schlechtere Bezahlung und sexuelle Belästigung. Doch auch an Männer hat man hohe Erwartungen. Junge Männer leiden oft unter den festgefahrenen Vorstellungen, wie Männlichkeit auszusehen hat.

Männlichkeit als sozialer Druck

Ob das Geschlecht biologisch vorgegeben oder gesellschaftlich konstruiert ist, wird gerne diskutiert. Egal wie man dazu steht: Fakt ist, dass in unserer Gesellschaft bestimmte Eigenschaften einem bestimmen Geschlecht zugeordnet werden. Die Vorstellungen darüber, was als männlich gilt, machen es beispielsweise Johannes* schwer, über seine Gefühle zu sprechen. Johannes ist 26 Jahre alt und studiert an der Uni Wien. Er würde sich selbst als verletzlich und emotional beschreiben. Diese Eigenschaften schreibt man sonst vorwiegend dem weiblichen Geschlecht zu. „Was bist du für ein Weichei“, war die einzige Reaktion, die er als Junge von seinem Vater bekam, wenn er wegen einer Fußballverletzung zu weinen begann. Seine kleine Schwester nahm der Papa aber immer gerne auf den Arm und tröstete sie. Verstanden hat Johannes das nie. Auch nicht, als er in der Schule von seinen Freunden als Mädchen bezeichnet wurde, weil er bei traurigen Filmen, die ihn an seine Oma erinnerten, feuchte Augen bekam. Immerhin war er ein Bub, er identifizierte sich auch mit diesem Geschlecht. Wieso also sollten gewisse Charaktereigenschaften, die er immer schon hatte, das ändern? Wieso war er weniger Mann, weil er seinen Gefühlen freien Lauf ließ? 

Auf die Frage, ob Johannes gesellschaftlichen Druck verspürt, sich taffer und stärker zu geben als er es eigentlich ist, antwortet er: „Ja. Vor allem als Kind habe ich mich deswegen in eine Rolle gezwängt, die mir eigentlich nicht passt.“ Seinem Vater gegenüber hat er sich immer Mühe gegeben, dessen Vorstellung von Männlichkeit zu entsprechen. Das hat ihn oft verletzt, denn er fühlte sich so, als könne er in seiner eigenen Familie nicht er selbst sein. Aber er merke auch, dass es in den letzten Jahren einen Wandel gegeben hat. Durch den Feminismus sind die Geschlechterrollen ein bisschen weiter aufgebrochen. Das hätte auch Männern geholfen, um sich nicht mehr den starren Vorschriften der Männlichkeit fügen zu müssen.

Geschlechter werden in Schubladen gezwängt

Auch für Lukas* waren die traditionellen Geschlechterrollen immer ein Problem. Der 23-jährige Student bekommt oft von Leuten zu hören: „Was? Du bist schwul. Das hätte ich jetzt nicht gemerkt.“ Ihn macht diese Aussage wütend, denn woran solle man denn merken, welche sexuelle Orientierung er hat? Oft hat er deswegen auch schon nachgefragt, was denn damit gemeint sei. Dann musste er sich anhören, dass er nicht so rede oder so gehe, wie das typische Schwule tun würden. „Das waren teilweise Leute in meinem Alter. Die waren auch nicht homophob oder so. Aber für die war das ganz selbstverständlich, dass es einen stereotypischen Schwulen gibt“, erzählt Lukas. Dabei gäbe es so etwas gar nicht, einen „typischen Schwulen“. Ebenso wenig wie es den typischen Mann oder die typische Frau gibt. Für Lukas hat das Klischee über Homosexualität auch mit den Vorstellungen von Männlichkeit zu tun. „Ich denke, für die Gesellschaft ist es sogar annehmbarer, wenn homosexuelle Männer emotional oder feminin sind. Bei heterosexuellen Männern ist das nicht so akzeptiert. Umgekehrt bin ich als schwuler Mann eben nicht sehr feminin. Das passt nicht in das Schubladendenken der Menschen.“

Nicht nur Geschlechtern, auch unserer Sexualität weist man also bestimmte gesellschaftlich aufgezwungene Attribute zu. Dabei hat die Persönlichkeit eigentlich nur etwas mit der Person zu tun und weder mit ihrem Geschlecht noch mit ihrer sexuellen Orientierung.

*Namen von der Redaktion geändert