„Das Omen“ zählt nicht nur für Fans von Horrorfilmen zu den absoluten Klassikern der Filmgeschichte. 48 Jahre später folgt jetzt ein Prequel. Ob das gut gehen kann?

Wir haben uns das alles einmal ganz genau angesehen.

„Das erste Omen“: Ein Prequel für einen Klassiker?

Habt ihr schon einmal von dem Phänomen der „Twin Films“ gehört? Damit gemeint sind Filme, die ziemlich zeitnah veröffentlicht werden und auch noch einen ähnlichen Inhalt haben, jedoch von unterschiedlichen Studios produziert wurden. Berühmte Beispiele sind etwa „Antz“ und „Das große Krabbeln“, die beide im Jahr 1998 über unsere Kinoleinwände flimmern oder die Rom-Coms „Freunde mit gewissen Vorzügen“ und „Freundschaft Plus“. 2024 reiht sich ein neuer „Twin Film“ in diese Liste ein. Denn mit „Immaculate“ und „Das erste Omen“ gibt es im April 2024 gleich zwei Horrorfilme, in denen eine amerikanische Nonne nach Italien reist und dort schwanger wird. Während „Immaculate“ dabei allerdings als alleinstehender Film fungiert, ist „Das erste Omen“ ein Prequel des Horrorklassikers „Das Omen“ aus dem Jahr 1976.

Und genau hier liegt für viele schon das erste Problem. Denn die Frage, die sich wohl viele nach unzähligen Prequels, Sequels, Spin-Offs und Reboots fragen, ist: Braucht es das denn wirklich? Schließlich ist „Das Omen“ einer dieser Filme, von denen Filmfans heute noch bis ins kleinste Detail berichten. Ein Film, der sogar mit einem Oscar ausgezeichnet wurde und ein Film, der bereits darunter leiden musste, dass Fortsetzungen und Neuverfilmungen einfach nicht mit dem Original mithalten konnten. Braucht dieser Film also wirklich noch einen weiteren Zusatz zu den bereits existierenden fünf „Omen“-Filmen und der Serie?

Wie kam es zur Geburt des Antichristen?

Die kurze Antwort ist: Ja! Zumindest in dem Fall der aktuellen Verfilmung. Denn mit „Das erste Omen“ schafft Regisseurin Arkasha Stevenson einen Film, der zwar offensichtlich ein Prequel ist, jedoch auch gut als alleinstehender Horrorfilm funktionieren würde – und das mit erstaunlich viel Tiefe für das Genre. Denn inhaltlich geht es in „Das erste Omen“ um Margaret, eine junge Frau, die auf dem Weg zum Dasein als Nonne ist und von ihrer Kirche in Amerika nach Rom geschickt wird, um dort in einem Waisenhaus zu helfen. Sie selbst hatte durch einige Traumata keine einfache Kindheit und macht es sich deshalb zur Aufgabe, den Kindern zu helfen.

Ganz besonders die junge Carlita wird zu ihrem Schützling; ein Mädchen, das von den (absolut unheimlichen) Nonnen als Außenseiterin behandelt wird. Ihr wird vorgeworfen, aggressiv zu sein und die Nonnen zu attackieren. Eben deshalb verbringt sie einen Großteil ihrer Zeit in einem Einzelzimmer; eingesperrt, einsam und verstoßen. Dass dahinter allerdings viel mehr steckt als nur eine brutale Erziehungsweise der 1970er-Jahre, muss Margaret im Laufe des Films herausfinden. Denn schon bald erfährt sie: nicht jeder in der Kirche vertritt denselben Glauben; auch unter den Nonnen gibt es offenbar die Guten – und die Bösen.

Viele Anspielungen an Original

Zugegeben, für Fans von Horrorfilmen ist diese Handlung alles andere als bahnbrechend. Brutalität in der Kirche ist schließlich ein Motiv, das Fans des Genres schon aus den unterschiedlichsten Klassikern kennen. Auch die Thematik der Dämonen, des Antichrist und zahlreichen anderen Anekdoten der Kirche wurden in den vergangenen Jahrzehnten wieder und wieder für das Genre genutzt; man denke nur an „Der Exorzist“, „The Nun“ oder „Das Ritual“. Was „Das erste Omen“ aber so besonders macht, ist der Blickwinkel des Films. Hier steht nicht die Kirche im Vordergrund, ein heldenhafter Pastor oder ein Mann, der vom Glauben abgekommen ist, sondern eine junge Frau, die eigentlich nur helfen möchte. Eine Frau, die selbst einen schwierigen Weg hinter sich hat und Zuflucht im Glauben gesucht hat.

Als Publikum begleiten wir Margaret dabei, wie sie zum ersten Mal feiern geht, in Rom einen netten Mann kennenlernt (der in einer vermutlich unabsichtlichen, aber großartigen „Lizzie McGuire“-Referenz Paolo heißt) und auch daran zweifelt, ob ihr Weg denn der richtige ist. Eine Frau, die ihren Zugang zum Glauben mit dem der anderen Nonnen vergleicht und immer wieder auch das Opfer von massivem Missbrauch durch die Menschen wird, die sie eigentlich ihre Zuflucht und Familie nennt.

Anhand ihrer Geschichte wird Schritt für Schritt nachgezeichnet, wie es denn zu Damien kam, dem Kind, das Fans aus „Das Omen“ kennen. Da darf natürlich auch mit der ein oder anderen Anspielung an das Original nicht gespart werden. Ein Tod im Film erinnert etwa an eine ganz besondere Szene aus dem Original, in der Damiens Nanny stirbt. Sie bekommt jedoch ein brutales Update! Auch Pater Brennan – jener Mann, der das Rätsel rund um die Identität von Damien im Originalfilm auflöst – spielt in dem Prequel eine essenzielle Rolle.

„Das erste Omen“ oder „Der Horror der Frau“

Doch so sehr „Das erste Omen“ wie das Original das Thema Religion in den Fokus stellt, so sehr geht es in diesem Prequel auch um die Frage der Restriktion der Weiblichkeit. Um Missbrauch an einer unschuldigen jungen Frau, an einem jungen Mädchen und der immer wieder kehrenden Problematik der „Reinheit“. Eben diese Szenen sind wohl für viele der wahre Horror des Films. Etwa, wenn eine junge Frau gleich zu Beginn angekettet auf einem Tisch liegt, mit einem Sack über dem Kopf, und nicht weiß, was mit ihr als Nächstes geschieht.

Ja, „Das erste Omen“ hat einige blutrünstige, brutale und extreme Szenen, der wahre Horror liegt allerdings im Machtmissbrauch einiger Figuren, die es nicht für notwendig halten, die Frauen, deren Körper sie misshandeln, auch nur ansatzweise darüber zu informieren, was sie überhaupt vorhaben. Stattdessen sind Frauen für sie nur Objekte, die sie benutzen, um an ihr Ziel zu kommen. Ihre Gebärfähigkeit wird verehrt und gepriesen, sie selbst sind jedoch nur Mittel zum Zweck und werden nicht um ihre eigene Meinung gefragt. Gezeigt werden Ängste und Situationen, die wohl im Alltag vieler Frauen vorkommen (wir sagen nur Consent und sexueller Missbrauch!)

Lohnt sich das Prequel?

Auch Hauptdarstellerin Nell Tiger Free betont, dass eben diese Thematik das ist, was den Film ausmacht. „Es ist immer schön, einen kleinen juicy feministischen Unterton zu haben“, erzählt sie im Gespräch mit „The Wrap“. „Das ist immer eine schöne Nuance, mit der man spielen kann. Ich denke, der Film ist thematisch sehr düster, er behandelt sehr aktuelle und sehr schwierige Dinge. Aber er tut dies auf eine Art und Weise, bei der wir nicht versuchen, den Zuschauern etwas aufzudrängen. Wir versuchen nicht einmal, ihnen unsere Meinung aufzudrängen.“

In der Darstellung des Missbrauchs merkt man ganz stark den Blick der Regisseurin und diesen feministischen Unterton, den die Hauptdarstellerin angesprochen hat. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Horrorfilmen geht es hier nicht um die Fetischisierung des leidenden (weiblichen) Körpers. Es geht darum, Leid, Missbrauch und Kontrolle darzustellen. Ja, das beinhaltet teils auch blutrünstige und sehr grafische Darstellungen. Sie werden aber nicht benutzt, um ein Spektakel aus dem Leid der Frauen zu machen, sondern, um es so authentisch wie möglich darzustellen. Das ist vielleicht ein Horror, den nicht jeder im Saal zu 100 Prozent nachfühlen kann. Doch es ist ein wichtiges und omnipräsentes Gefühl, das einen Platz im Genre verdient hat und in „Das erste Omen“ authentisch gezeigt wird. Alleine dafür hat sich das Prequel definitiv gelohnt!