Einfach mal das Hirn abschalten und einer künstlichen Intelligenz das Denken überlassen – klingt eigentlich ziemlich verlockend. Doch was passiert, wenn man einem Programm wie ChatGPT seinen Alltag überlässt?

Die etwas skeptische miss-Redakteurin Laura hat den Selbsttest gewagt.

ChatGPT: Ein Sprachmodell auf der Überholspur

Künstliche Intelligenz ist längst nicht mehr Science-Fiction, sondern ein fester Bestandteil unseres Alltags. Die neueste Errungenschaft in diesem Bereich ist ChatGPT, ein fortschrittliches Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Doch wie fühlt es sich an, eine KI als persönlichen Assistenten in den eigenen Alltag zu integrieren? Ich habe den Selbstversuch gewagt und getestet, wie weit ich gehen kann.

Na, ist euch etwas aufgefallen? Den ersten Absatz dieses Artikels habe ich vollständig von ChatGPT schreiben lassen. Das Einzige, was ich dafür tun musste, war, den Befehl zu geben, einen „kurzen Absatz für einen Artikel im Stil von miss.at zum Thema ‚Ich versuche, ChatGPT in meinen Alltag einzubauen‘ zu schreiben. Ziemlich creepy, wenn ihr mich fragt! Wäre ich noch mehr ins Detail gegangen, hätte mir das Programm mit Sicherheit auch den gesamten Text der folgenden Seiten verfasst. Aber da mir mein Job am Herzen liegt, belasse ich es lieber dabei und bringe stattdessen den notwendigen Touch Menschlichkeit ein.

Das „next big thing“? Geh bitte!

Menschlichkeit ist etwas, was KI noch nicht kann, zum Glück. Ansonsten ist das Programm aber nahezu zu allem fähig: Es kann E-Mails verfassen, Listen erstellen, Reiserouten planen und einem die nervige Frage „Was essen wir heute?“ beantworten. Ich muss allerdings zugeben, dass ich anfangs unterschätzt habe, was für ein „big thing“ ChatGPT ist.

Denn als mir ein Freund, der in der Filmstadt Los Angeles lebt, vor einigen Monaten erstmals erzählt hat, dass sein gesamter Uni-Kurs Drehbücher mit ChatGPT schreiben lässt, dachte ich, das sei nur ein weiterer unwichtiger Hype, der es vermutlich nicht mal über den Großen Teich und bis zu uns nach Europa schaffen wird. Oh, was I wrong! Ein schneller Zeitsprung ins Hier und Jetzt: Mittlerweile kommt niemand mehr an KI vorbei, die einem das Leben erleichtern soll, gleichzeitig aber auch jede Menge Ängste schürt.

Begriff kam erstmals 1955 auf

Bevor ich euch schildere, inwieweit ich ChatGPT in meinen Alltag eingebaut und wie viele Personen ich damit getäuscht habe, gibt’s eine kurze Geschichtsstunde. Also: Wer denkt, dass künstliche Intelligenz eine Erscheinung der Jetztzeit ist, liegt falsch, denn bereits 1955 kam der Begriff erstmals auf. Damals rief ihn der US-Informatiker John McCarthy ins Leben, der ein Forschungsprojekt, das sich mit diesem Thema beschäftigte, leitete.

1997 gab es dann einen ersten Meilenstein: Das Computerprogramm Deep Blue gewann ein Schachduell gegen den amtierenden Weltmeister Garri Kasparow. Mehr konnte man seinerzeit aber nicht damit anfangen, da dieses Programm ausschließlich auf Schachspiele trainiert war. Wir spulen vor: 2023 definitiv das Jahr, in dem künstliche Intelligenzen die Welt erobern. Das kann man sowohl als gute als auch als schlechte Sache sehen – denn während sich dadurch unzählige Möglichkeiten in den Bereichen der Technologie, der Psychologie und sogar der Medizin auftun, kommen für viele Menschen auch Existenzängste auf. Denn die große Frage, die sich viele stellen: Sind wir alle ersetzbar?

Mein Selbstversuch mit ChatGPT

Eine Woche habe ich nun damit verbracht, ChatGPT in allen möglichen und mir sinnvoll erscheinenden Alltagssituationen einzubauen. Beginnen wir mit der offensichtlichsten: meinem Job. Ich habe eine ganze Woche lang jeden Tag einen Artikel für unsere Onlineplattform miss.at von ChatGPT schreiben lassen. (Keine Angst, die Artikel wurden fertiggestellt, aber nie veröffentlicht). Und tatsächlich: Bis heute ist es niemandem aufgefallen. Zumindest hat mich keiner darauf aufmerksam gemacht oder sich darüber gewundert, wieso einige meiner Sätze plötzlich recht trocken klingen.

Denn eines habe ich sofort bemerkt: Bittet man das Programm, einen Artikel zu schreiben, kommt entweder eine ultrageschwollene Sprache, die die Leser:innen siezt, raus, oder die Formulierung bewegt sich eher in Bravo Girl-Richtung. Beide Varianten hätten mich bei meinen Kolleginnen natürlich sofort verraten, also habe ich die Sätze immer wieder adaptiert und ein klein wenig meinem „missigen“ Schreibstil angepasst.

Das hat zu Beginn tatsächlich mehr Zeit gefressen, als wenn ich den Artikel einfach selbst geschrieben hätte! Aber hier hat mein Perfektionismus einfach überwogen. Dazu kommt: Storys über Stars, die sich trennen, heiraten, Babys bekommen (oder über Ähnliches), hat die KI noch nicht wirklich drauf. Denn plötzlich finden sich Zitate und Infos im Text, die überhaupt nicht existieren. Ein Grund dafür könnte sein, dass ChatGPT sämtliche Daten erst ab September 2021 gesammelt hat. Alles, was davor passiert ist, existiert im Universum dieser KI also nicht. Um mich also vor der Verbreitung von Fake News zu bewahren, musste ich im Grunde jeden Satz gegenchecken. Eine Zeitersparnis? Wohl kaum.

„KI-Freundin“ gegen Einsamkeit

Ein weiterer Punkt, der für mich und gegen ChatGPT spricht: auch, wenn das Programm gerne Listen erstellt und in vielerlei Hinsicht nützlich sein kann, fehlt dennoch jede Spur von Emotionen. Über eine kühle Freundlichkeit schafft es die KI einfach nicht hinaus. Wenn ich also auf die Frage meines Freundes „Was machen wir heute Abend?“ mit „Lieber Freund, ich habe für heute folgende Vorschläge für dich …“ antworte, dann wird ziemlich schnell klar sein, dass ihm hier gerade ein Roboter-Girlfriend und nicht ich, seine echte Freundin, antwortet.

Apropos: Eine Influencerin aus den USA scheint das nicht sonderlich zu stören: Caryn Marjorie hat eine virtuelle Version von sich erstellt und bietet als „KI-Freundin“ ihre Dienste im Netz an. Damit möchte sie vor allem Menschen helfen, die einsam sind. „In der heutigen Welt hat meine Generation, die Generation Z, mit den enormen Nebenwirkungen der durch die Pandemie verursachten Isolation zu kämpfen, was dazu führt, dass viele zu ängstlich sind, mit jemandem zu sprechen, zu dem sie sich hingezogen fühlen“, erklärt sie dem Branchenmagazin Insider.

Für einen Tarif von einem Dollar pro Minute soll man „cutiecaryn“, wie sie sich online nennt, über die KI-Website CarynAI buchen können. „KI-Caryn“ soll im Gegensatz zu ChatGPT ein etwas menschlicheres Verhalten an den Tag legen, denn das Programm ist mit den Datensätzen von Youtubevideos der Influencerin gefüttert worden; das sind immerhin 2.000 Stunden an verwertbarem Material. Das ist offenbar bereits ausreichend, um eine romantische Beziehung zu simulieren.

Fazit: Ausbaufähig.

Ich belasse es lieber bei ChatGPT und versuche alles, um mir den Alltag damit zu erleichtern. Interviewfragen erstellen? Funktioniert sensationell. Ein paar nette Worte zur Hochzeit meiner Freundin? Für meinen Geschmack etwas zu schmalzig formuliert, denn Sätze wie „Eure Liebe strahlt wie ein Leuchtturm in der Dunkelheit“ würde ich wirklich niemals verwenden. Ein formelles E-Mail verfassen? Ausbaufähig – denn es dauert länger, mein Anliegen im Chat zu formulieren, als es einfach selbst niederzuschreiben.

Dafür kann ich mich auf das Programm jedoch verlassen, wenn es um die Essensplanung geht (die Empfehlung von gegrilltem Hähnchen mit Gemüse und Quinoa war ausgezeichnet) oder wenn ich mal wieder nicht weiß, welche Serie ich als Nächstes streamen soll (danke, ChatGPT, ohne dich hätte ich „Brooklyn Nine-Nine“ niemals gesehen!)

Zwischenfazit: Wenn man weiß, wonach man sucht, und die Anfrage so präzise wie möglich formuliert, kann man sich durchaus einiges an Zeit ersparen. Wenn man aber so wie ich erst einmal lernen muss, wie das Ganze funktioniert, dauert es schon ein Weilchen, bis man den Dreh heraushat.

Macht uns ChatGPT dümmer?

Hätte es Programme wie ChatGPT schon zu meiner Studienzeit gegeben, dann hätte ich mein Studium vermutlich schon viel früher beendet. Denn wie mir bereits mehrere Personen aus meinem Umfeld vorgeschwärmt haben, schreiben sie ihre Essays, Forschungsarbeiten und teilweise sogar Bachelorarbeiten schon längst nicht mehr selbst. Immerhin besteht ChatGPT bereits aus mehreren Billionen (!) Textsteinen und wird immer cleverer, da wir Menschen das Programm immer weiter füttern. Wozu also Tage und Monate vergeuden, wenn man eine KI hat, die all das für einen erledigt?

Ich persönlich wäre ja viel zu paranoid, um all das von jemand anderem außer mir selbst schreiben zu lassen – was passiert, wenn mir jemand auf die Schliche kommt? Kann man das überhaupt erkennen? Eher nicht, denn mittlerweile kann ChatGPT sogar fehlerfrei zitieren. Eine Frage, die mir jedoch in den Sinn kommt: Hat man überhaupt richtig studiert, wenn man nahezu nichts selbst verfasst hat? Von der Schule will ich gar nicht erst anfangen! Wird man also durch den Einsatz von KI dümmer? Schließlich müssen wir unser Hirn nicht mehr auf die gleiche Art und Weise nutzen, wie es bisher immer gefordert war, und das ist eigentlich richtig schade.

Eine Chance auf Veränderung

Während ich mich also in einem Strudel aus Angst, Respekt und Demut vor KIs befinde, gibt es dennoch ein paar Aspekte, die für Hoffnung sorgen. So kann KI etwa schwer kranken Menschen, die nicht mehr sprechen können, dabei helfen, sich auszudrücken – denn ein Zusammenspiel aus MRT-Scanner und ChatGPT hat es geschafft, die Gedankenströme von Menschen zu lesen und sie anschließend in Text umzuwandeln.

Auch Google hat sich mit KI beschäftigt und ermöglicht gelähmten Menschen (dank einer Technologie, die sich „Project Gameface“ nennt), am PC zu zocken. Um ein Spiel zu steuern, brauchen sie lediglich eine handelsübliche Webcam und die Google-Software MediaPipe. Anschließend müssen sie Kopf und Mund bewegen – ein virtuelles Gesichtsnetz erkennt Bewegungen dann anhand von fast 500 Punkten und wandelt diese in Mausklicks um. Das Besondere daran: Die KI ist kostenlos. In diesem Punkt gibt sich sogar meine Skepsis geschlagen.

Hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig

Nachdem ich ChatGPT intensiv genutzt habe, kann ich für mich feststellen, dass es in vielen Situationen wirklich hilfreich sein kann, aber nicht unbedingt notwendig ist. Kann ich mir ein Leben ohne KI vorstellen? Ja, zumindest noch. In etwa einem Jahr könnte diese Antwort wahrscheinlich anders ausfallen. Bis dahin sollten wir jedoch die Möglichkeiten, die KI bietet, als Chance sehen, unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln, und keinesfalls die Augen verschließen.