Ich war tatsächlich noch nie auf dem Oktoberfest und auch nicht auf der Wiener Wiesn. Aber ich komme vom Dorf und die Zeiten, in denen ich sturzbetrunken auf Volksfesten war, mir die Brüste bis zum Hals hochgeschnallt habe und in meinem pinken total billig aussehenden Dirndl gelegentlich von Bierbänken gefallen bin, ist definitiv vorbei. Der letzte Aufschrei meiner Volksfest-Ära war der Moment, als ich meinem damaligen Freund mit Kotzbrocken in den Haaren um den Hals gefallen bin und ihm meine Liebe gestanden habe. Kurze Zeit darauf hat er Schluss gemacht.

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Und Jahre später war es nun soweit: Arbeitskollegen feierten einen Geburtstag auf der Wiener Wiesn und wollten mich mitnehmen. Sie waren sich scheinbar nicht bewusst, dass ich sozusagen der Antichrist des Feierns bin, das krasse Gegenteil einer Partymaus. Am liebsten sitze ich in schlabbrigen Jogginghosen, in denen mein Po aussieht, als würde ich Pampers tragen, in meinem Bett und stopfe Chips oder Popcorn in mich hinein, während mir bewusst wird, dass mir am nächsten Morgen nach dem Aufstehen neben gewöhnlichen Speichelspuren Popcornreste und Nachostückchen im Gesicht kleben werden.

Aber mein Wille war da und so schleppte ich mich mit einer Arbeitskollegin in Richtung Praterstern. Auf dem Weg dahin bereitete ich sie schon auf meinen baldigen theatralischen Abgang vor, den ich entweder ganz heimlich und ruhig oder dramatisch inszenieren würde – je nach Laune.

Ein Dirndl hatte ich natürlich nicht an, ich mag den Gedanken nicht, mich in ein tischdeckenähnliches, bäuerliches Kleid zu hüllen und meine kleinen Zwetschken der ganzen Welt zu präsentieren. Also wählte ich ein dunkelblaues Samtkleid mit aufgestickten Blumen in Kombination mit einer engen Hose darunter. Hat ja auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ganzen Wiesn-Flair: Ich fühlte mich ein wenig wie ein schwedisches Mädchen, das in einer IKEA-Werbung um einen geschmückten Baumstamm hüpft, während bunte Bänder im Wind flattern.

Im Zelt angekommen blieb mir erst mal die Luft weg. In dem schweren Samtkleid schwitzte ich wie ein Schwein – wurde aber sofort von lallenden und dabei spuckenden Männern, sowie Bierspritzern von überschwappenden Maßkrügen herrlich erfrischt. Was für ein toller Empfang!

Ich trank den schlechtesten Spritzer meines Lebens, ein süßes Gebräu, das noch nie in seinem Leben Minze oder Limette erblickt hat und der mir doch tatsächlich als Hugo verkauft wurde. Ich kostete auch einen Schluck Bier vom Arbeitskollegen nebenan und war froh, dass ich mir mit dem massiven Maßkrug nicht die Zähne ausgeschlagen habe. Es war jedenfalls dumm von mir, da ich normalerweise von Bier Bauchkrämpfe und Blähungen bekomme, aber dazu gleich mehr.

Der DJ gab sein letztes Hemd, brüllte Motivationsreden ins Mikrofon und spätesten beim Fliegerlied flippten alle aus.
Ich saß als Einzige auf der Bank und weigerte mich, Fliegerbewegungen eines Kleinkindes zu machen – ja, ich bin eine Spaßbremse und zwar aus Leidenschaft.

So standen sie auf den Bänken, meist alte, beleibte Herren und bei ihren wilden Tanzdrehungen bekam ich regelmäßig deren Anakonda – oder bei manchen eher Blindschleiche – ins Genick geschlagen.

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Egal wo mein Blick hinwanderte, ich sah behaarte, über der Hose raushängende Bäuche, Maurerdekolletés, hüpfende Riesenbrüste und tatsächlich auch noch zwei Männer auf dem Tisch, die unter schallendem Gelächter eine Sexstellung nachahmten. WTF?!

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Wenn man mich fragt, wie unwohl ich mich gefühlt habe, dann würde ich es damit vergleichen: Du ziehst dich in einer vollen U-Bahn splitterfasernackt aus und wenn dich alle entsetzt anstarren, lässt du einen richtig lauten Furz.

Dann machte sich das Bier bemerkbar und ich bekam Krämpfe und einen aufgeblähten Bauch, als wäre ich im 5. Monat schwanger. Als keiner herschaute, öffnete ich unter meinem Samtkleid den Knopf meiner Hose. Ahhh! Nun ließ auch ICH meine Wampe heraushängen und fühlte mich fast ein wenig dazugehörig!

Dennoch beschloss ich, dass es an der Zeit war, nach gut einer Stunde heimzugehen – ich war fertig mit den Nerven und wollte mir auch vor lauter Blähungen nicht unbedingt in der Öffentlichkeit in die Hose kacken. Ich kämpfte mich durch klatschende Hände, dicke Bäuche, Bierduschen und nach Schweiß riechende Achseln und war froh, als ich draußen endlich Frischluft schnupperte – so fühlt sich Freiheit an!