Früher hatte ich eine romantische Vorstellung vom Homeoffice. Dann kam die Corona-Pandemie. Jetzt bin ich nicht nur desillusioniert, ich hab‘ auch noch viel zu viel Geld in neue Möbel gesteckt und hasse meine Wohnung trotzdem.

Seit einem Jahr führe ich eine toxische Beziehung mit meinen eigenen vier Wänden. Wie so etwas aussieht, erzähle ich euch hier:

Homeoffice: Nur ich und meine Wohnung

Vor 2020 habe ich meine Wohnung über alles geliebt. 30 Quadratmeter mitten in Wiens siebtem Bezirk. Moderne Küche mit überaus effizientem Gasherd, modernes Badezimmer, Ausblick in einen schönen Innenhof, die schwarzen Möbel kaufte ich billig von meiner Vormieterin ab und die niedrige Miete erleichterte mir mein Leben als Studentin und hilft mir im Berufsleben zumindest etwas Geld auf die Seite legen zu können. Meine Wohnung hatte alles, was ich brauchte und wollte. Ja, man könnte sagen, ich war vor 2020 wirklich verliebt in diese vier Wände.

Und dann kam der Tag, der alles ändern sollte. Auf dem Boden der Redaktion bin ich damals gesessen und habe gemeinsam mit meinen Kolleginnen unserem Bundeskanzler zugehört, wie er den ersten Lockdown verkündete. Für die Online-Redaktion war klar: Wir gehen ins Homeoffice, für uns ist der Umstieg ohne Weiteres möglich. Ich fand den Ausblick aufs Arbeiten von zu Hause eigentlich ziemlich entspannend: später aufstehen, keine grantigen Gesichter bei der morgendlichen U-Bahn-Fahrt, weniger Ablenkung durchs Tratschen mit den liebsten Kolleginnen und schnelles Mittagessen dank meines super effizienten Gasherds. Ich freute mich auf ein paar schöne Wochen alleine in meiner Wohnung, alleine MIT meiner Wohnung. Am Abend würde ich mich vors Fenster setzen und die Bücher lesen, für die ich vorher nie Zeit hatte. Ja, ich hatte schon fast Herzerl in den Augen bei der Vorstellung von mir und meiner Wohnung in trauter Zweisamkeit.

Aus schwarz wird weiß

Im ersten Lockdown war es dann tatsächlich so, dass ich die Zeit zu Hause richtig genießen konnte. Von meiner Wohnung aus erledigte ich meine Arbeit viel effizienter, auch wenn ich zuerst Probleme damit hatte, die richtige Balance zu finden und ich aus meinem Home ein reines Office machte. Nach ein paar Wochen pendelte sich das dann wieder ein, doch während der Lockerungen im Sommer war ich eigentlich wieder recht froh, ins tatsächliche Büro mit tatsächlichen Menschen fahren zu können. Denn inzwischen hatte ich bemerkt, wie klein 30 Quadratmeter und wie dunkel schwarze Möbel sein können.

Vor der Pandemie hatte ich nie wirklich viel Zeit in meiner eigenen Wohnung verbracht. Meistens war ich im Büro, mit Freunden unterwegs, bei meinem Freund, bei meinen Eltern, im Club, in einer Bar, auf Urlaub oder auf irgendeinem Tagesausflug: alles Dinge, von denen ich seit 2020 nur noch nostalgisch träumen kann – in meinem Bett in meiner Wohnung.

Im November kam es dann erneut zum Lockdown. Auch ich sah mich aus privaten Gründen gezwungen, großteils wieder in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. Dieses Mal wollte ich mich aber professionell vorbereiten. Und wo bereitet man sich professionell aufs Homeoffice vor? Richtig! Bei Ikea. Neues Bett, neue Regale, neuer Schrank, neuer Couchsessel, neue Pflanzen, neuer Teppich. Alles nicht nur neu, sondern auch weiß. Das Gegenteil von schwarz, so schlussfolgerte ich nach dem ersten Lockdown, würde verhindern, dass mir die Decke auf den Kopf fällt.

Online-Sportkurse und unzählige Stundenpläne

Im ersten Lockdown habe ich mich – wie viele andere auch – noch sehr bemüht, meine sozialen Kontakte zu pflegen. Mindestens drei private Zoom-Meetings in der Woche standen in meinem Terminplan – so sozial war ich nicht einmal vor Corona. Im November wollte ich nicht mehr alleine in der Wohnung mit einer Bierdose in der Hand vor einem Bildschirm sitzen und meinen Freunden beipflichten: „Ja, verrückte Zeiten, in denen wir leben.“ Ich fing an, mir Ausreden einfallen zu lassen, um nicht mehr an den Videocalls teilnehmen zu müssen. Welche Ausreden in einer Zeit glaubhaft sind, in der man sowieso nur zu Hause sitzen darf? Glaubt mir, wenn ihr wirklich wollt, findet ihr sie.

Gleichzeitig fing ich aber auch an, jeden Tag Sport zu machen – danke Pamela Reif – und vermehrt auf eine gesunde Ernährung zu achten – danke jeder Influencer da draußen. Vor Corona konnte man meine Essgewohnheiten trotz effizientem Gasherd mit einer Zeile aus dem Lied „Ich geh heut nicht mehr tanzen“ von AnnenMayKantereit beschreiben: „Vietnamesisch neben dem Bett. Ich hab nie was im Kühlschrank.“ Am Anfang des zweiten Lockdowns überraschte ich mich selbst damit, wie viele frische Lebensmittel ich in meiner Küche hatte. Ich fühlte mich fit und gesund. Zusätzlich hatte ich unzählige Terminplaner und Studienpläne, die mir dabei helfen sollten, Arbeitszeit und Freizeit besser zu trennen. In der Mittagspause drehte ich täglich eine Runde um den Häuserblock. Ich fühlte mich wie die Königin des Homeoffice.

Ein Jahr Homeoffice: Online-Bestellungen und Coffee-To-Go

Nach den Weihnachtsfeiertagen stellte sich mein Erfolgskurs aber ein. Ich machte nicht mehr jeden Tag Sport, ich erwischte mich selbst dabei, wie ich noch lange nach meiner Dienstzeit vor dem Computer saß, meine Essgewohnheiten wurden wieder schlechter und zusätzlich bemerkte ich eine Social Awkwardness, die wohl daher rührte, dass meine treueste Ansprechpartnerin während dieser Zeit meine Wohnung war.

Mittlerweile habe ich zwei neue Hobbys, Lesen ist noch immer keines davon. Zum einen ist das, absolut unnötige Dinge auf Amazon zu bestellen (ich habe jetzt einen Entsafter, unzählige Thera-Bänder und einen Lichtwecker, den ich noch mehr verfluche als zuvor mein Handy). Außerdem sehne ich mich mittlerweile so sehr nach täglichen Kontakten, dass ich mir in der Mittagspause statt tatsächliche Nahrung aufzunehmen, jeden Tag für 4,20 Euro einen Coffee-To-Go hole, um zumindest kurz mit dem Barista zu plauschen. Deren Reaktionen auf meine Fragen bestätigen übrigens meine schon zuvor erwähnte Social Awkwardness. Fast ein ganzes Jahr Homeoffice hinterlässt wohl doch seine Spuren. Wer sich jetzt fragt, was die Pointe dieses Textes war: 30 Quadratmeter sind auch mit weißen Möbeln noch recht wenig und ich freue mich auf die Zeit nach Corona.