Schon viel zu lange begleitet uns die Debatte rund um Hass im Netz. Doch Besserung scheint noch keine in Sicht zu sein – ganz im Gegenteil. Aktuelle Geschehnisse zeigen einmal mehr, dass noch einiges getan werden muss. Doch wer kümmert sich darum?

Hier wird ein Appell an die Politik immer lauter.

Hass im Netz: Die traurige Wahrheit

Traurig aber wahr: Für einige Menschen vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht mit hasserfüllten Menschen und verletzenden Kommentaren im Netz konfrontiert sind. Allein in den letzten Wochen gab es weltweit einige Fälle, die für Entsetzen gesorgt haben. Amber Heard ist etwa ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich Menschen mobilisieren lassen, um gegen eine einzige Person zu schießen und sich das Ziel setzen, ihr „Opfer“ zur Niederlage zu zwingen. Der vergangene Gerichtsprozess zwischen Heard und ihrem Ex-Mann Johnny Depp zeigt einmal mehr, wie groß die Macht der sozialen Medien ist.

Das hat auch das Unternehmen Bot Sentinel mit einem Bericht bewiesen. Denn die Firma untersucht Desinformationskampagnen und Belästigungen auf sozialen Medien. Das Ergebnis: Die 36-Jährige und ihre Fans wurden Opfer von etlichen „Troll“-Accounts auf Twitter. Dafür sollen zahlreiche Twitter-User sogar gezielte Anti-Kampagnen gegen die Schauspielerin und ihre Anhänger gestartet haben. Laut Bot Sentinel handelt es sich dabei um einen der „schlimmsten Fälle von Cybermobbing und Cyber-Stalking“.

Hier reiht sich auch der tragische Fall der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ein. Die Oberösterreicherin wurde über Monate hinweg von unzähligen Corona-Gegnern im Netz attackiert und schwer bedroht. Ihre Hilferufe wurden nicht zur Kenntnis genommen. Erst gab sie Unsummen für ihre eigene Sicherheit und die ihrer Patient:innen aus. Dann musste sie ihre Praxis schließen. Und schließlich entschied sich die erst 36 Jahre alte Frau für den wohl schlimmsten Schritt: Sie beging Selbstmord.

Politik plant Maßnahmen

Dass der Hass im Netz immer größer wird, lässt sich nicht mehr leugnen. Dazu gibt es auch eine erschreckende Statistik der österreichischen App „BanHate“. Allein im Vorjahr gab es fast 3.000 Beschwerden über Hasspostings. Auch die Cyberkriminalität in Österreich steigt seit einigen Jahren rasant an. So waren es 2021 mehr als 46.000 Fälle, die von Straftaten im Netz handelten. Das Erschreckende: Nur 36,9 Prozent davon konnten aufgeklärt werden. Die tragischen Ereignisse hat jetzt die österreichische Politik zum Anlass genommen und erneut eine Debatte gestartet, wie man künftig mit Hass im Netz umgehen kann.

Doch zuallererst sollte man sich die Frage stellen, was betroffene Menschen überhaupt tun können? An wen sie sich wenden sollen? Welche Konsequenzen den Täter:innen drohen? Wie die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung Cornelia Koller gegenüber dem Standard erklärt, braucht es dafür mehr Ressourcen. Denn die Zukunft sieht dahingehend nicht gerade rosig aus. Laut Koller sollen sich Straftaten in den nächsten fünf bis zehn Jahren zwischen 80 und 90 Prozent im Bereich Cybercrime abspielen. Dazu soll dann jedoch nicht „nur“ Drohungen in sozialen Netzwerken zählen, sondern auch Betrug, Terrorismus und Menschenhandel, so die Staatsanwältin.

Auch die ÖVP bringt sich jetzt mit in die Diskussion ein. So fordert ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler eine eigene Staatsanwaltschaft, die sich der Verfolgung von Hass im Netz annehmen soll. Damit soll eine eigene Behörde ins Leben gerufen werden, die genau auf diese Problematik spezialisiert ist. Dazu sollen laut ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner „renommierte Experten im IT-Recht“ und Fachleute für soziale Medien Vertrauen und Rechtssicherheit schaffen, wie sie gegenüber der APA erklärt. Hier appelliert sie auch an eine weitere politische Stelle: „Justizministerin Alma Zadić ist gefordert, endlich zu handeln“, so Sachslehner. „Betroffene müssen wissen, dass sie sich jederzeit an Behörden und Justiz wenden können“. Zadić hat sich in der Vergangenheit nämlich gegen eine Sonderstaatsanwaltschaft ausgesprochen.

Wer soll sich darum kümmern?

Vielmehr setzt die Grünen-Politikerin darauf, mehr Ressourcen für die Polizei und die bereits bestehenden Staatsanwaltschaften zur Verfügung zu stellen. Aktuell gibt es laut Zadić Kompetenzstellen für Cybercrime bei den Staatsanwaltschaften in Wien und Graz. Deren Ziel sei es, einen Pool von besonders geschulten Staatsanwälte aufzubauen, die als Ansprechpersonen für alle Staatsanwält:innen dienen. Ihr Fachwissen sollen sie dann auch bei internen Schulungen weitergeben. „Jede Staatsanwaltschaft in Österreich hat mit Fällen von Hass im Netz und Cybercrime zu tun, daher ist notwendig entsprechende Kompetenzen flächendeckend aufzubauen. Ich möchte dieses Projekt daher rasch ausweiten“, wie die Justizministerin betont.

Anwältin Katharina Bisset, die auf IT-Recht spezialisiert ist, würde sogar noch früher bei der Spezialisierung ansetzen: Etwa bei Polizist:innen. Denn laut der Juristin sei es sehr wichtig, dass auch Personen der Polizeidienststellen über notwendiges Know-How verfügen, wenn es um derartige Fälle geht. So könnte man als betroffene Person auch einen ersten Anhaltspunkt haben, an den man sich wenden kann, wenn man mit Hass im Netz konfrontiert ist.

Warum sich Hass im Netz immer weiter verbreitet

Viel zu lange schon haben wir es mit dem Problem zutun, dass sich Hass im Netz immer weiter verbreitet. Schüler:innen, Lehrer:innen, andere Privatpersonen, Ärzt:innen, Politiker:innen Prominente, Influencer:innen … niemand bleibt hier verschont. Denn die Macht von Social Media ist eigentlich sehr einfach. Die Wut gegen eine Person breitet sich aus, wie ein Lauffeuer. Dadurch werden auch andere Personen animiert, hasserfüllte Nachrichten zu verschicken, Drohungen auszusprechen, die betroffene Person zum Verzweifeln zu bringen – und das alles unter dem Deckmantel der Anonymität.

Dazu kommt, dass Social-Media-Beiträge, die eine enorme Interaktion aufweisen, meist automatisch besser gereiht und Dank des Algorithmus mit noch der Aufmerksamkeit „beschenkt“ werden. Selbst wenn Meta, der Großkonzern hinter Facebook, bereits seit einiger Zeit auf Deeskalation setzt, kann nicht jeder einzelne Beitrag abgeschirmt werden. Eine Mischung aus menschlicher Moderation und KI-Systemen erledigen hier zwar schon den Großteil der Arbeit, dennoch ist das Problem damit noch nicht aus der Welt.

Hass im Netz: Das kannst du tun

Wer aktiv von Hass im Netz betroffen ist oder beobachtet, dass gerade jemand damit konfrontiert ist, kann sich bereits an einige Stellen wenden. Bis hier also politisch etwas ins Rollen kommt, könnt ihr euch folgende Punkte merken.

  • Auf Social Media melden: Ein Schritt, den jeder setzen kann, ist ein Kommentar, eine Nachricht und auch die Person dahinter auf den sozialen Netzwerken zu melden. Dafür gibt es bereits eigene Buttons, unter denen man auch den genauen Grund angeben kann, warum man den Sender meldet.
  • Beratungsstelle Zara: Diese Plattform bietet eine kostenlose Beratung durch Mitarbeiter:innen, die psychosozial sowie juristisch geschult sind.
  • stopline.at: In Österreich gibt es zudem die Website Stopline, an die man illegale Meldungen aus dem Netz melden kann.
  • App BanHate: Mit dieser kostenlosen österreichischen App ist es möglich, sämtliche Hasspostings sowie Hassverbrechen anonym zu melden.
  • Meldestelle Bundeskriminalamt: Bei Verdacht oder konkreten Hinweisen auf Cyberkriminalität kann man sich an die Meldestelle des BMI wenden.
  • Rat auf Draht: Die Telefonnummer 147 bietet rund um die Uhr Unterstützung und kann einen gegebenenfalls auch an eine andere Stelle weiterleiten.
  • Beratungsstellen in Deutschland: Unter zivile-helden.de findet man unzählige Adressen und Stellen, an die sich Betroffene in Deutschland wenden können.
  • Beratungsstellen in der Schweiz: Die Plattform Stop Hate Speech hat sich das Ziel gesetzt, das Netz zu einem gewaltfreien Ort zu machen.