Der Hamburger Rapper Bonez MC sorgte am Wochenende für einen Shitstorm auf Social Media. Darin beschwerte er sich, dass „Frauen heutzutage nichts können“. Zum Glück ist das aber nicht der Fall. Das beweisen Amy Wald und Valentina Vale mit ihrer schlagfertigen und musikalischen Antwort.

Im Interview mit uns sprechen sie über Sexismus, das Frauenbild in unserer Gesellschaft und wieso man mit seiner Reichweite verantwortungsvoll umgehen sollte.

Sexistischer Post von Rapper Bonez MC

„Sport, Schach, Kochen“: Wenn Frau das nicht kann, muss sie sich auch überhaupt nicht wundern, dass sie nur auf ihren Körper oder – in den Worten von Bonez MC – auf ihre Titten und ihren Arsch reduziert wird. In seiner Story postete er einen Leitfaden, wie sich Frauen verhalten sollten, um „sexy zu sein“. Der Rapper ist bekannt für seine frauenfeindlichen Texte und auch seine HipHop-Crew 187 Straßenbande macht immer wieder mit gewaltverherrlichenden Lyrics und sexistischen Klischees auf sich aufmerksam. Das ist besonders problematisch, wenn man bedenkt, dass Bonez MC auf Instagram 2,3 Millionen Follower hat.

Und dann gibt es da noch Amy Wald und Valentina Vale, denen auf Instagram mehr als 44.000 Menschen folgen. Die Sängerin und die YouTuberin sind sich nicht nur ihrer Verantwortung ihren Followern gegenüber bewusst, sondern auch noch richtig schlagfertig. Das beweist die musikalische Antwort auf den sexistischen Post von Bonez MC.

Wie seid ihr auf den Post von Rapper Bonez MC gekommen?

Valentina Vale: „Durch einige Reposts von Freunden. Wir dachten uns sofort: ‚Das kann doch nicht ernsthaft irgendjemand in seine Storys posten oder?'“

Amy Wald: „Einige von unseren Freundinnen haben das auch in ihren Storys thematisiert.“

Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr den Post durchgelesen habt?

Valentina Vale: „Wut!“

Amy Wald: „Wenn ich so etwas lese, spüre ich oft einen Weltschmerz, weil ich mir denke, wir sind im Jahr 2020. Wir sollten schon längst über solche Dinge hinweg sein. Wir sind auch schon in vielen Bereichen fortgeschritten und doch gibt es solche Menschen [Anm.: Rapper Bonez MC]. Da verliert man ein bisschen den Glauben an die Menschheit. Auch, wenn es unfair ist, dass nur eine Person solche Gefühle auslösen kann.“

Valentina Vale: „Ich war wütend und traurig zugleich. Einerseits, dass es solche Aussagen überhaupt noch gibt. Dass sie von jemandem kommen, der Vater von einem Mädchen ist und der so viel Reichweite hat und so viele Menschen beeinflusst, der so viele junge Männer beeinflusst.“

Was ist eurer Meinung nach so problematisch an dem Post von Bonez MC?

Amy Wald: „Ich finde es traurig, welche Weltanschauungen einerseits in seinen Song, aber eben auch auf Social Media transportiert werden. Es geht einfach nur um Geld. Die Frauen in seinen Musikvideos werden zudem wirklich nur als Sex-Objekte dargestellt. Das ist dieses ultimative Rapper-Bild, das man teilweise hat. Es ist zwar auch schon veraltet, aber es gibt einfach Personen, die dem gerecht werden. Und das ist sehr traurig, weil es gibt Menschen in der Rap-Szene, die versuchen, dagegen zu arbeiten.“

Valentina Vale: „Ich finde es Schade, dass man sich mit so viel Reichweite nicht ein bisschen besser überlegt, was man in die Öffentlichkeit setzt.“

Ihr habt euch dazu entschieden, eine musikalische Antwort auf den Post zu geben: Wieso?

Valentina Vale: „Amy hatte die Idee. Wir haben dieses ganze Spektakel, um diesen Post mitbekommen und auf einmal nimmt sie die Gitarre und fängt an, etwas herumzuschreiben. Ich habe sie gefragt, was sie da macht und sie sagte nur: ‚Ich will eine Antwort schreiben‘. Und ich: ‚Das finde ich gut, dass ist eine geile Idee‘. Die Vorlage war sein Text und wir haben ein bisschen herumexperimentiert.“

Amy Wald: „Das hat nicht lange gebraucht.“

Valentina Vale: „Das hat echt nicht lange gebraucht. Für den Text haben wir maximal eine halbe Stunde gebraucht. Dann haben wir noch an dem musikalischen Drumherum gearbeitet und uns überlegt, welche Melodien etc. sollen wir verwenden, damit es uns persönlich auch gefällt. Dann haben wir es geübt und aufgenommen.“

Amy Wald: „Du hast noch die Power Point Präsentation gemacht.“

Valentina Vale: „Stimmt! Ich habe gedacht, es braucht noch was. Erstens wollte ich nicht nur daneben sitzen und nichts tun und nur am Schluss kurz mitsingen. Da habe ich mich gefragt, wie wir unseren Sarkasmus noch ein bisschen besser hervorheben könnten.“

Amy Wald: „Mit Comic Sans und einer Power Point Präsentation!“

Valentina Vale: „Ja, ich dachte mir, die Power Point Präsentation bringt noch den letzten Charme.“

Amy Wald: „Es war einfach alles sehr spontan. Als wir den Post gesehen haben, ist uns nicht sofort in den Kopf gekommen: Wir schreiben einen Song darüber. Ich habe [Bonez MC] ja auch absichtlich nicht markiert, weil wir wollen ihm ja auch nicht mehr Aufmerksamkeit schenken. Dass die Leute darauf reagieren und auch in den Kommentaren auf seinen Text verweisen, war aber zu erwarten.“

Euer Song ist also eine Antwort auf die Gesellschaft und nicht nur auf den Text von Bonez MC?

Amy Wald: „Ja natürlich!“

Valentina Vale: „Natürlich ist das eine Antwort auf die gesamte Gesellschaft, denn [Bonez MC] ist nicht der Einzige, der diese Sicht auf Frauen hat. Wir haben ihn nur als Inspiration genommen, um einen Weckruf für manche zu gestalten. Damit sie erstens nicht alle Menschen in einen Topf werfen – egal welchem Geschlecht sie angehören – und zweitens, darüber nachdenken, was sie öffentlich sagen – egal, ob sie viel oder wenig Reichweite auf Social Media haben. Schlussendlich macht nämlich jeder Mensch einen Unterschied.“

Habt ihr damit gerechnet, dass das Lied solche Wellen schlagen wird?

Valentina Vale: „Wir dachten uns, vielleicht können wir ein paar Leute damit erreichen, die sich ebenfalls damit auseinandergesetzt haben.“

Amy Wald: „Das hat Wellen geschlagen.“

Valentina Vale: „Wir hätten nicht damit gerechnet. Wir wurden in über 300 Storys, in denen der Post geteilt worden ist. Es wurde über 1.400 Mal geteilt. Mittlerweile hat es fast 28.000 Aufrufe.“

Amy Wald: „Es ist schön, dass die Leute das so verstehen und aufnehmen.“

Valentina Vale: „Es haben auch viele feministische Seiten und Influencer geteilt. Und das ist für uns auch ein Kompliment. Wenn den Post jemand teilt, ist es das größte Geschenk, das man auf Social Media bekommen kann.“

Amy Wald: „Ich finde, für mich war es ein Zeichen, dass es ganz viele Menschen da draußen gibt, die verstehen, was eine gesunde Weltanschauung ist. Und ich finde es schön, dass eine Gruppe von Menschen sagt, wir unterstützen solche Aussagen wie die von Bonez MC nicht.“

Ihr habt offensichtlich einen Nerv getroffen…

Amy Wald: „In der Musik ist nichts vorprogrammiert. Das macht es für mich auch so interessant. Es gibt kein Erfolgsrezept. Es gibt nicht diese eine magische Formel, mit der du dann plötzlich Reichweite hast. In dem Fall, war es einfach Glück.“

Valentina Vale: „Es war gutes Timing, vielleicht ein bisschen Talent [Amy Wald lacht]. Ich glaube auch das der Inhalt polarisiert. Vor allem in unserer Bubble, weil wir eine Reichweite haben bei Menschen, die ähnlicher Ansicht sind. Und so ist die Welle auch recht schnell groß geworden. Man sieht offensichtlich, dass es mehr Menschen erreicht, die unserer Meinung sind. So haben wir anscheinend eine Kettenreaktion ausgelöst. Ich bin aber gespannt, ob es auch noch die Sexisten erreicht und was dann passiert.“

Ist die Frau in unserer Gesellschaft nur dazu da, dem Mann zu gefallen?

Valentina Vale: „Ich glaube in manchen Kreisen sicher. Genau das spiegelt sich in den Aussagen von Bonez MC wider.“

Amy Wald: „Ich glaube aber auch, dass es ganz viele Menschen, auch Männer, gibt, die sehr emanzipiert und aufgeklärt sind und verstehen, dass Sexismus absolut nicht korrekt ist.“

Valentina Vale: „Ich glaube, dass schon in vielen Menschen verankert ist, dass alles, was sie tun, der Gesellschaft gerecht werden muss. Sie handeln mehr für andere, als tatsächlich für sich selbst. Deswegen agieren auch viele Männer so, als müsste jemand für sie etwas tun.“

Amy Wald: Wie beispielsweise Beine rasieren.

Valentina Vale: „Wir greifen uns so oft auf den Kopf, weil manche Menschen auf sozialen Plattformen behaupten, Frauen müssen sich die Beine rasieren, sonst datet man sie nicht. Diese Einstellung ist bei manchen Männern verankert, weil sie so erzogen worden sind oder weil sie sie vorgelebt bekommen haben, von zum Beispiel jemandem wie Bonez. Sie glauben, dass Frauen dazu da sind, um etwas für sie zu tun. Da ist ein großes Problem. Viele Menschen sollten einfach mehr für sich selbst machen, als für andere.“

Hattet ihr selbst persönliche Erfahrung mit Sexismus?

Amy Wald: „In der Musik kann ich leider aus eigener Erfahrung sagen, dass ich teilweise erstaunte Blicke bekomme, wenn ich meine Technik selbst aufbaue. Auf die Art: ‚Hä, du brauchst also keine Hilfe‘? Und dann fragen sie danach oft nach: ‚Ist wirklich alles richtig eingestellt?‘ und ich muss sagen: ‚Ja, ich kenne mich aus.‘ Bei meinen männlichen Band-Kollegen ist das kein Problem. Da ist es klar, dass sie wissen, wo sie etwas reinstecken müssen.“

Valentina Vale: „Wir hatten auch eine Erfahrung bei einer Veranstaltung, als jemand unbedingt ein Foto mit uns machen wollte, weil er gesehen hat, dass wir uns geküsst haben. Ein zweiter wollte einfach, dass wir uns küssen, damit er zusehen kann.“

Werdet ihr häufig auf euren Körper reduziert?

Valentina Vale: „Ich werde laufend auf meinen Körper reduziert. Ich teile auch sehr viel Freizügiges im Internet, weil meiner Meinung nach werden wir so wenig mit nackten Körpern konfrontiert, dass diese nackten Körper aus Prinzip schon sexualisiert werden. Und ich finde nackte Körper wunderschön. Ich sehe den Mensch als Kunstwerk. So sehe ich auch meinen Körper und manchmal fühle ich mich auch wohl genug, das zu teilen. Wir sind alle nackt geboren. Das ist das Natürlichste auf der Welt und ich finde das unglaublich schön. Als antwortet bekomme ich oft ein Paar Dickpics. Die habe ich während meiner Social-Media-Laufbahn schon einige Male erhalten. Ich hab auch manchmal das Gefühl, dass Frauen anderen Frauen nichts zutrauen.“

Amy Wald: „Oder, dass sie sich selbst nichts zutrauen.“

Valentina Vale: „Weil sie das auch angelernt bekommen. Genauso, wie Männer. Ich kann mich erinnern als ich Maschinenbau studiert habe und die Menschen dachten, ich höre auf, weil es zu schwierig ist. Dabei habe ich einfach im fünften Semester beschlossen, dass ich etwas anderes machen möchte.“

Wird es eine Extended Version von eurem Song geben?

Amy Wald [lacht]: „Das fragen wirklich viele. Aber ich glaube, der Song steht für sich.“

Valentina Vale: „Abgesehen davon arbeiten wir gerade an anderer Musik.“

Amy Wald: „Aber, wer weiß, vielleicht kommt schon bald der nächste Shitstorm.“

Valentina Vale: „Vielleicht wird es auch unsere neue Tradition, dass wir ‚Short Songs über Shitstorms‘ schreiben. Vielleicht war es auch nur ein One Hit Wonder.“