Paul Alexander, der Anwalt der als „Polio Paul“ weltweit Berühmtheit erlangte, ist mit 78 Jahren gestorben. Rund 72 davon verbrachte er mit einer Eisernen Lunge – nachdem er im Alter von sechs Jahren an Kinderlähmung erkrankt war. Nun erlag er einer Corona-Infektion.

Mit seiner positiven Lebenseinstellung wurde Paul Alexander Weltweit zu einer inspirierenden Figur.

Paul lebt über 70 Jahre in der Eisernen Lunge

Im Jahr 1952 wütet das Poliovirus (Kinderlähmung) in den USA. Rund Zehntausend Kinder erkranken. Auch Pauls Mutter schwant übles, als ihr Sohn Paul eines Tages vom Spielen nach Hause kommt und erste Lähmungserscheinungen zeigt. Ein Luftröhrenschnitt rettet ihm das Leben. Von da an ist er vom Hals abwärts gelähmt. Die Krankheit führt dazu, dass sein Körper nicht mehr selbstständig atmen kann.

Zum Atmen bringt ihn von jetzt an ein 600 Kilogramm schwerer Koloss aus Stahl. Die Eiserne Lunge ist ein zwei Meter großer Metallzylinder, der den Körper bis zum Hals umschließt. Die Unterdruck-Maschine ist in den 50er Jahren der künstliche Atem Polio Erkrankter. Ein Blasebalg saugt Luft aus dem Zylinder und zwingt die Lunge, sich auszudehnen und Luft aufzunehmen. Im umgekehrten Vorgang wird Luft wieder eingelassen, damit die Lunge sich entleert.

Er lernt mit dem Mund zu malen und wird Anwalt

Nachdem Paul die ersten Jahre größtenteils in dem mechanischen Beatmungsgerät verbringt, lernt er selbstständig zu atmen. Seine selbst erlernte Atemtechnik, in der er nach Luft schnappt und diese durch den Hals drückt, ermöglicht ihm, die Maschine kurzfristig zu verlassen. Er schließt die Highschool sowie ein Jurastudium an der University of Texas ab. Danach ist er jahrzehntelang als Anwalt tätig. „Ich wusste, wenn ich irgendetwas aus meinem Leben machen wollte, musste es eine mentale Sache sein“, erzählt er dem Guardian 2020 in einem Interview.

Im selben Jahr veröffentlicht Paul seine Memoiren, an denen er acht Jahre lang arbeitet. Diese schreibt er Berichten zufolge, indem er mit einem Plastikstift auf eine Tastatur tippt und einem Freund diktiert. Mit seiner Geschichte wird Paul zu einer großen Inspiration weltweit. Trotz seiner Behinderung schafft Alexander, mit seinem Mund zu malen, Klienten vor Gericht zu vertreten und an Protesten für Behindertenrechte teilzunehmen.

Paul will seine Maschine nicht mehr verlassen

Eiserne Lungen retten in den Polio-Epidemien der 50er Jahre tausenden Kindern das Leben. Doch die Maschinen sind nur für eine kurze Verweildauer gedacht. Fortschritte in der Medizin bringen Beatmungsgeräte und machen die großen Geräte in den 60er Jahren überflüssig. Doch Alexander entscheidet sich weiterhin in seinem Zylinder zu bleiben. Zu sehr hat er sich an sein „altes eisernes Pferd“ gewöhnt, wie er seine Maschine liebevoll nennt. Das macht ihn zum weltweit letzten Menschen, der in einer Eisernen Lunge lebt. Eine Fundraising-Seite von Organisator Christopher Ulmer ins Leben gerufen, hilft zuletzt Geld für seine Arzt- und Unterkunftsrechungen zu sammeln.

Dem Guardian sagte Paul, er sei durch Zufall zum Aktivisten geworden. „Man muss verstehen, dass es damals keine Krüppel gab, … wohin ich auch ging, ich war der Einzige. Restaurant, Kino … Ich dachte: „Wow, hier draußen ist sonst niemand. Ich werde einfach den Weg ebnen“, erzählte Alexander. „Ich sah mich irgendwie als Repräsentant einer Gruppe. Aus diesem Grund habe ich gekämpft„. Und gekämpft hat er. Für Ärzte grenzt sein langes Leben an ein Wunder. In seinen letzten Jahren ist Alexander fast dauerhaft an die 300 Kilo Maschine gebunden. Nun hat die Eiserne Lunge aufgehört zu atmen.