Krebs: Für viele eine Horrorvorstellung und für einen großen Teil der Bevölkerung eine Schockdiagnose. Dabei sollte anstelle von „Schock“ und „Horror“ vielleicht ein anderes Wort Einzug in den Diskurs um Krebs halten: Realität. Denn für viele ist eine Krebsdiagnose nun einmal genau das.

“Die PatientInnen werden meist von einer Minute auf die andere mit der Diagnose konfrontiert und das zieht einem schon den Boden unter den Füßen weg”, erklärt Mag. Karin Isak, Klinische Psychologin und Psychologische Leiterin des Beratungszentrums der Österreichischen Krebshilfe in Wien.

Diagnose Krebs: Was dann?

Die Diagnose Krebs trifft die meisten Patienten völlig unvorbereitet und überraschend mitten im Leben. Zu den medizinischen Fachbegriffen, mit denen man von jetzt an konfrontiert wird, kommt vielleicht auch noch die eigene Fantasie. Alle Bilder und Begrifflichkeiten, die man jemals zu der Krankheit gesehen oder gehört hat, werden im Kopf durchgespielt. “Schock”, “Horror”, „Leiden“, “Tod”, das alles wird möglicherweise Realität. “Meistens herrscht in den ersten Tagen massive Todesangst vor, egal welche Prognose gestellt wurde”, schildert Karin Isak. Die Kommunikation zwischen Arzt oder Ärztin und den Patienten ist deswegen besonders wichtig. Die Mediziner sollten sich ausreichend Zeit nehmen und die Diagnose ebenso wie den Behandlungsplan den Patienten genau erklären und auf alle Fragen eingehen. Obwohl es viele kompetente Ärzte in Österreich gibt, kann es trotzdem passieren, dass die Chemie zwischen Experten und Patienten nicht immer stimmt. Hier kann man sich als Erkrankter überlegen, eine Zweitmeinung einzuholen.

Der Körper ist krank: Wie pflegt man die Psyche?

Die Diagnose Krebs hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Denn die Erkrankung, ebenso wie die einhergehenden Behandlungen, sind auch aus psychologischer Sicht anstrengend. Aus diesem Grund arbeiten in vielen Krankenhäusern auch Psychoonkologen. Die Psychoonkologie beschäftigt sich mit allen Belangen rund um die Krebserkrankung. “Das Ziel der Psychoonkologie ist es, die Lebensqualität von PatientInnen und deren Angehörigen zu verbessern”, erklärt Psychoonkologin Isak. Patienten, aber auch Verwandte und Bekannte können sich in Österreich an die Beratungszentren der Österreichischen Krebshilfe wenden. “Wir bieten zum Beispiel in der Krebshilfe sehr viele Gruppen an, wo auch Erfahrungen miteinander ausgetauscht werden und das kann alles zusammen für die Bewältigung der Krebserkrankung sehr hilfreich sein”, sagt Isak.

Die Arbeit von Karin Isak ist sehr vielfältig, denn Krebspatient ist nicht gleich Krebspatient. Ob es sich um Einzelgespräche mit Betroffenen handelt, das Moderieren von Selbsthilfegruppen, in denen sich die Erkrankten untereinander austauschen können oder um längere unterstützende psychoonkologische Gespräche mit den Patienten und deren Familienmitgliedern: Krebs betrifft viele Aspekte des Lebens und kann auf unterschiedlichste Art und Weise verarbeitet werden. Wichtig ist zu wissen, dass jeder auf seine eigene Art und Weise damit umgehen darf: Ob man seine Krankheit der Welt zeigen oder sich lieber zurückziehen möchte.

Wie kann man als Angehöriger mit der Diagnose Krebs umgehen?

Nicht nur Patienten, auch Bekannte, Freunde, Arbeitskollegen und Verwandte sind von der Krebserkrankung betroffen. Und auch für sie ist es oft schwierig, mit der Diagnose umzugehen. “Die PatientInnen berichten das sehr häufig, dass im Umfeld auch manchmal ein bisschen ungeschickt reagiert wird”, erzählt Karin Isak. Es komme vonseiten der Angehörigen oft entweder zu einem Über-Engagement oder einem Rückzug. Manchmal werden die Erkrankten mit vielen gutgemeinten Ratschlägen überhäuft. “Das ist die Hilflosigkeit, die dahintersteckt. Man will unbedingt etwas Gutes tun”, erklärt Isak. Auf der anderen Seite gibt es auch jene, die sich komplett von der an Krebs erkrankten Person abwenden. Dieses Phänomen wird oft bei Kindern und Jugendlichen beobachtet.“ Das hat nichts damit zu tun, dass sie bösartig sind, sondern sie verkraften es ganz einfach nicht”.

Doch auch Angehörige können sich in Beratung begeben und mit Psychologen darüber sprechen, wie sie mit der Erkrankung ihrer Liebsten umgehen sollen. So freute sich Karin Isak erst vor Kurzem über eine Gruppe junger Frauen, deren Freundin in einem sehr jungen Alter erkrankt ist. “Es haben sich fünf Freundinnen zusammengetan und gesagt ‘wir wollen jetzt gerne in die Krebshilfe kommen, wir möchten uns erkundigen, wie wir unserer verzweifelten Freundin gut zur Seite stehen können in dieser besonders schweren Zeit’”, erzählt die Psychoonkologin. Denn die richtige Kommunikation spielt auch zwischen Erkrankten und Angehörigen eine wichtige Rolle.

Depression, Angst, Müdigkeit: Ist man noch normal?

Die Krebserkrankung ist für viele Menschen Realität. Doch zunächst “fällt man erst einmal aus der Realität”, wie Psychologin Isak erklärt. Während der Therapie ist man körperlichen und psychischen Herausforderungen ausgesetzt. Man muss seinen Alltag ändern, braucht vielleicht mehr Unterstützung von Familienmitgliedern. Die Behandlungen können auch müde machen. “Bin ich noch normal, weil ich jetzt erschöpft bin, weil ich verzweifelt bin, weil ich Ängste habe. Ist das alles normal?”, fragen sich viele der Patienten, mit denen Karin Isak im Beratungszentrum der Österreichischen Krebshilfe Wien im 20. Bezirk zu tun hat. Und gerade da tue es gut zu hören, dass es völlig normal ist sich in einer herausfordernden Situation so zu fühlen, dass es aber Möglichkeiten gibt, wieder ein Wohlbefinden zu erlangen, indem man zum Beispiel eine Beratung aufsucht.

Depression und Angst seien wichtige Themen in der Arbeit von Karin Isak. Denn für sie als Psychoonkologin gehe es auch darum, festzustellen, ob sich bei einem Patienten eine Depression einstellt. “Da ist es auch in Ordnung, wenn man sich zusätzlich zu psychologischen Gesprächen auch stützende Medikamente verschreiben lässt, um die Depression zu lindern.”, versichert Isak. Depressionen und Angst können auch nach erfolgreicher Behandlung der eigentlichen Erkrankung lange nachwirken.

Letzter Behandlungstag und dann?

Der Krebs ist nicht mit der letzten Chemotherapie oder dem letzten Behandlungstag abgeschlossen. Karin Isak sprich von einer “Krankenhausblase”, in der man sich während der Therapie befunden habe. Das Leben hat sich für einige Monate komplett verändert. Wieder in die alte Realität zu finden, passiert in vielen Fällen nicht von heute auf morgen. “Es braucht schon auch noch eine Übergangsphase bis ein Alltag wieder gelebt werden kann und das wissen noch nicht so viele und stellen daher meist zu große Erwartungen an die PatientInnen, erklärt Isak. Die Psychoonkologie beschäftigt sich deswegen auch mit den Nachwirkungen der Krebsbehandlung und versucht, die Patienten bestmöglich auf ihrem Weg zurück in den beruflichen/häuslichen Alltag zu begleiten.

In Österreich können Erkrankte nach der Behandlung 22 Tage auf eine onkologische Rehabilitation gehen. Isak begrüßt das vielfältige und großartige Angebot der Zentren in Österreich. Doch sie betont auch, dass diese drei Wochen noch nicht ausreichend seien, um psychologisch mit der Erkrankung abzuschließen. Gerade deswegen seien Psychoonkologen auch als “Nachsorgespezialisten” tätig.

Kontoinhaber: Österreichische Krebshilfe
IBAN: AT81 1200 0032 1040 4417
Verwendungszweck: ausmissten