„Anna hat Glück mit mir gehabt. Und ich habe Glück mir ihr gehabt“, sagt Shadi und lacht verschmitzt. Seit die 32-jährige Anna seine „Patin“ ist, ist für den jungen Syrer hier in Österreich vieles einfacher geworden. Und auch umgekehrt profitiert Anna von der interkulturellen Verbindung zu Shadi. In einem Gespräch mit den beiden haben wir viel über Freundschaft, Menschlichkeit und Nächstenliebe gelernt.

Eine Patenschaft für jemanden zu übernehmen, das bedeutet auch Verantwortung zu übernehmen. Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Hintergründe haben sich seit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 dazu entschieden, einem Asylwerber oder einer Asylwerberin hier in Österreich mit Rat und Tat beizustehen. So auch die 32-jährige Anna aus Oberösterreich. Sie findet es spannend, junge Leute aus einer völlig anderen Kultur kennenzulernen und ist überzeugt, dass genau das, eine neue, wertvolle Perspektive auf viele Dinge geben kann: „Gerade weil im Asylbereich alles so heikel ist, sollte man sich das alles selbst ansehen und sich mit Leuten unterhalten, die da selbst drin stecken, die selbst geflüchtet sind. Die Menschen hier sollten wieder ein bisschen Empathie lernen.“ Anna findet nicht, dass alles wahr ist, was in den Klatschzeitungen steht: „Es sind nicht alle Asylwerber Verbrecher und Vergewaltiger. Es geht darum, andere zu sensibilisieren – und sich selbst auch.“

Zusammen ist man weniger allein

Mehr als 10 Monate ist es nun her, dass Anna im Rahmen des Caritas-Projektes Commit die Patenschaft für den damals 17-jährigen Shadi aus Syrien übernommen hat. Seitdem treffen sich die beiden regelmäßig und immer dann, wenn sie Zeit und Lust haben. Manchmal einmal, manchmal zweimal die Woche. Sie machen sich einfach eine schöne Zeit, gehen gemeinsam spazieren, ins Museum, ins Restaurant oder ins Kino. „Shadi hat mich letztens sogar zu sich nachhause zum Lasagne essen eingeladen“, sagt Anna stolz. Fast genauso stolz erzählt sie auch, dass Shadi ihre Blumen gießt und ihre Katze füttert, wenn sie selbst mal nicht da ist. Auch ihren neuen Job in einer WG für unbetreute Jugendliche hat sie zu einem Teil Shadi zu verdanken, davon ist Anna überzeugt. Schließlich kommt soziales Engagement bei einem Arbeitgebern immer gut an.

Zuhause – Was und wo ist das?

An Weihnachten hat Anna Shadi mit nachhause zu ihrer Familie genommen. Es war sein erstes Weihnachtsfest. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den vielen schönen Christkindlmarkt-Ständen in Weibern, Annas kleiner Heimatgemeinde in Oberösterreich. Am liebsten möchte Shadi irgendwann auch am Land leben. Er selbst kommt aus einer großen Stadt in der Mitte Syriens, die vielleicht noch ein bisschen größer als Wien ist, wie Shadi vermutet. Er ist mit seinem Onkel von dort geflohen. Als junger Mann hätte er in Syrien sonst zum Militär einrücken und Menschen töten müssen. Shadi vermisst sein Zuhause, seine Familie, seine Freunde, sein Leben in seiner alten Heimat. Trotzdem weiß er, dass es dort nie mehr so sein wird, wie damals. Der Krieg hat sein Zuhause für immer zerstört. „Alles ist kaputt. Alle Häuser. Alles ist weg“, Shadi kommt kurz ins Stocken, „Ich könnte nicht in meine Heimat zurückfahren. Meine Heimat, sie kann auch nicht sein so wie früher. Der Krieg ist so böse.“

Was vom Krieg bleibt

Seit seiner Flucht leidet Shadi unter starken Albträumen. Er macht sich große Sorgen um seine Familie, seine Eltern und seine drei Brüder. Er hofft, sie hierher nachholen, sie in Sicherheit bringen zu können. Ein Gericht prüft noch, ob seinem Wunsch stattgegeben wird. Anna hilft, wo sie kann. Sie hat Shadi angeboten, dass er ihr immer alles erzählen kann. Egal was los ist, egal worum es geht. Selbst spricht Anna die Vergangenheit von Shadi nicht an. Sie wartet, bis er bereit ist sich zu öffnen. Manchmal ist er das: „Er erzählt mir viel. Da geht’s ihm dann auch besser, wenn er drüber reden kann. Wenn er jemanden hat, der ihm da zuhört.“

Reden hilft!

Das Reden, aber auch das Schreiben über WhatsApp mit Anna als Muttersprachlerin ist für Shadi eine große Hilfe beim Deutschlernen. Gerade hat Shadi den A2-Kurs bestanden. Um seinen Hauptschulabschluss nachholen zu können, braucht er die B1-Prüfung. Das kommt als nächstes. Shadis Traum ist es, Friseur zu werden. Oder Mechaniker. Für ihn ist es wichtig, mit jemandem auf Deutsch zu kommunizieren und eine Ausbildung machen zu können. Ganz einfach ist es nicht, hier ohne Hilfe Anschluss zu finden: „Wenn Anna nicht bei mir ist, ist es schwierig für mich, hier in Österreich Leute kennenzulernen. Sie hilft mir soviel.“

Mit Vorurteilen umgehen lernen

Es trifft Shadi, wenn man ihm vorwirft, die Flüchtlinge wollten nichts arbeiten oder dass sie alle aggressiv und gefährlich seien. Das käme zum Glück aber nicht so oft vor, erzählt er. Hier in Österreich gäbe es nämlich viel mehr nette, als böse Leute: „Gemeine Menschen gibt es in Österreich auch, aber die gibt es überall. Wenn mich jemand beschimpft, dann höre ich nicht hin. Wenn er blöd ist, mache ich es anders als er.“

Shadi kommt hier inzwischen gut zurecht. Er hat sich an die Gepflogenheiten in Österreich gewöhnt, sich gut eingelebt. Irgendwann, da möchte er auch so eine Familie haben, wie Anna sie hat, sagt er einmal etwas verlegen. „Das bekommst du“, spricht die ihm gut zu. Und irgendwie hat Shadi sie in Anna ja auch schon gefunden.