Ein Sitzungsprotokoll der österreichischen Regierung sorgte am Montag (27. April) für Aufregung. Denn es legt nahe, dass man die Angst der Bevölkerung vor einer Ansteckung vermutlich bestärken wollte.

Demnach wollte Bundeskanzler Sebastian Kurz offenbar bewusst Angst schüren.

Wollte die österreichische Regierung bewusst Angst auslösen?

Laut einem vom Ö1-Morgenjournal veröffentlichten Sitzungsprotokoll der Coronavirus-Taskforce, sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz offenbar davon, dass die Bevölkerung Angst vor einer Infektion und dem Tod von Angehörigen haben soll. Das Protokoll stammt offenbar von einer Sitzung am 12. März, an der auch der Vizekanzler, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer, sowie Gesundheitsexperten teilnahmen.

Demnach habe Kurz bei der Sitzung seine Bedenken geäußert, er würde noch zu wenig Sorge in der Bevölkerung spüren. Daraufhin habe der ebenfalls anwesende Tropenmediziner Herwig Kollaritsch gemeint, es sei wichtig, dass den Österreichern klar wird, dass es sich hierbei um eine tödliche Krankheit und keine einfache Grippe handle. Dabei erwähnte er etwa die Kommunikationsstrategie der britischen Masernepidemie in den 90ern. Damals habe man bewusst mit der Angst der Bevölkerung gespielt.

Kurz habe lediglich Verständnis für Angst gezeigt

Gegenüber Ö1 betonte der Tropenmediziner Kollaritsch allerdings, dass es nicht von einem Spiel mit der Angst gesprochen habe. Es sei lediglich darum gegangen, dass eine „drastische Wortwahl“ notwendig sei, um ein entsprechendes Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen.

Eine Aussage von Sebastian Kurz, die er etwa zwei Wochen nach der in den Protokollen aufgezeichneten Sitzung tätigte, gießt angesichts der angeblichen Strategie allerdings Öl ins Feuer. Denn am 30. März betonte Kurz bei der Verkündung der Maskenpflicht, dass man ähnlich wie in Italien auch in Österreich bald die Situation haben werde, „dass jeder irgendjemanden kennt, der an Corona verstorben ist“.

Ein Sprecher von Bundeskanzler Sebastian Kurz betonte, dass der Politiker lediglich Verständnis für die Angst um Familienmitglieder gezeigt habe. Und auch das Gesundheitsministerium betonte, dass es bei der Sitzung nur um einen Gedankenaustausch, nicht aber um Strategie und Anweisungen ging.

Opposition empört über Protokoll

Auch die Opposition meldete sich zu dem Vorfall zu Wort und zeigte sich empört über die angebliche Strategie. Die aufgetauchten Protokolle des Corona-Krisenstabes sind für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch „der Beweis dafür, dass Angst- und Panikmache zur Verunsicherung der Bevölkerung elementarer Bestandteil der Krisenstrategie von Kanzler Kurz sind.“, heißt es in einer Aussendung. „Es ist etwas faul bei der Krisenbekämpfung“, betonte auch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried am Montag bei einer Pressekonferenz.

Auch die FPÖ wirft ÖVP-Bundeskanzler Kurz vor, „Angstmache“ würde sich wie ein „roter Faden“ durch seine Reden ziehen. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger fordert unterdessen mehr Transparenz und spricht sich klar gegen eine „Politik der Angst“ aus.

Eine ähnliche Strategie verfolgte man scheinbar auch in Deutschland. Denn auch dort gelangte ein internes Dokument des Innenministeriums an die Öffentlichkeit. Dieses enthielt ebenfalls Kommunikationsstrategien um eine „Schockwirkung“ in der Bevölkerung zu erzielen. Das Dokument liegt dem Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vor.