Seit nahezu vier Wochen gehen die Menschen in Belarus auf die Straße. Grund ist die Politik unter dem amtierenden Präsidenten Alexander Lukashenka. Doch dieser gibt nicht nach. Nun gilt die Oppositionsführerin Maria Kalesnikawa als vermisst.

Doch worum geht es bei den Ausschreitungen in Belarus und wieso sollten wir nicht wegsehen?

Europas letzte Diktatur

Belarus oder Weißrussland gilt als letzte Diktatur Europas. Seit 1994 ist Alexander Lukashenka der autoritär und repressiv regierende Präsident. 26 Jahre lang hielt er an seiner Macht fest. Und tut es immer noch. Dabei gab es bis vor den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 noch Hoffnung bei den etwa zehn Millionen Einwohnern Weißrusslands. Menschen organisierten Grassroots-Bewegungen, also politische Initiativen, die Opposition wurde bei Kundgebungen unterstützt. Die Bevölkerung schien bereit für einen neuen Präsidenten. Die Wahl im August wurde von anhaltenden Protesten begleitet. Ihr Ausgang führte zu Massenprotesten in dem europäischen Land. Weil Gegenkandidaten festgenommen wurden und man Wahlmanipulationen nachweisen konnte, gilt die Präsidentschaftswahl als Scheinwahl.

Lukashenka hatte zuvor die Corona-Pandemie verharmlost, ließ Massenveranstaltungen ohne Vorsichtsmaßnahmen zu. Zudem würde das Land wirtschaftlich extrem schwach dastehen. Wie schlecht genau kann man allerdings nicht sagen. Denn verlässliche Zahlen kann man in einem Land, das diktatorisch regiert und restriktive Informationspolitik betreibt, nur schwer finden. All das spielte der Opposition in die Karten. Die Behörden versuchten, die Demonstrationen sowie die Kundgebungen der Opposition zu verbieten und gingen teilweise mit Gewalt dagegen vor. Teilnehmer wurde festgenommen. Oppositionelle Kandidaten wurden nicht zur Wahl zugelassen.

Lukashenka gibt nicht nach

Lukashenka ging augenscheinlich als Sieger der Wahl hervor. Von der Europäischen Union wird er aber nicht mehr als legitimer Präsident anerkannt. Nach der Wahl kam es zu den größten Massendemonstrationen, die das Land seit der Ausrufung der Republik Belarus im Jahr 1991 je gesehen hat. Seit dem 13. August traten zudem landesweit hunderttausende Arbeiter in einen Generalstreik, sogar jene, die zuvor auf der Seite der Regierung standen. Die aussichtsreichste Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja sah sich nach der Wahl gezwungen das Land zu verlassen. Sie befindet sich momentan im benachbarten Litauen.

Oppositionspolitikerin Maria Kalesnikawa vermisst

Die Oppositionspolitikerin Maria Kalesnikawa gilt unterdessen seit dem 7. September als vermisst. Medienberichten zufolge soll die 38-Jährige festgenommen oder verschleppt worden sind. Die Polizei prüfe, ob Kalesnikawa entführt worden sein. Kalesnikawa arbeitet für den früheren Bankenchef Viktor Babariko, der für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Sie ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt. Kalesnikawa hatte viele Jahre in Stuttgart gelebt und von dort aus Kulturprojekte organisiert. Sie trat immer wieder bei Protestaktionen auf und wurde dabei von den Demonstranten bejubelt. Bei der Großdemonstration am Sonntag marschierte sie in Minsk mit.

Die Rolle der Frauen bei den Protesten

Swjatlana Zichanouskaja, Maria Kalesnikawa und Veronika Zepkalo zählen zu den Oppositionspolitikern, die den Menschen in Belarus dieses Jahr durch ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit Hoffnung schenkten. Damit haben sie offenbar auch anderen Frauen Mut gemacht, politisch aktiv zu werden. Zuletzt zogen tausende Frauen mit weiß-rot-weißen Fahnen und Blumen durch die Hauptstadt Minsk. Sie umarmten Polizisten und steckten Blüten in die Schutzschilde der Beamten. Ein ungewohnt friedlicher Protest nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen in den letzten Wochen.

Wieso ist es wichtig zu wissen, was in Belarus passiert?

Die EU hat mittlerweile Sanktionen gegen Belarus angekündigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich im August dafür aus, solche Strafmaßnahmen so bald wie möglich umzusetzen. Zudem hat von der Leyen auch eine finanzielle Unterstützung von Anhängern der neuen Demokratiebewegung in Belarus angekündigt. Die EU-Kommission werde zwei Millionen Euro für die Opfer von Repression und nicht hinnehmbarer Staatsgewalt bereitstellen.

Für die europäische Außenpolitik steht nämlich viel auf dem Spiel. Drei EU-Länder sind direkte Nachbarn: Polen, Litauen und Lettland. Für sie liegt Belarus direkt auf der anderen Seite der Grenze. Belarus gehört zu einigen früheren Sowjetrepubliken, mit denen die EU seit gut zehn Jahren besondere Beziehungen pflegt. Eine vorsichtige Anbindung an die EU ist das Ziel. Man möchte verhindern, dass sich das Land an Russland annähert.