Noch vor der Nationalratswahl am 29. September will die ehemalige türkis-blaue Regierung ihr Gewaltschutzpaket beschließen. Die Neuerung verpflichtet das gesamte Gesundheitspersonal bei Verdacht auf Vergewaltigung zur Anzeige. Eine Reihe von Strafverschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten stehen an.

Trotz massiver Kritik, soll der Entwurf ohne Begutachtungsverfahren im Parlament durchgebracht werden.

Wo bleibt der „effektive Opferschutz“?

Expertinnen kritisieren den „effektive Opferschutz“, von dem im Regierungsvorhaben die Rede ist. Opferschutz bedeutet in diesem Falle mehr Vergewaltigungen zur Anzeige zu bringen. Demnach muss das Gesundheitspersonal, in dessen Hände sich Betroffene anvertrauen, die Tat melden. Das Vorhaben wird von Expertinnen kritisiert, denn es untergrabe die Selbstbestimmung der Betroffenen. Es hadert jedoch nicht nur beim Opferschutz, auch bei der Täterarbeit schieße das Gesetzespaket am Ziel vorbei.

Sind härtere Strafmaßnahmen sinnvoll?

Für härtere Strafen gäbe es keinen Bedarf, heißt es seitens Richtervereinigungen und Gewaltschutzzentren. Die Praxis zeige, dass schonendere Behandlung gegenüber Angeklagten zu weniger Wiederverurteilungen führt. Außerdem liegt die Problematik nicht darin, dass die Strafmaßnahmen zu milde, sondern die Verurteilungsraten zu gering sind. Kurz: Mit dem Beschluss könnte die Rückfallquote der Täter steigen. Aber: Es scheint, als könnte es mit der Anzeigenpflicht zu mehr Verurteilungen kommen. Doch stimmt das überhaupt?

Was bringt eine Anzeigenpflicht?

Dass es mit einer Anzeigenpflicht zu mehr Verurteilungen von Sexualstraftätern käme, das ist zu bezweifeln. Die Hemmschwelle Vergewaltigungen Außenstehenden überhaupt mitzuteilen, ist immer noch hoch. Das Gesundheitswesen ist dabei meist eine der ersten, sicheren Anlaufstellen für Betroffene. Gilt eine Anzeigenpflicht, wird ebendiese Hemmschwelle erneut erhöht. Mit dem neuen Gewaltschutzpaket, wird Opfern eine Menge Sicherheit genommen. Sie würden sich eher dazu entscheiden, gar keinen Arzt oder Therapeuten mehr aufzusuchen. Und das würde nicht nur zu weniger(!) Anzeigen führen, sondern auch zur Aushöhlung des tatsächlich effektiven Opferschutzes beitragen.

Kann der Gesetzesbeschluss noch aufgehalten werden?

Wird das Vorhaben nicht verschoben, dann wird am 25. September über den Beschluss im Parlament abgestimmt. Dafür braucht es eine einfache Mehrheit, die mit der ÖVP- und FPÖ-Koalition im Nationalrat leicht erreicht sein wird. Obwohl sich die Opposition schon zu Wort gemeldet hat, würde ein Abänderungsantrag ihrerseits wenig bringen. Ohne öffentlichen Druck auf die türkis-blaue Koalition, geht die Gesetzesnovelle höchstwahrscheinlich durch.