Welchen Einfluss hat Social Media auf unser Weltbild und inwiefern spielen Algorithmen eine Rolle dabei, wie sich unsere Meinungen entwickeln? Eine neue Studie aus Großbritannien nimmt sich dieser Fragen an und kommt zu erschreckenden Ergebnissen.

Denn die Recherche hat ergeben, dass Algorithmen frauenfeindliche Inhalte sogar verstärken.

Studie widmet sich Algorithmen auf Tiktok

Wenn wir auf Tiktok, Instagram und Co einmal auf einem Video landen, das uns gefällt und wir es liken oder kommentieren, öffnen wir damit oft eine Büchse der Pandora. Denn kaum haben wir das Herz rot gefärbt, folgen in den nächsten Stunden, Tagen und manchmal sogar Wochen unzählige ähnliche Videos und Inhalte. Wir landen dank der Algorithmen im Rabbit Hole! Gleiches gilt natürlich, wenn wir mal auf Tiktok und Co nach bestimmten Begriffen suchen. Wenn es dabei um Schuhtrends oder Celebrity Gossip geht, kann das zwar nervig werden, bleibt jedoch meistens harmlos. Doch jede:r, die/der schon einmal viel Zeit auf Social Media verbracht hat, weiß: nicht jeder Content hier ist harmlos. Vieles strotzt nur so vor Gewalt, Frauenfeindlichkeit und brutalen Inhalten. Aber welche Auswirkungen kann das auf uns – und ganz besonders junge Nutzer:innen von Sozialen Medien – haben?

Ein Forscherteam aus Großbritannien hat sich jetzt die Algorithmen auf Tiktok ganz genau angesehen. Dafür kreierte das Team unterschiedliche Tiktok-Accounts, die einigen Archetypen an Jugendlichen entsprechen sollten. Die Accounts kreuzten dabei unterschiedliche Interessen auf der Plattform an und suchten beispielsweise vereinzelt nach Themen wie Männlichkeit oder Einsamkeit. Im Anschluss daran wurde beobachtet, welche Videos auf der jeweiligen „For You“-Page landeten.

„Hasserfüllte Ideologien und frauenfeindliche Tropen sind nicht mehr nur auf Bildschirmen, sondern auch in Schulen zu finden“

Fast eine Woche lang beobachteten die Forscher:innen der University College London und der University of Kent die Inhalte. Sie sahen sich mehr als 1.000 Videos auf der „Four You“-Page an und entdeckten dabei ziemlich erschreckende Dinge. Denn laut der Forschung verstärken die von den Sozialen Medien verwendeten Algorithmen extreme frauenfeindliche Inhalte. Zu Beginn kamen zwar noch Inhalte zu Themen wie Einsamkeit oder Selbstverbesserung. Doch nach und nach spielte die Plattform immer mehr Videos aus, die sich mit Wut auseinandersetzten und Frauen Schuld an der Einsamkeit zuwiesen. „Nach fünf Tagen zeigte der TikTok-Algorithmus viermal so viele Videos mit frauenfeindlichen Inhalten wie Objektivierung, sexuelle Belästigung oder Diskreditierung von Frauen an“, heißt es in dem Statement zur Studie.

Und eben diese Inhalte konsumieren im Alltag auch zahlreiche Jugendliche online. Damit aber noch nicht genug. Denn die Forscher:innen wollten herausfinden, welche Auswirkungen dieses Maß an misogynen Inhalten auf den „offline“-Alltag der jungen Menschen hatte. In Interviews mit jungen Schüler:innen und auch Schulleiter:innen wurde das dann klar. „Hasserfüllte Ideologien und frauenfeindliche Tropen sind nicht mehr nur auf Bildschirmen, sondern auch in Schulen zu finden und fügen sich in die Mainstream-Jugendkulturen ein“, heißt es in einem Bericht der Forscher:innen. Zwar beziehen sich die Untersuchungen des Teams auf Tiktok, die Verantwortlichen betonen jedoch, dass die Forschung „in ähnlicher Weise auch auf andere Social-Media-Plattformen anwendbar“ sei.

Forscher fordern Problemlösung von Sozialen Medien

Sie fordern deshalb, dass das Thema deutlich ernster genommen wird. „Algorithmische Prozesse auf TikTok und anderen Social-Media-Seiten zielen auf die Schwachstellen der Menschen ab – wie Einsamkeit oder das Gefühl des Kontrollverlusts – und machen schädliche Inhalte zum Spiel“, betont etwa Studienleiterin Dr. Kaitlyn Regehr. „Wenn junge Menschen Mikrodosen zu Themen wie Selbstverletzung oder Extremismus verwenden, wirkt das für sie wie Unterhaltung. Schädliche Ansichten und Tropen werden unter jungen Menschen inzwischen normalisiert. Der Online-Konsum wirkt sich auf das Offline-Verhalten junger Menschen aus, denn wir beobachten, dass diese Ideologien von den Bildschirmen auf die Schulhöfe gelangen.“

Sie wollen deshalb insbesondere den Druck auf die Sozialen Medien erhöhen. Denn sie sollen „die durch ihre Algorithmen verursachten Schäden beseitigen und dem Wohlbefinden junger Menschen Vorrang vor dem Profit einräumen“, fordern die Forscher:innen. Gleichzeitig wünschen sie sich eine Änderung der Erziehung, wenn es um das Thema Social Media geht. Ihr Vorschlag ist eine „healthy digital diet“ für junge Menschen. Sie soll Aspekte wie Bildschirmzeit sowie die Auswirkungen vom Konsum diverser Inhalte auf die geistige und körperliche Gesundheit erklären.

Die Ergebnisse dieser Forschung kommen übrigens zu einem ziemlich interessanten Zeitpunkt. Denn die Themen toxische Männlichkeit und Frauenbilder sind durch eine weitere Untersuchung derzeit sehr präsent. Diese fand heraus, dass unter den Männern zwischen 16 und 29 Jahren einer von vier glaubt, dass es schwieriger ist, ein Mann zu sein als eine Frau. 16 Prozent der Gen-Z-Männer erklärte sogar, dass der Feminismus mehr Schaden gebracht hat als Nutzen. Zum Vergleich: In der Generation 60+ sahen das 13 Prozent so. Und bei den Frauen zwischen 16 und 29 Jahren sahen das neun Prozent so.