In Deutschland zeichnet sich zunehmend eine Verlängerung des bundesweiten Corona-Lockdowns über den 10. Januar hinaus ab. Der Lockdown könnte womöglich bis 31. Jänner verlängert werden.

Mehrere Politiker, darunter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, warnten davor, die Einschränkungen zu früh zu lockern.

Deutschland: Debatte über Lockdown bis 31. Januar

Die Länder verständigten sich einem Medienbericht zufolge vor ihren Beratungen mit dem Bund am kommenden Dienstag zum weiteren Vorgehen grundsätzlich auf eine Verlängerung. Uneinigkeit herrschte allerdings offenbar hinsichtlich der Dauer des Lockdowns und darüber, wie insbesondere mit Kitas und Schulen weiter verfahren werden sollte.

„Angesichts der immer noch zu hohen Zahlen ist es notwendig, die Maßnahmen, die Einschränkungen, zu verlängern“, sagte Spahn zu „RTL Aktuell“. Auf den Intensivstationen habe man gerade einen Höchstwert an Corona-Patienten. Man müsse jetzt unbedingt das Infektionsgeschehen senken und für längere Zeit niedrig halten. „Das ist besser, als zu früh zu lockern und dann möglicherweise in einigen Wochen schon wieder vor möglichen schwierigen Fragen zu stehen.“

Dauer des Lockdowns unklar

Die Länder einigten sich laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ am Samstagnachmittag in einer Telefonschalte zur Vorbereitung der Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf, den jetzigen Lockdown zu verlängern. Die Chefs der Staatskanzleien seien sich allerdings nicht einig darüber gewesen, ob das zunächst für zwei oder drei Wochen beschlossen werden sollte. Vor allem die besonders stark von Corona betroffenen Länder seien für die längere Frist bis zum 31. Januar. Zu ihnen gehörten dem Bericht nach Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen oder Thüringen. Bremen, Hamburg und Hessen neigten dagegen dazu, schon früher neu zu entscheiden. Es heiße, der Bund unterstütze die vorsichtige Seite.

Lockdown: Uneinigkeit über Vorgehen bei Schulen

Ähnlich seien die Trennlinien bei Schulen und Kindergärten verlaufen. Das berichtete die Zeitung unter Berufung auf Teilnehmer der Telefonkonferenz. Die stark betroffenen Länder wollten sie weiter geschlossen halten. Die weniger stark betroffenen Länder überlegten, Kindergärten und Schulen bis zur siebten Klasse ab dem 11. Januar wieder zu öffnen. In höheren Klassen solle es dann Wechsel- oder Distanzunterricht geben. Am Samstag wurde es dem Bericht nach für möglich gehalten, dass es hier bei unterschiedlichen Meinungen bleiben könnte, und die einzelnen Länder ab dem 11. Januar selbst entscheiden, wie sie vorgehen.

Spahn sagte laut RTL, er halte eine weitere Schließung von Schulen und Kitas für richtig. Das sei für Schüler und Eltern zwar schwierig. „Aber auch da gilt: Es ist für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zu zu haben, als sie aufzumachen und dann irgendwann in einigen Wochen wieder vor Debatten zu stehen.“

Anstieg von Infektionen nach Feiertagen befürchtet

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann sagte im Deutschlandfunk, die Zahlen der Patienten, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssten, sprächen eine sehr deutliche Sprache. Auf die Frage, ob sie mit einer Verlängerung des Lockdowns rechne, antwortete die SPD-Politikerin: „So wie es aussieht, ist kein anderes Vorgehen angezeigt.“ Auch eine Verschärfung der gegenwärtigen Maßnahmen schloss sie nicht aus. „Das muss man im Lichte der Infektionszahlen sehen, die wir Anfang der kommenden Woche haben.“ Gegebenenfalls müsse man dann „ein anderes Vorgehen wählen“. Es sei zu befürchten, dass es nach den Feiertagen noch einmal einen massiven Anstieg der Infektionszahlen gebe.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Zielmarke für ein Ende des Lockdowns auf bundesweit 25 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu verschärfen. „Wir sollten kein Stückwerk machen, sondern sagen, wir gehen aus dem Lockdown raus, wenn wir diese Ziel-Inzidenz von 25 erreicht haben. Vorher nicht“, zitierten RTL und ntv den Politiker. Als Grund für die Verschärfung verwies Lauterbach demnach auf neue, gefährlichere Varianten des Coronavirus. Selbst die momentane Zielmarke von 50 Neuinfektionen sei noch weit weg. „Das erreichen wir allenfalls Ende Januar. Das glaube ich aber auch noch nicht.“

Mediziner dämpfen Hoffnung auf Entspannung

Auch der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens, plädierte in der „Rheinischen Post“ dafür, bis zu einem Inzidenzwert von unter 25 keine Lockerungen in Aussicht zu stellen. „Wir werden erst Ende kommender Woche in den Krankenhäusern sehen, wie stark Weihnachten zur Verbreitung von Covid-19 beigetragen hat. Die Effekte von Silvester dann noch deutlich später.“

Das Robert-Koch-Institut bezifferte die Sieben-Tage-Inzidenz am Samstag mit 141,2. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen positiv getestet wurden. Die Gesamtzahl der bekannten Ansteckungsfälle stieg binnen 24 Stunden um 12.690 auf knapp 1,76 Millionen. Die Zahl der Todesfälle legte um 336 auf 33.960 zu. Allerdings sind die Daten kaum mit denen der Vorwoche vergleichbar. Denn über die Feiertage wurden weniger Menschen getestet und weniger Fälle gemeldet.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der „Bild“, am wichtigsten sei es, „dass man den Menschen klarmacht, dass wir jetzt noch vor zwei, drei, vier Monaten stehen, die Anstrengungen von allen erfordern“. Das ärztliche und pflegerische Personal sei definitiv am Rande der Leistungsfähigkeit. „Die rein numerischen Kapazitäten sind zu über 90 Prozent ausgelastet.“ Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Kliniken hätten keine Atempause. „Das Gesundheitssystem braucht dringend eine Entlastung, die nur durch eine Verlängerung der Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung zu erreichen ist. Anders werden wir die Lage nicht in den Griff bekommen.“ 

(Quelle: Reuters)