Die erste Staffel von „Tote Mädchen lügen nicht“ hinterließ viele Eltern in einem Schockzustand (warum ich sie eigentlich nie wieder ansehen wollte, lest ihr hier). Denn ja, viele Kinder machen in der Schule tatsächlich ähnliche Erfahrungen, wie sie in der Serie thematisiert werden. Doch der letzte Ausweg, den Hannah Baker durch ihren Selbstmord wählt, ist nicht gerade einer, den Eltern sich für ihre Kinder wünschen. Die Kritik kam aber nicht nur von besorgten Müttern und Vätern  –  auch Psychologen, Ärzte und Lehrer kritisierten die grafischen Darstellungen und die Trigger-Wirkung für Jugendliche, die Ähnliches durchmachen wie Hannah.

Heftige Kritik an erster Staffel von „13 Reasons Why“

In der zweiten Staffel wurde versucht, einige der Unstimmigkeiten aufzuklären und tatsächlich sieht man, wie von den Drehbuchautoren auf jeden einzelnen Kritikpunkt der Medien eingegangen wurde. Doch irgendwas stimmt trotzdem nicht. Zeigt diese Serie, die jetzt nach jeder Folge auf ihre Website verweist, wo Hilfesuchende fündig werden, wirklich die Realität – die Realität der Opfer, die es tagtäglich und überall auf der Welt gibt? Da kann ich mit Sicherheit sagen: Nein. Denn die zweite Staffel ist eine Aneinanderreihung traumatisierender Erlebnisse verschiedener Jugendliche, die ihren Zweck erfüllen, sie schockieren. Doch der Tiefgang bleibt dabei auf der Strecke. Wir sehen das Schlechte vom Schlechtesten und Hoffnungsschimmer  sind – wie auch schon in Staffel  eins – eher schwer zu finden.

Es passiert zu viel in kurzer Zeit

Elternverbände in den USA fordern Netflix nun dazu auf, „Tote Mädchen lügen nicht“ aus dem Programm zu nehmen. Denn obwohl nach der heftigen Kritik, die der ersten Staffel folgte, mehrere Trigger-Warnungen in die einzelnen Folgen eingebracht wurde, sei die Serie für Menschen mit psychischen Problemen weiterhin untragbar. Kritisiert wird von den Verbänden vor allem, dass auch nach Hannahs Tod weiterhin eine Tragödie nach der anderen passiert. Ohne Pause, ohne Zeit die einzelnen Ereignisse aufzuarbeiten.

Die Macher von „13 Reasons Why“ rühmen sich damit, dass die Serie wichtige Themen unserer Gesellschaft anspricht und verarbeitet. Tatsächlich werden Darstellungen von sexuellem Missbrauch, Suizid und psychischer Gewalt nur für die Schock-Momente herangezogen. Wirklich aufgearbeitet wird keines der Themen, obwohl wohl wahr ist, dass über derartige Probleme gesprochen werden muss. Das ist nur leider der falsche Weg. Denn während mir bei manchen Szenen die Luft wegblieb, suche ich doch vergeblich nach dem Licht am Ende des Tunnels, das eine so konfliktreiche Sendung bieten müsste. In jener Form, in der die Serie nun veröffentlich wurde, ist sie nur eine Darstellung von Gewalt und ganz sicher keine konstruktive Diskussion gesellschaftspolitischer Probleme.